Selbstoffenbarung beim Vorspiel

  • Ersteller des Themas JackyJoker
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Ich wollte meine Stücke gar nicht gestalterisch im Klavierunterricht vortragen, weil ich das Gefühl hatte, dass es meinen Lehrer überhaupt nichts angeht, wie ich meine Stücke spielen möchte. Ich fand es bei manchen Lehrern ehrlich gesagt auch unangenehm bis befremdlich, wenn sie mir die Stücke zur Auswahl vorgespielt haben, weil ich gar nicht wissen wollte, woran sie beim Spielen denken ........

Hm, verstehst Du da etwas nicht falsch? Es geht darum, dass die Musik eben Emotionen auslöst: Man reagiert auf die Musik. Aber es ist doch meist nicht so, dass man das eigene Gefühlsleben (bzw. Erlebnisse) durch die Musik "verarbeitet".
Wenn die Musik Emotionen auslöst, ist das nicht gleichzusetzen mit Seelenstriptease. Man "ist" in der Musik, sie berührt, und dann geht man beim Spielen eben mit.
Aber ich kann es verstehen, wenn Geschnaufe oder Grimassen abstoßen. Meiner Meinung nach sind die besten Pianisten diejenigen, die ihre emotionale Energie ins Spiel transportieren. Zwar merkt man an der Körperbewegung, dass sie "in" der Musik sind (wie schon genannt Rubinstein, Horowitz, Argerich,...). Aber theatralisches Getue soll meiner Meinung nach - bewußt oder unbewußt - vom Spiel ablenken.

Wenn ich spiele, und dabei irgend etwas verarbeiten will, oder Probleme "in" das Klavier spielen will, damit es mir danach besser geht, tue ich das nur für mich. Das ist mir selber zu privat....

Es hört sich fast an, als hättest Du Probleme, Emotionen zu zeigen, und Emotionen anderer zuzulassen? Das zeigt Deine Formulierung "auch mal was netteres".
Ich kann mich natürlich irren.
 
Mach das, am besten auch mit professioneller Hilfe , ein Psychotherapeut ! Und jetzt nicht gleich beleidigt sein, ist heute immer noch ein Tabuthema, ist eine schlimme Schande für die, die es dafür halten ! Wenn du die Gedanken und Gefühle aus deiner Kindheit nicht richtig aufarbeitest, bleiben sie immer in dir, und lassen dich zb solche wichtigen Fragen hier stellen, für die dann allerdings nur wenige überhaupt Verständnis haben !
Romeo, ich habe sicherlich nichts gegen Psychotherapie und stehe absolut bei dir, dass es ein Tabuthema ist und man sich deswegen nicht stigmatisiert fühlen sollte. Nur: Der wohlgemeinte Rat ist doch zu wenig treffend und möglicherweise auch zu pauschal. Ich weiß nicht, wo du das in meinen Post herausgelesen hast, aber auch du wirst deine Gründe haben.



Für mich wäre es interessant, wer in einer ähnlichen Situation war oder gar ist. Viele spielen hier ohne Klavierlehrer. Und nicht zuletzt auch die Sensibilisierung der Klavierlehrer.
Nochmal die Frage: Kann man die Ablehnung vom Unvermögen (bzgl der Gestaltung eines Stücks) voneinander unterscheiden?

Mein Versuch, die Pathetique (bzw. was ich nach 2 Wochen davon kann) witzig zu spielen ging auf: mein Zuhörer musste tatsächlich lachen! ;) Worüber genau, bleibt wohl ein Geheimnis, aber die Reaktion war zumindest die erwartete.


Ehrlicherweise muss man tatsächlich nochmal differenzieren: was fühlt der Spieler, was stellt er sich vor, was will er ausdrücken, was sagt ihm selbst die Musik, was möchte er nach außen transportieren, was wird nach außen transportiert und was hört und fühlt der Zuhörer dann tatsächlich? Das habe ich bei meinem ersten Post übersehen.

Hier stellt sich auch wieder die interessante Frage: Kann ich etwas düster vortragen ohne dass ich mir das Stück/das Drumherum auch nur einmal düster vorstelle? Kann ich etwas verliebt klingen lassen ohne auch nur einmal im Leben verliebt gewesen zu sein? Ist es von Vorteil, wenn man verschiedene Emotionen bereits selbst durchlebt hat (und selbst in der Lage ist, diese zu dosieren, wie es möglicherweise beim Vortragen nötig ist)?

Die letzten beiden Absätze gehen ein bisschen in deine Richtung @ag2410 . Es wird sicherlich alles miteinander verflochten: ein Stück klingt für jemanden beispielsweise romantisch, trifft seinen ppersönlichen romantischen Nerv, weil dieser romantische Nerv in der Person ist. Will man das Stück spielen, wird man hierbei wiederum diese romantische Note einweben und im besten Fall nach außen transportieren. Hier wären bildgebende Verfahren sicher interessant. Denkt der Spieler tatsächlich gerade an eine romantische Begebenheit oder gibt er sich einfach diesem Gefühl hin? Und springen beim Hörer dabei ähnliche Gehirnareale an? (Gibt es sicher alles schon, oder? Für mich sind es im Moment einfach neue Gedanken.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist es nicht ein bisschen so wie bei einem Schauspieler? Nur weil er einen Bösewicht spielt, muss er doch nicht böse "sein"... Und genauso, wenn ich beispielsweise ein schwermütiges Chopin Nocturne spielen, kann ich diese Schwermütigkeit versuchen zu transportieren - durch ein gewisses "Hineinversetzen in die Stimmung" während der wenigen Minuten. Jeder hat ja ähnliche Emotionen schonmal gehabt, also kann man sie (eben wie ein Schauspieler) doch auch versuchen, beim Spielen quasi wieder abzurufen.

Das hat jedoch nichts mit meiner eigentlichen Befindlichkeit (an dem Tag, in der Lebensphase usw.) zu tun. Die im Zweifelsfall tatsächlich andere, oder den Lehrer, nichts angeht.
 
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Ah, schön, Christine, genau dazu habe ich etwas in den letzten Absätzen geschrieben.

Vielleicht hat mich das damals tatsächlich zu sehr ergriffen, dass ich gesperrt habe. Keine Ahnung. Für mich war es zu persönlich.
Sollte ich mich wieder auf die Suche nach einem Klavierlehrer machen, werde ich sicherlich auch darauf achten.

Ein bisschen kam ich auch darauf als ich auf yt 5-jährige Kinder romantische Stücke spielen sah und hörte. Viele Kommentare gehen dann in die Richtung "so viel Gefühl!". Da frage ich mich, ob Kinder mit eher wenig Erfahrungen neben dem Klavierunterricht wirklich in der Lage sind, das Stück so zu spielen, wie sie es wollen/fühlen oder nicht doch eher nachahmen, wie es vorgemacht wird.

Viele Fragen ;)
 
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Ja, ich denke manchmal auch, dass die kleinen Kids - die viele Erfahrungen noch nicht gemacht haben (können) - vielleicht noch nicht reif sind für gewisse Stücke. Auf der anderen Seite: wenn sie es technisch bewältigen können (Hut ab!) und sogar in der Lage sind, die entsprechende passende Stimmung immerhin "nachzuahmen" - super.

Es muss doch kein authentisches, in dem Moment empfundenes Gefühl sein. Wie gesagt, halt Schauspielerei. Solange es gut klingt, was spricht dagegen?
 
Es spricht nichts dagegen. Es sind nur Fragen, die man sich stellen kann. Und es gibt viele interessante Antworten.
 
Hmm, wenn ich mir das hier gerade durchlese, stelle ich mir eine andere Frage: Haben eigene Gefühle in einer Interpretation überhaupt etwas verloren, oder sind das nicht alles nur eher eigene Gedanken?

Wenn ich persönlich an der Interpretation eines Stücks arbeite, dann entsteht da bei mir eigentlich nur das allerwenigste aus meinem Gefühl bzw. aus Emotionen heraus. Es entsteht aus Gedanken und Überlegungen, die ich mir am Anfang des Übens mache, und die ich dann während des Übens verfeinere oder auch nochmal komplett umwerfe und neu überdenke, wenn mir Zusammenhänge auffallen, die ich am Anfang noch gar nicht bemerkt habe.
Auch wunderbar ausgebreitete Phrasen entstehen doch erst mal im Kopf. Beispielhaft: langsames, eher ruhiges Stück, moll, lange Legato-Melodielinien, welche durch ausgereifte Agogik schön in sich geschlossen sind, aber trotzdem im Gesamtzusammenhang des Stücks Sinn ergeben. So etwas klingt dann vielleicht unglaublich gefühlvoll, aber ich selbst fühle dabei dann "nichts". Es ist einfach so durchdacht und irgendwann sitzt es fest im Kopf und in den Fingern. Soll heißen, eine Phrase (o.ä) zu analysieren und durchzudenken und dann so lange daran zu üben, bis das gehörte Ergebnis zu dem passt, was ich mir bei der Stelle denke, ist dann bei mir der Weg, den ich gehe.
Ich versuche höchstens, meine Interpretation so klingen zu lassen, dass sie Gefühle auslöst, die der Komponist mit dieser Stelle musikalisch assoziiert haben könnte. Das sind dann aber nicht meine Gefühle, sondern die musikalische Vortäuschung von Gefühlen.
Das klingt jetzt abstrakt, aber besser kann ich das auf die Schnelle nicht beschreiben.

P.S.: Ich mach beim Spielen gequälte Grimassen, als würde ich schrecklich leiden und ich rotiere auf dem Stuhl umher, als würde ich auf hoher See sitzen. Sieht scheiße aus, weiß ich auch, aber passiert irgendwie unbewusst. Und das passiert unabhängig davon, ob ich Chopins Trauermarsch spiele (fiktiv - den hab ich nie gespielt), oder eine Mozart-Sonate, bei der dann viele sofort "heiter" als Assoziation hätten, trotz meiner Gesichtsqualen.
Aber das ist ein anderes Problem...
 
Es muss doch kein authentisches, in dem Moment empfundenes Gefühl sein. Wie gesagt, halt Schauspielerei. Solange es gut klingt, was spricht dagegen?

Es gibt aber wenige gute Schauspieler, und sehr viele mittelprächtige bis schlechte Schauspieler...

Nicht ganz risikolos ist es, wenn kleine Kinder Stücke spielen, die sie technisch perfekt beherrschen, aber man genau merkt, dass die emotionale Regung einstudiert ist. Bzw. vom KL abgeschaut, oder mit ihm eingeübt. Das kann sich nämlich festsetzen, eben dass sie nicht authentisch spielen, sondern "schau"spielen. Auch wenn ich jetzt wirklich nicht wieder über Lang Lang herziehen will, ist er für mich trotzdem das Paradebeispiel des "schau"spielers.
 
@ag2410 :

Hi Antje. Stimme zu, in dem Punkt, dass dieses "Schauspielern", also die dem Publikum vorzugaukelnde Welt, n i c h t von Dritten auf den Spieler aufoktroyiert werden darf ( wie bei den von Dir erwähnten Kindern, oder auch LL ) , sondern diese Scheinwelten müssen sich in diversen Facetten IM SPIELER SELBST a ) entwickelt haben - dazu muss er die Voraussetzungen aber haben, d.h.: viel Erfahrung und Wissen, und b ) es ist gaaaanz wichtig, dass der Spieler diese Gaukelwelten zwar hervorrufen kann - er muss sie selber aber ohne jede Regung bändigen: NUR die Musik, in Zusammenwirkung mit dem EINDRUCK, dass er unglaubliche DINGE UND WELTEN ohne mit der Wimper zu zucken BÄNDIGEN KANN - das macht ihn aus, den wahren Klavierspieler, der vernichtende Naturgewalten entfesseln kann, aber auch liebreizende, verliebte Melodeien evozieren kann.

LG, Olli!

PS.: Nachtrag: Und daraus ergibt sich, dass "Demut" usw., also dieses Geschwafel, was man heute oft hört, Kokkolores ist. Bei all diesem Gelaber von heute erscheint es mir evtl. also angebracht, mal die Blickrichtung wieder etwas "geradezurücken", und die Auffassungen wieder mehr in Richtung der "Virtuosen" des 19. und wie erwähnt vereinzelt noch des 20. Jahrhunderts, die solche Dinge entfesseln konnten, einzupendeln.
 
Zuletzt bearbeitet:
@LMG:
Was meinst du mit der "Demut" und dem Geschwafel? Worauf beziehst du dich da? Ich bin wohl nicht so drin..
 

@LMG meint Demut vor der Leistung des Klavierlehrers, der schwitzend und sich verbiegend echte Gefühle demonstriert, und das sei wichtiger als Geschwafel über das Vorspiel. LMG ist manchmal sehr direkt, weisst du.

Romeo, red doch nicht so einen Unsinn bitte.

@JackyJoker : Ok.: die meisten werden davon schonmal gehört haben: Viele junge Pianisten werden geradezu dahingehend herangezüchtet, sich klein zu machen und "Demut vor allem möglichen" zu zeigen: Vorm Werk, vorm Komponist, vorm Klavier - mithin hat man das Gefühl, sie sind gar nicht mehr vorhanden, so klein müssen sie sich machen.

Meine Gedanken gehen aber dahin, dass das Unsinn ist. Ein souveräner Klavierspieler hat vor nichts dergleichen sich klein zu machen, sondern nimmt selbst "das Heft in die Hand". Neulich hatte ich was zu einem Konzert von Eugen D'Albert geschrieben ( weiß nicht mehr, wo ). Er spielte sicher nicht demütig. Auch andere - die besten - spielen nicht demütig, nicht sich klein machend, nicht um weiteren - unwichtigen - EINZELPERSONEN ihren Willen zu tun. Sondern greifen durch, wie sie es für richtig halten.

Und das sind die wirklichen Meister.

LG, Olli
 
Romeo, red doch nicht so einen Unsinn bitte.

@JackyJoker : Ok.: die meisten werden davon schonmal gehört haben: Viele junge Pianisten werden geradezu dahingehend herangezüchtet, sich klein zu machen und "Demut vor allem möglichen" zu zeigen: Vorm Werk, vorm Komponist, vorm Klavier - mithin hat man das Gefühl, sie sind gar nicht mehr vorhanden, so klein müssen sie sich machen.

Meine Gedanken gehen aber dahin, dass das Unsinn ist. Ein souveräner Klavierspieler hat vor nichts dergleichen sich klein zu machen, sondern nimmt selbst "das Heft in die Hand". Neulich hatte ich was zu einem Konzert von Eugen D'Albert geschrieben ( weiß nicht mehr, wo ). Er spielte sicher nicht demütig. Auch andere - die besten - spielen nicht demütig, nicht sich klein machend, nicht um weiteren - unwichtigen - EINZELPERSONEN ihren Willen zu tun. Sondern greifen durch, wie sie es für richtig halten.

Und das sind die wirklichen Meister.

LG, Olli
Bei Horowitz find ich hört man, dass er sich nicht kleinlicher Demut ergibt. Der packt oft sein eigenes Diaboliches in seine Interpretationen.
 
Ich finde das Gefühlstheater auf der Bühne unglaublich wichtig, denn sonst weiß der Bildungsbürger nicht, wann es ihn zu ergreifen hat. In den Kompositionen jibbet ja schließlich das Pendant zu dieser Art von Signalgeber: die Pause. Woher soll der Bildungsbürger sonst wissen, wann er husten soll?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Er hustet, quasselt mit Sitznachbarn, und wenn man ihn freundlich bittet, diese Aktivitäten auf die Pausen zu beschränken, wird er frech.
 

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