Ungenießbar?

was die angebliche Ungenießbarkeit betrifft: "gefällt mir nicht" bedeutet noch lange nicht "ist häßlich oder taugt nix"!!!

Wolters' Wort von der "Ungenießbarkeit" ist ja im Grunde das Thema, um das es in diesem Thread geht. Also speziell die Frage: ist Ungenießbarkeit eine objektive Eigenschaft eines Musikstücks?

Ich gehe davon aus, daß Musik eine ganz persönliche, individuelle Sache ist, und daß sowohl die Aussage "Das ist große Kunst, das muß dir gefallen!" wie die Aussage "Das ist Schund und hat keinen Wert" absolut sinnlos sind.

Man kann sich (oder andere) weder zwingen, daß einem etwas gefällt, noch kann man ein vorhandenes Gefallen ab-erziehen. Warum sollte man auch.


Edit

Hab nochmal kurz über den letzten Satz nachgedacht und korrigiere ihn wie folgt:

Doch, es ist möglich! Man kann durch Druck (Autoritätsdruck oder Gruppendruck) Leute dazu bringen, daß sie ihren Geschmack "ändern" - wem damit eigentlich geholfen ist, ist die große Frage.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich verstehe Nica so, dass Entwicklung (in welche Richtung auch immer) die logische Folge allen Tuns ist. Dazu braucht es nicht unbedingt Mühe. :p Mühe braucht es, wenn man das Tun eigentlich nicht will und sich überwinden muss. Was muss man aber überwinden? Offensichtlich eigene Hürden, die man sich aufgebaut hat und die den Blick verstellen (Urteile, Vorurteile, Gewohnheiten....).

Hat nun jemand keine/wenig Hürden aufgebaut und ist grundsätzlich offen für Neues, braucht der auch nichts überwinden, ergo: keine Mühe. Er stellt vielleicht fest, dass er das Stück nicht versteht und hört es einfach noch ein paar Mal. Mit offenen neugierigen Ohren. Keine Mühe. :p

Ich will nicht sagen, dass es oft so ist, aber es kann so sein. Ich bin auch eher so.

Liebe Grüße

chiarina
 
Hab nochmal kurz über den letzten Satz nachgedacht und korrigiere ihn wie folgt:

Doch, es ist möglich! Man kann durch Druck (Autoritätsdruck oder Gruppendruck) Leute dazu bringen, daß sie ihren Geschmack "ändern" - wem damit eigentlich geholfen ist, ist die große Frage.

Lieber Haydnspaß,

dazu ist vielleicht eine Studie ganz interessant, die ich hier im Forum schon einmal erwähnt habe:

Jugendlichen wurde Neue Musik vorgespielt. Beim ersten Anhören fanden sie die Stücke gräßlich, aber je öfter sie es gehört hatten, desto besser fanden sie es. Zum Schluß gaben sie sogar ein absolut positives Urteil ab.

Leider weiß ich nicht mehr den gesamten Umfang der Studie.

Liebe Grüße

chiarina
 
Chiarina hat das ganz toll ausgedrückt :kuss: So hab ich das in Bezug auf das Mehrmals-Hören gemeint :)

Um nochmal ein anderes Beispiel zu geben, absichtlich nicht aus der Musik:

Zitat von rolf:
was spricht denn aus deiner Weltsicht gegen die Formulierung "sich um etwas Mühe geben"?

Wie ich oben schon geschrieben hatte, ist das aus meiner Sicht der falsche Fokus.

Wenn ich in ein Museum gehe und ein interessantes Bild oder eine Fotografie von einem mir bisher unbekannten Künstler sehe, dann kann ich hinterher nach Hause gehen und etwas über diesen Künstler lesen, mir andere Werke anschauen, vielleicht etwas über die Epoche lernen (falls ich das vorher noch nicht wusste), rausfinden, von welchen anderen Künstlern, Dichtern oder Philosophen dieser Künstler beeinflusst wurde und mir auch von denen Werke anschauen.

Das alles könnte man als mühevolle kunstgeschichtliche Recherchen bezeichnen, mit der Aussicht, am Ende der Arbeit dadurch belohnt zu werden, dass man das im Museum gesehene Bild besser versteht.

Man könnte es aber auch als faszinierende Erkundung voller interessanter Überraschungen und Einblicke sehen, durch die man vielleicht noch mehr tolle Werke kennenlernt.

Wenn Du diese zwei Beschreibungen von zwei Leuten bekommen würdest und nicht wüsstest, dass sie genau dasselbe bezeichnen, für welche Aktivität würdest Du Dich entscheiden?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Das alles könnte man als mühevolle kunstgeschichtliche Recherchen bezeichnen, mit der Aussicht, am Ende der Arbeit dadurch belohnt zu werden, dass man das im Museum gesehene Bild besser versteht.

Man könnte es aber auch als faszinierende Erkundung voller interessanter Überraschungen und Einblicke sehen, durch die man vielleicht noch mehr tolle Werke kennenlernt.

Wenn Du diese zwei Beschreibungen von zwei Leuten bekommen würdest und nicht wüsstest, dass sie genau dasselbe bezeichnen, für welche Aktivität würdest Du Dich entscheiden?

ja Nica, damit bin ich einverstanden!!

bezogen auf Musik muss das ansammeln von Hintergrundwissen (Harmonielehre, Musikgeschichte usw usf) keine mühsame Arbeit sein, sondern das kann auch ein entdeckerfreudiges, offenes, neugieriges Erkunden sein - die durchaus im Vergleich zum aufm Sofa lümmeln darin doch enthaltene "Mühe" merkt man nicht, wenn Interesse an der Sache vorhanden ist.

ich bin guter Dinge, dass wir zwei uns auf diese Formulierung einigen können :)
 
Jugendlichen wurde Neue Musik vorgespielt. Beim ersten Anhören fanden sie die Stücke gräßlich, aber je öfter sie es gehört hatten, desto besser fanden sie es. Zum Schluß gaben sie sogar ein absolut positives Urteil ab.

Dasselbe könnte man mit jeder anderen Musik auch machen, z.B. mittelalterliche Gesänge, afrikanische Trommeln, türkische Musik, Scarlatti-Sonaten, Beatles-Songs, Nationalhymnen, irische Volkstänze.

Aber was ist letztendlich der Sinn der Aktion?
 
Ich verstehe Nica so, dass Entwicklung (in welche Richtung auch immer) die logische Folge allen Tuns ist. Dazu braucht es nicht unbedingt Mühe. :p Mühe braucht es, wenn man das Tun eigentlich nicht will und sich überwinden muss.
...ach komm, soooo pauschal kannste das auch nicht sehen...
man kann die Ondine liebend gerne lernen und spielen wollen, es wird dennoch anstrengend sein ;) und ergo wird darin eine gewisse Mühe enthalten sein (aber wenn mans gern macht, isses kein Buhu-Grund)
und man kann liebend gerne die Harmonik von Skrjabins Spätwerk erkunden und begreifen wollen ;) doch auch darin wird etwas "Mühe" enthalten sein, sofern man nicht gerade ein Muwi-Examen im Tornister hat

ja genau genommen ist es auch mühsam und anstrengend, für einen Marathonlauf zu trainieren und diesen dann zu laufen - aber wenn man´s gerne macht, dann greint man nicht und schmeißts auch nicht hin --- so lange man das nicht von außen her muss, ist doch alles im grünen Bereich :D
 
bezogen auf Musik muss das ansammeln von Hintergrundwissen (Harmonielehre, Musikgeschichte usw usf) keine mühsame Arbeit sein, sondern das kann auch ein entdeckerfreudiges, offenes, neugieriges Erkunden sein - die durchaus im Vergleich zum aufm Sofa lümmeln darin doch enthaltene "Mühe" merkt man nicht, wenn Interesse an der Sache vorhanden ist.

ich bin guter Dinge, dass wir zwei uns auf diese Formulierung einigen können :)

Ja, ich glaube, da sind wir doch ziemlich nah beieinander... :)
 

Ja, ich glaube, da sind wir doch ziemlich nah beieinander... :)

:D Ich behaupte sogar, dass wir uns alle komplett einig sind und uns nur an der Formulierung des anderen stören. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass man das Wort "Mühe" nicht immer gleich negativ belasten muss im Sinne von "Buhu - das macht Mühe - neee das mag ich nicht!".

Ein wichtiger Punkt den Rolf gebracht hat ist dass man unterscheiden muss, zwischen "ich erkenne die Qualität dieser Musik, mag sie aber trotzdem nicht" oder "ich verstehe diese Musik nicht und mag sie deshalb nicht und möchte auch nichts daran ändern". Daher glaube ich auch wie gesagt, dass niemand die Métopes genießen kann, der sich vorher kein bisschen mit Kunstmusik dieser Art auseinandergesetzt hat und sei es auch nur durch bemühtes, intensives Hören.

Ich zum Beispiel mag die Chopin-Konzerte nicht, was sicherlich auf sehr viel Unverständnis treffen wird. Ich streite aber natürlich in keiner Weise deren musikalische Qualität ab. Objektiv betrachtet sind das natürlich ganz außergewöhnlich tolle Werke. Genau das bringt mich zur ursprünglichen Frage zurück. Wolters hat ein Fachbuch geschrieben, die Aussagen stammen also nicht von musikalischen Laien. Skrjabins Spätwerk, Schönberg, Prokofievs Kriegssonaten und vieles aus der Moderne wird gelobt und als tolle Musik bezeichnet. Die Métopes und die Schostakowitsch-Sonate werden als ungenießbar bezeichnet. Gibt es dafür irgendeine plausible, objektive, musikwissenschaftlichen Begründung oder darf man diese Aussagen wie so einiges in diesem Buch nicht so ernst nehmen?

Viele Grüße!
 
Die Métopes und die Schostakowitsch-Sonate werden als ungenießbar bezeichnet. Gibt es dafür irgendeine plausible, objektive, musikwissenschaftlichen Begründung
nein, gibt es nicht
(auch in hilfreichen Büchern können misslungene Passagen stecken, z.B. lehnt wolters viele Transkriptionen ebenfalls ab - das sollte niemanden hindern, diese oder die Metopes etc. auszuprobieren)
 
Wolters' Wort von der "Ungenießbarkeit" ist ja im Grunde das Thema, um das es in diesem Thread geht. Also speziell die Frage: ist Ungenießbarkeit eine objektive Eigenschaft eines Musikstücks?

Ich gehe davon aus, daß Musik eine ganz persönliche, individuelle Sache ist, und daß sowohl die Aussage "Das ist große Kunst, das muß dir gefallen!" wie die Aussage "Das ist Schund und hat keinen Wert" absolut sinnlos sind.




Man kann sich (oder andere) weder zwingen, daß einem etwas gefällt, noch kann man ein vorhandenes Gefallen ab-erziehen. Warum sollte man auch.


Edit

Hab nochmal kurz über den letzten Satz nachgedacht und korrigiere ihn wie folgt:

Doch, es ist möglich! Man kann durch Druck (Autoritätsdruck oder Gruppendruck) Leute dazu bringen, daß sie ihren Geschmack "ändern" - wem damit eigentlich geholfen ist, ist die große Frage.

durch Druck den Geschmack zu "ändern" bezweifle ich. Es gibt nur eine sichere Methode dafür sind Eltern mit gutem Geschmack verantwortlich !
Einem Kind muss schon früh mit dem guten Geschmack konfrontiert werden.
Ich habe meine Kinder schon alls etwas grössere Babys in den Stuhl gesetzt, eine Flasche mit Milch gemischt mit viel Honig gegeben und dann u.a. die 5 Beethoven Sinfonie voll aufgedreht . So wie es aussieht hat Fortuna es gut gemeint mit meinem Sohn, er singt nur noch grosse Musik. Siehst Du ein klarer Beweis, bei der Früherziehung fängt der gute Geschmack an. :D:D:D

Cordialement
Destenay
 
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...ach komm, soooo pauschal kannste das auch nicht sehen...

Ich hab's ja auch nicht pauschal gesehen :p :

Dazu braucht es nicht unbedingt Mühe. ......
Ich will nicht sagen, dass es oft so ist, aber es kann so sein.

Ich gebe dir absolut recht in deinen Ausführungen, aber da sprichst du viel vom Spielen. Es ging aber um die Offenheit für das Hören von Musik, die einem beim ersten Hören nicht gefällt. Dazu muss man m.E. nicht unbedingt Mühe aufwenden (s.o.).


Und worin liegt der kleine Unterschied ??

Der kleine Unterschied liegt m.E. in der Formulierung. Ich bin mehr dafür, den Gewinn als die Mühe beim Hören schwieriger oder für jemanden ungenießbarer Stücke herauszustellen. Und klar zu machen, dass es völlig normal ist, dass man bestimmte Stücke nicht mag, dass man sie aber mehrmals hören sollte, bevor man ein Urteil fällt. Früher in meiner Jugend konnte ich mit Bach's Klavierwerk wenig anfangen - da musste ich wohl noch ein wenig reifen :p . Im Studium hat sich das immer mehr geändert und jetzt ist es genau anders herum. Das ist ja das Tolle an Musik, die so vielfältig ist, dass sie uns in allen Lebenslagen erreichen kann. So kann Musik, die mal ungenießbar war, später genau richtig sein. Ohne Offenheit klappt das natürlich nicht.


Dasselbe könnte man mit jeder anderen Musik auch machen, z.B. mittelalterliche Gesänge, afrikanische Trommeln, türkische Musik, Scarlatti-Sonaten, Beatles-Songs, Nationalhymnen, irische Volkstänze.

Aber was ist letztendlich der Sinn der Aktion?

Da hast du völlig recht. Auf einer Tagung der Epta hat das Team um Altenmüller (Hannover) einen Vortrag gehalten, bei dem es um musikalische Sozialisation ging. In dem Rahmen wurde diese Studie erwähnt. Ich finde es ganz interessant, dass unabhängig vom eigenen Hörverhalten nur das mehrmalige Hören eines Musikstücks, das man vorher als ungenießbar empfunden hat, ausreicht, um damit vertrauter zu werden und es schließlich zumindest als anhörbar zu empfinden. :)

Liebe Grüße

chiarina
 
Auch nochmal kurz zum Hören von Musik:

Ich sage nicht, daß man sich jedes Stück nur einmal anhören soll. Im Gegenteil: nur zu! Jeder so, wie er es mag.

Aber wenn ein Dirigent oder Interpret in den ersten Tönen oder Takten schon musikalisch vergeigt, was zu entscheiden ich mir für mich selbst einfach herausnehme (nach dreißig Jahren intensiven Musikhörens), dann interessiert mich halt diese Interpretation nicht mehr.

Der schieren Masse an Interpretationen und Musikstücken ist es zu verdanken, daß es trotzdem Musik gibt, die mein Trommelfell massieren darf :cool::D:D:D
 
Auch nochmal kurz zum Hören von Musik:

Ich sage nicht, daß man sich jedes Stück nur einmal anhören soll. Im Gegenteil: nur zu! Jeder so, wie er es mag.

Aber wenn ein Dirigent oder Interpret in den ersten Tönen oder Takten schon musikalisch vergeigt, was zu entscheiden ich mir für mich selbst einfach herausnehme (nach dreißig Jahren intensiven Musikhörens), dann interessiert mich halt diese Interpretation nicht mehr.

Der schieren Masse an Interpretationen und Musikstücken ist es zu verdanken, daß es trotzdem Musik gibt, die mein Trommelfell massieren darf :cool::D:D:D

da rate ich dir mal an u.a. Alfred Cortot , Richter etc. anzuhören, die werden dir, die Ohren schon stopfen
 
Aber wenn ein Dirigent oder Interpret in den ersten Tönen oder Takten schon musikalisch vergeigt, was zu entscheiden ich mir für mich selbst einfach herausnehme (nach dreißig Jahren intensiven Musikhörens), dann interessiert mich halt diese Interpretation nicht mehr.

Liebster Dreiklang,

in einem Konzert hat Bruno Leonardo Gelber mal den Anfang einer Beethoven-Sonate in den Sand gesetzt. Hätte ich da aufstehen und gehen sollen a la 'nee, nee, so was kommt mir nicht in die Tüte'? :p:p:p Ui, da wär mir aber viel entgangen!!!

Liebe Grüße

chiarina
 

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