Ein mit allen russischen Wassern gewaschener unsensibler Pianist donnert Rachmaninof in das arme Instrument. Der Steinway schüttelt sich und sagt: ok, next please.
Der Bösendorfer ist beleidigt und wimmert vor sich hin.
Ich halte diese Aussage für kompletten Unfug.
Abgesehen davon, dass es keinerlei substantielle Begründung für diese sehr persönliche Einschätzung gibt, liegt es in 99% der Fälle, wo man nicht zufrieden mit dem Instrument ist, am Techniker, der das Instrument vorbereitet hat, wenn es nicht gerade einfach komplett kaputt ist und substantielle Reparaturen in der Mechanik und im Klangapparat notwendig wären. Das ist übrigens komplett markenunabhängig.
Im übrigen fällt mir gerade kein mit allen Wassern gewaschener russischer Pianist ein, der unsensibel donnert. Bevor es dazu kommt, werden sie in der Gnessin-Schule freundlichst eines anderen Weges gewiesen. Die anderen, die es aus der Gnessin-Schule zum Konservatorium schaffen, die können in der Tat donnern, aber sie tun dem Flügel nicht weh, es sei denn der Techniker hatte noch nie einen solchen Pianisten betreut.
Was auch immer Du gegen Bösendorfer hast, es sei Dir unbenommen. Aber ein gut gepflegter Bösendorfer ist nicht beleidigt und wimmert nicht. Das gilt auch für Bechstein, Fazioli, Yamaha, Kawai und andere einigermaßen solide produzierte Instrumente mit kompetenten Technikern.
Auf der Bühne hat mich noch nie ein Steinway enttäuscht. Bei den anderen gab es solche und solche, wie schon gesagt.
Du führst ein behütetes Leben; hast Dich also noch nie mit einer amerikanischen Kack-Kiste herumschlagen müssen, bei dem selbst russische Pianisten kloppen können wie nix Gutes, um dann doch festzustellen, dass der Techniker die Kiste so kaputtreguliert hat, dass nur ein Mezzoforte herauskommt. Oder einer lässigen Hamburger Kiste, die derart schlecht gestimmt war, dass der Pianist in der Pause mir den Stimmhammer gab und mich bat, die 5-6 Töne (Du weißt schon welche, sagte er) nachzuziehen, weil es sonst für das Publikum eine noch größere Zumutung als ohnehin schon gewesen wäre.
Vermutlich hast Du auch noch nie einen Bösendorfer gespielt, der mal gut in Schuss war. Die Wimmern nämlich nicht, sondern sind begeistert, wenn ein Pianist damit umgehen kann. Nein, nicht jeder Pianist mag die Mechanik der älteren Bösendorfer und geht ihnen aus dem Weg. Jedoch die, die es können, holen aus einem Imperial Sachen raus, die einem die Schuhe ausziehen können. Gulda war so einer, Oscar Peterson auch - und beide waren nicht unbedingt als Leisetreter bekannt.
Ich weiß ja nicht, ob Deine reichhaltigen Erfahrungen Dich bisher in so Räumlichkeiten wie die Berliner Philharmonie, Wigmore Hall, Wiener Konzerthaus, Amsterdam Concertgebouw, La Roque d'Antheron oder das South Bank Centre geführt haben, aber es würde mich wundern, wenn auch nur eine der genannten Institutionen nicht in der Lage gewesen wäre, Dir einen Yamaha, Bösendorfer, Bechstein oder Blüthner bereitzustellen, der Dir
nicht die Tränen in die Augen getrieben hätte.