Sollte man beim Spielen immer zählen?

Ich habe mal eine Zeit lang in einem Kaufhaus Klavier gespielt und wurde beim Spielen ständig angequatscht (das beste war: "entschuldigung, wissen Sie wo die Dirndel sind?").
Habe dann immer versucht, zu antworten und dabei weiterzuspielen - irgendwann hat es geklappt.
 
Als Korrepetitor muss man auf Proben ständig die Anschlüsse der Sänger hineinsingen. Das ist einfach, solange die Melodie (oder zumindest der Rhythmus) im Klavier mehr oder weniger mitgespielt wird. Und es kann ziemlich schwierig sein, wenn das nicht der Fall ist. Wer's nicht glaubt, kann ja mal versuchen, die ersten paar Seiten Elektra gleichzeitig zu spielen und zu singen:

http://ks.imslp.net/files/imglnks/u...22-Strauss_-_Elektra_VS_Sibley.1802.16776.pdf

:-D
 
Eine Ergänzung zum Tipp mit dem Fuß: da es eine zusätzliche koordinatorische Aufgabe ist, erschwert es manchmal das Problem mehr, als es hilft. In diesem Fall wäre eine andere körperliche Verdeutlichung des Pulses ratsam, die einfach auszuführen und zu koordinieren ist, nämlich mit der Zunge leicht am Zahnansatz anzutippen (nennt man es "schnalzen"?), also praktisch so was wie t-t-t-t sagen. Der Vorteil ist, dass die zusätzliche Bewegung minimal ist und man sie sich nicht mal wieder abgewöhnen muss (wie Fußwippen).
Wenn ich mal an kniffligen Stellen den Puls für mich deutlich machen muss, benutze ich immer diese Variante. Sie wurde uns damals im Methodikunterricht nahegelegt, und ich finde sie sehr gut. Hat auch bei vielen Schülern geholfen, die es mit dem Fuß nicht hinkriegen.
 
Jerome Rose hat auch mal von mir verlangt, dass ich in der Lage bin, beim Spielen laut mitzuzählen. Wer schonmal beim Klavierspielen versucht hat zu reden, weiß, wie schwierig das je nach Stück sein kann. Aber: Es war sinnvoll und hat etwas Positives bewirkt. Weiß leider nicht mehr, welches Stück das war.
Als gezielt angewandter Übungsvorgang zur Koordination von zwei oder mehr rhythmisch eigenständigen Schichten oder Ebenen absolut sinnvoll, aber nicht als dauerhaft angewandtes Ritual, völlig richtig.

Auch ich übe jede problematische Stelle mindestens einmal mit Metronom - und merke dabei oft, dass ich nicht ganz so spiele, wie ich denke. Danach korrigiert sich auch mein innerer Puls und ich fühle mich dann sicherer. Ich gebe zu, dass es mir nach wie vor schwer fällt, den Puls ansonsten wirklich immer zuverlässig zu spüren.
Dann fungiert der externe Taktgeber als einmal angewandtes Korrekturinstrument, um den inneren Puls zu stabilisieren - ersetzt ihn aber nicht auf Dauer. Ebenfalls sinnvoll, da man dadurch nicht sein Spiel lediglich von außen taktet, ohne es deswegen rhythmisch organisch hinzubekommen.

Hast Du ein mechanisches Metronom? Mach das doch mal an, schau auf das Pendel und versuche mitzuklatschen. Nicht warten, bis das Metronom klackt und dann schnell klatschen, sondern vorweghören/-schauen. Kannst Du das?
Sympathischer ist für mich das Bild eines Dirigenten, der vor einem steht und auf die Umsetzung einer präzisen Zeichengebung Wert legt. Der Dirigent atmet mit Gesangssolisten und kennt die Besonderheiten der Tonerzeugung bei den unterschiedlichen Instrumentengruppen, was nichts mit Nachlässigkeiten zu tun hat ("Klassiker-Rubato"). Vielmehr stellt er sich darauf bei der Vorgabe der Schlagfiguren ein, was der tickende Apparat ja nicht kann. Allerdings wird ein Dirigent sich audiomotorisch seiner Sache klar bewusst sein müssen - wie will er sonst seinen Klangwillen präzise umsetzbar auf den Ensembleapparat übertragen? Mit diesem Bild ersetze ich die Wahrnehmung des Pendels beim mechanischen Metronom durch die die Taktfiguren vorgebende "Schlaghand" des Dirigenten. Auch hier muss dem ausübenden Vokalisten oder Instrumentalisten klar sein, an welchem Punkt man sich gerade innerhalb der Schlagfigur befindet.

LG von Rheinkultur
 
Ich habe mal eine Zeit lang in einem Kaufhaus Klavier gespielt und wurde beim Spielen ständig angequatscht (das beste war: "entschuldigung, wissen Sie wo die Dirndel sind?").
Habe dann immer versucht, zu antworten und dabei weiterzuspielen - irgendwann hat es geklappt.
Bei diesem Berufsbild eine wichtige Voraussetzung, da Du permanent mit Deinen Zuhörern kommunizierst. Sich hinter Notenbänden auf dem hochgeklappten Notenpult verstecken, das funktioniert nicht. Wer über mehrere Dinge gleichzeitig den Überblick behält, hat schon mal ganz gute Karten.

Als Korrepetitor muss man auf Proben ständig die Anschlüsse der Sänger hineinsingen. Das ist einfach, solange die Melodie (oder zumindest der Rhythmus) im Klavier mehr oder weniger mitgespielt wird. Und es kann ziemlich schwierig sein, wenn das nicht der Fall ist.
So ist es - und der Korrepetitor muss sich auf die (Un-)Selbständigkeit seiner Gesangspartner sofort einstellen können. Agiert er innerhalb seiner Partie rhythmisch sicher? Oder braucht er auch dann einen klaren gestischen Impuls, wenn kein Dirigent da oder dieser anderweitig beschäftigt ist?

Eine Ergänzung zum Tipp mit dem Fuß: da es eine zusätzliche koordinatorische Aufgabe ist, erschwert es manchmal das Problem mehr, als es hilft.
Oder es agiert beim Fußwippen nur der Vorderfuß (Großzehe). Dann legen die beteiligten Glieder und Partien einen kürzeren Weg zurück und der Koordinationsvorgang bleibt gewährleistet, ohne zur Zusatzaufgabe zu werden.

LG von Rheinkultur
 
Nein, das kann ich tatsächlich nicht. Wenn ich das versuche, höre ich eine Zeit lang zu und komme dann auch recht gut rein. Wenn ich dann weiter auf das Metronom achte, geht das natürlich schief, dann mach ich den Tausendfüssler der über seine Füsse fällt sobald er versucht bewusst zu gehen. Versuche ich es aber über entspannd gleichmäßig bleiben, läuft das nach kurzer Zeit auseinander. In meiner Wahrnehmung bleibe ich im Takt, das Metronom beweist aber das Gegenteil.

Ich muss gestehen, ich hatte die Übung mit dem Metronom etwa drei Jahre nicht mehr gemacht, es ist wirklich frustrierend, wenn man so etwas ohne Erfolg übt. Aber jetzt hab ich es doch wieder probiert und es ist ein deutlicher Fortschritt da, ich kann jetzt mit klatschen, komme zwar immer noch sehr leicht raus, aber dann auch wieder rein. Und das wieder rein kommen ohne komplett neu anzusetzen gab es früher nicht. Ich halte es für nicht wahrscheinlich, dass ich ein sicheres inneres Metrum erreichen kann, aber ich kann es durchaus so gut hin bekommen, dass Laien nicht merken, dass ich da meine Schwierigkeiten habe.
 
ich wüsste auch nicht zu sagen, was daran problematisch sein soll, wenn männliche KL Kinder und Frauen an Händen, Armen und Schultern berühren. Das sind doch nun wahrlich nicht die intimsten Körperregionen.

Es könnte gut sein, dass diese bewusste Abkehr von einem sinnvollen pragmatischen Verhalten dadurch entstanden ist, dass einige wenige Exemplare es beim zweckmäßig neutralen Berühren nicht belassen konnten und ihre Pfoten auf Wanderschaft schickten? :-( Aus einer Kultur des systematischen Ignorierens entwickelte sich eine Neigung, ebenso systematisch überall den potenziellen Übergriff zu wittern. Irgendwann wird sich das auf ein vernünftiges Normalmaß einpendeln, hoffe ich.

Was ist, wenn eine Schülerin das doch problematisch findet? Ich habe keine Ahnung, welche Verhaltensregeln für KL gelten

Diese sonderbare Hemmung ist mir bislang tatsächlich nur im Zusammenhang mit Klavierunterricht (Instrumentalunterricht generell?) aufgefallen. Womöglich liegt es daran, dass der Unterricht à huis clos stattfindet, gegen alle störenden Außenreize abgeschirmt im stillen Kämmerlein?

Im Sport wird, wenn´s opportun ist, beherzt zugegriffen. Vielleicht ist es gerade die Herzhaftigkeit, die die Berührung unzweideutig erscheinen lässt?

Oft genug sind Trainierende mit der anfangs bewusst durchgeführten Koordination von zu vielen motorischen Spezialaufgaben derart beschäftigt, dass sie das körperliche Gesamtgefühl völlig aus dem Fokus verlieren. Taktile Fremdimpulse an bestimmten Körperregionen nützen subitopronto mehr als abstrakte Anweisungen, solange der innere Regelkreis nicht vollständig etabliert ist.

Wenn ich einem guten Reiter zurufe "mehr zum Sitzen kommen!", weiß der, was gemeint ist - er soll durch gleich starke Aktivierung beider Erectores spinae seinen Beckenkamm aufrichten, parallel die Adduktoren und die Glutei maximi vollständig entspannen und dadurch in die anatomische Lage versetzt werden, sich senkrecht und gleichmäßig auf beiden Ossa ischii zu positionieren, so dass er korrekte Hilfen geben kann. ;-)
Dem noch nicht so guten Reiter nützt weder die verkürzte Umschreibung ("mehr zum Sitzen kommen") noch die anatomischen Einzelanweisungen, was er mit welchem Muskel machen soll. Diese Muskeln bekommt er dann durch herzhaftes Bestreichen einzeln vorgestellt. :lol:Das hat m. W. noch niemand übergriffig empfunden, weder Männchen noch Weibchen, aber manch einer lernte durch solche Impulse bislang unbewusste Teile seiner Anatomie kennen.

Vielleicht wird die Berührung in der Trainerausbildung mittlerweile auch stärker tabuisiert, nachdem es auch den einen oder anderen "Fall" gegeben hat? :denken:
Oder die Situation ist eine andere? Die Reithalle oder der Sportplatz sind per se keine intimen Situationen, in der Regel sind viele Leute zugegen, Zuschauer, Rumstehende, Mit-Trainierende o.ä. ? Aber wer zum Physiotherapeuten oder zur medizinischen Massage geht, wird doch auch kein sonderbares Gefühl dabei entwickeln, vom Therapeuten berührt zu werden. :denken:

manchmal hat man sich an eine bestimmte Agogik oder Tempoveränderung so sehr gewöhnt, dass sie einem viel schwächer vorkommt, als sie tatsächlich ist. Einmal mit Metronom spielen kann die Ohren öffnen.

... oder eine (egal wie schlichte und hinsichtlich der Tonqualität weit hinter den überzogenen heutigen Maßstäben zurückbleibende) Tonaufnahme machen. Das Gehirn ist darauf gepolt, dem Bewusstsein "korrigierte" Sinnesphänomene zu präsentieren (z. B. ist es aus diesem Grund heikel, eigene Texte Korrektur zu lesen - das Gehirn weiß ja, was da stehen sollte und korrigiert es selbständig, so dass man seine eigenen Fehler viel weniger "bewusst wahrnimmt" als fremde Fehler).

Objektivierende Maßnahmen wie "mal ein Metronom ticken zu lassen" oder "eine Aufnahme von sich selbst anzuhören" können bestürzend erhellend sein.

Im Sport arbeitet man als Trainer routinemäßig mit Videoaufnahmen, die man dann gemeinsam mit dem Schüler oder der Lerngruppe analysiert. Kann eine grausame Methode sein. :lol:
 
Irgendwann wird sich das auf ein vernünftiges Normalmaß einpendeln, hoffe ich.
Ich auch!!!!!!!!!!!!
Im Sport wird, wenn´s opportun ist, beherzt zugegriffen. Vielleicht ist es gerade die Herzhaftigkeit, die die Berührung unzweideutig erscheinen lässt?
Leider nein. Situation:
Nach eine Tennismatch beobachten ein Bekannter und ich ein Kindertraining. Der Trainer unterstützt das Kind "beherzt" beim Dehnen. Mein Bekannter: "Wenn der mein Kind so anfassen würde...*aggressiveHandlungschildert ".
Irgend wie haben alle ne Feile im Kopp.

Sry für OT.
 
Ich hatte von 11-18 Jahren bei einem Mann unterricht und erinnere mich an genau eine unangenehme Situation in der Richtung:
In meinem Jugendlichen Leichtsinn hatte ich nur eine sehr kurze Hose und ein sehr kurzes Hemdchen angezogen, und im Unterricht kam ich mir doch etwas zu unbekleidet vor. Dazu hat der Lehrer allerdings auch nicht das geringste Quäntchen beigetragen... :-D

Ich gebe allerdings auch zu: Ich habe eine Studentin als Schülerin die sagte, sie sei bisher bei einem etwas merkwürdigen alten Herrn gewesen, und ihr Freund hätte nicht mehr gewollt, dass sie dort hingeht, weil der ihr immer so nah gerückt wäre.
 

Ein derartiges Fußklopfen ist nicht audiomotorisch und daher abzulehnen.

Die Koordination muss übers Ohr (und nicht z.B. über ein dumpfes, undeutliches Gefühlchen im Zeh oder über Sichtkontakt) erfolgen, daher muss ein zum Üben eingesetztes Fußklopfen immer gut hörbar sein. Ggf. also statt Puschel-Hausschuhen auf Hochflorteppich Schuhe mit härteren Sohlen benutzen und / oder Fußbodenbelag ändern, damit man auch gut was hört.
 
Ein derartiges Fußklopfen ist nicht audiomotorisch und daher abzulehnen.

Die Koordination muss übers Ohr (und nicht z.B. über ein dumpfes, undeutliches Gefühlchen im Zeh oder über Sichtkontakt) erfolgen, daher muss ein zum Üben eingesetztes Fußklopfen immer gut hörbar sein. Ggf. also statt Puschel-Hausschuhen auf Hochflorteppich Schuhe mit härteren Sohlen benutzen und / oder Fußbodenbelag ändern, damit man auch gut was hört.

Wir haben weder Teppiche noch Puschel-Hausschuhe. Ansonsten komme ich aber mit meiner Methode gut zurecht. Sichtkontakt nach unten verbietet sich beim Querflöten übrigens.
 
Ein derartiges Fußklopfen ist nicht audiomotorisch und daher abzulehnen.

hört, hört! Da hat er ein interessantes Wort gelesen: "audiomotorisch" und muss es jetzt unbedingt in jedem zweiten Post unterbringen. Nicht wissend, daß ein Dirigent z.B. nie und nimmer "audiomotorisch" schlagen könnte, denn er schlägt VOR dem Orchester. Und auch nichts ahnend von der fast tauben Ausnahmepercussionistin Evelyn Glennie (ja, die muss er jetzt erstmal guugeln...). So ist er, unser Schlauberger: ein Ausnahmemusikant - in seiner Junggesellenwohnung - *lol*...
 
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hört, hört! Da hat er ein interessantes Wort gelesen: "audiomotorisch" und muss es jetzt unbedingt in jedem zweiten Post unterbringen. Nicht wissend, daß ein Dirigent z.B. nie und nimmer "audiomotorisch" schlagen könnte, denn er schlägt VOR dem Orchester. Und auch nichts ahnend von der fast tauben Percussionistin Evelyn Glennie (ja, die muss er jetzt erstmal guugeln...). So ist er, unser Schlauberger: ein Ausnahmemusikant - in seiner Junggesellenwohnung - *lol*...

Dein Beitrag ist bescheuert, aber Evelyn Glennie ist klasse!


View: https://m.youtube.com/watch?v=Edkx6ovQ9YM
 
Eben! Und sie widerlegt so alles, was unser Schlauberger hier zum Besten gibt, denn sie macht genau das: sie ertastet den Beat mit den Füßen.

Einer, der sich regelmäßig anmaßt, per Ferndiagnose fremde Klavierlehrer quasi zu feuern. ("sofort wechseln", du erinnerst dich dunkel?). Daß ihr derartige Skupel habt, den zu durchschauen, bleibt mir ein Rätsel.

Übrigens hat sie an der Royal Academie studiert, wo unser Feld-, Wald- und Wiesen-Klavierlehrer schon an der Aufnahmeprüfung kläglich scheitern würde.
 
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Dingsbums, ich gebe zu, Du hast Recht.

Ich werde künftig auch davon absehen, Leuten das Notenlernen zu empfehlen, denn Chet Baker, Erroll Garner und Stevie Wonder sind ohne Notenlesen Weltstars geworden. Also ist offenbar Notenlesen etwas für den Klavierunterricht Unnötiges.

Ich werde auch ungünstige Bewegungen und Körperhaltungen nicht mehr überheblich korrigieren, sondern stets sagen: "Hier bitte, guckt Euch Glenn Gould und Keith Jarrett an! Wenn die so absolut göttlich spielen, wie könnte man da jemals behaupten, ein nicht zu tiefer Sitz und ein Spiel mit möglichst entspannten Fingern sei unbedingt anzuraten?"

Danke, Dingsbums. Genau am Reformationstag werde ich mich nun demütig komplett reformieren und hinfort, da sich ja immer Beispiele hervorragender Musiker finden, die es ganz anders machen, auf jegliche Ratschläge, wie etwas angeblich am günstigsten sei, verzichten.

LG,
Hasenbein
 

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