Schlechte Schüler: woran liegt das eigentlich genau?

...müssen wir wider Willen dem entsetzlichen Clavierspiel neben uns zuhören; mit einer Art gespannter Todesangst warten wir auf den uns wohlbekannten Accord, den das liebe Fraulein jedesmal falsch greift,
anscheinend gab es zudem früher keine gesetzlich geregelten Übezeiten...:lol:
Das war in der Tat der wilde Westen. Da mußte das clavierübende Fraulein noch geehelicht werden, um ihr dann in der Funktion des Hausvorstands das Klimpern endlich untersagen zu können.

Genau deswegen schickten clevere Eltern die Frauleins damals alle zum Clavierunterricht. :lol:
 
Nein. Eine Methodik, die primär auf Fehlervermeidung aus ist bzw. auf "möglichst viele Richtige", ist absolut unzweckmäßig und schädlich.

Das führt nämlich zu unmusikalischem, un-audiomotorischem, gehemmtem "Beachter-Spiel".

Eben genau dem, was früher typisch war für die Ergebnisse des "Klaviergouvernanten"-Unterrichts.

Auch heute können wir solche Schüler, die primär Fehler vermeiden wollen, noch in Schülervorspielen beobachten: Man ist froh, wenn die entsetzlich langweilige, steife Performance vorbei ist!

Sage ich, dass Fehler egal sind? Mitnichten! Das wäre unendlich töricht und in der Tat einer der Auswüchse der heutigen Jekami- und Alle-sind-gleich-und-begabt-Hirnlospädagogik! Aber es ist extrem wichtig, wie genau der Prozess aussieht, an dessen Ende Performances stehen, die nicht nur musikalisch überzeugen, sondern auch "gemeistert" sind und somit sehr wenige bis keine Fehler aufweisen!

Unter anderem muss der Schüler lernen, Fehler "wie ein Wissenschaftler" unemotional zu betrachten: Warum genau unterlief mir dieser Fehler? Zufall durch Unachtsamkeit oder Fokussierung auf Unzweckmäßiges? Oder erwartbarer bis eingeübter Fehler - wodurch entsteht er, was muss ich anders machen, wie bekomme ich den weggeübt?

Genau dies können Schüler sehr oft nicht (und jammern oder wüten dann gerne rum - entweder wie schlecht und unfähig sie doch seien, oder wie doof doch diese Scheiß-Finger oder das Scheiß-Stück seien, dass das immer noch nicht vernünftig klappe).
 
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Ein Phänomen, das ich besonders bei intelligenten und vielseitig talentierten Kindern beobachte: Bislang ist ihnen alles zugefallen, Schule ist easy, Lesen konnten sie schon mit 4, Eltern, Verwandtschaft und Freunde sind freudig überrascht, aber jetzt kommt das Klavier daher und ist... störrisch. Die stehen ohne jede Anstrengung auf einem Leistungsgipfel, den andere Kinder sich mühsam erarbeiten müssen und haben darüber nicht gelernt, was das eben heißt: Sich anstrengen, eine Zeit brauchen, bis das Ziel erreicht ist.


Nicht neu, aber in den letzten Jahrzehnten verschärft, denn das Schulniveau wird immer weiter abgesenkt. Die Grundschuljahre gehen in vielen urbanen Einzugsgebieten im wesentlichen dafür drauf, den Kindern das grundlegende soziale Miteinander, eine gemeinsame Sprechfähigkeit und, wenn´s gut läuft, gegebenenfalls noch Ansätze von "Konzentrationsfähigkeit" zu vermitteln.

Hat das intelligente, talentierte und motivierte Kind heutzutage das Pech, in einem Bundesland eingeschult zu werden, das von der Ideologie des "möglichst langen gemeinsamen Lernens" infiziert ist, kommt es auf Jahre nicht raus aus diesem Umfeld, langweilt und ärgert sich zu Tode und lernt alles, nur nicht lernen.

Den Eltern bleibt als einzige Chance der Umzug nach Bayern. :trink191:
 
@Barratt
Ja...ich denke ich würde heutzutage für meine Kinder im Extremfall eine gute Privatschule, wenn ich das Geld dazu hätte eventuell auch im Ausland, oder sogar Umzug in Betracht ziehen. Aber ohne Äffchen und Vorzeigekinder und falschen Elternstolz.

@hasenbein
Danke. „Beachterspiel“ trifft es auf den Punkt.
 
Ich wohne im gelobten Land (aka Bayern) und kann das Loblied auf das Schulsystem leider nicht nachvollziehen. Ich sehe in meinem Umfeld viele engagierte Eltern. Die erstaunliches tun, um den Kindern die bestmöglichen Voraussetzungen mitzugeben und das Schulsystem lebt zum Großteil von diesem Engagement und einem hohen Anteil gebildeter Leute (viel Industrie mit Arbeitsplätzen für hochqualifiziertes Personal zieht Leute an, denen Bildung tendenziell wichtig ist)
Mein Zwerg geht in die erste Klasse und hätte ohne Corona Unterricht von 8 bis 11.30. Zusätzlich macht er jeden Tag eine Stunde Hausaufgaben- bei 1 zu 1 Betreuung. Im Hort planen sie 2 Zeitstunden ein, wenn ich nicht daneben sitze, braucht er die zu Hause auch. ( Und alle 15 Minuten Hilfestellung)
Das heißt, dass er (wenn man Sport, Musik, Pausen etc. abzieht) fast die gleiche Zeit zu Hause arbeitet, wie in der Schule.
Kinder, die keine Eltern haben, die da mitziehen, haben einfach Pech gehabt.
In seiner Klasse sind 15 Kinder, nur ein türkischer Junge, bei denen Mama kein Deutsch spricht. Dieser Junge wird die Klasse nicht schaffen, das ist schon jetzt absehbar.
Das Niveau der Klasse ist gut- aber am "SchulSYSTEM" liegt das ganz sicher nicht.


P.S: 12 von 15 Kinder seiner Klasse lernen privat ein Instrument. Die Musikschule von unserem 15 Tausend Einwohnerkaff zählt stolze 1400 aktiv musizierende Kinder/Jugendliche und jedes Dorf im Umkreis hat seine Blaskapelle.
 
Sage ich, dass Fehler egal sind? Mitnichten! Das wäre unendlich töricht und in der Tat einer der Auswüchse der heutigen Jekami- und Alle-sind-gleich-und-begabt-Hirnlospädagogik! Aber es ist extrem wichtig, wie genau der Prozess aussieht, an dessen Ende Performances stehen, die nicht nur musikalisch überzeugen, sondern auch "gemeistert" sind und somit sehr wenige bis keine Fehler aufweisen!

Lieber hasenbein,

es ist aber wichtig, in bezug auf "Fehler" Konzert oder Vorspielsituation vom Üben zu unterscheiden!

Üben sollte man so, dass Fehler möglichst von vorneherein vermieden werden. Wenn sie geschehen, sollte man in der von dir beschriebenen Weise reagieren und spätestens beim zweiten Mal des Erklingen des Fehlers eine andere Übestrategie wählen, bei der der Fehler nicht passiert. Wie es klingen soll, welche Bewegungen man zur Ausführung braucht und was da eigentlich steht (Musikverständnis) ist ebenfalls wichtig.

In einer Vorspielsituation sollte es einem völlig egal sein, wie viele "Fehler" man spielt! Nur die musikalische Aussage ist wichtig, was will ich sagen und transportieren, nur die Musik steht im Vordergrund. Musik kommt aus der Stille und geht in die Stille und die Entwicklung eines Stücks in der Zeit gemeinsam mit dem Publikum zu erleben, ist ein großes Geschenk und etwas Besonderes! Darauf muss der Fokus liegen!

Noch etwas zum Begriff "Fehler" gerade in Bezug auf Vorspielsituationen: die meisten meinen damit einen Verspieler, der wie früher in der Schule rot angestrichen wird. 20 Fehler = eine 6, um Himmels Willen, das will man vermeiden.

Macht man sich aber klar, dass das nur ein Fehler in der Tonhöhe ist und es noch ganz andere, viel wichtigere Parameter eines Tons gibt wie Klangqualität, Dynamik, Timing, Länge, Ende des Tons etc., wird man diese Verspieler als ziemlich irrelevant ansehen. Sie stören nicht, wenn sie nicht in Massen auftreten! Viel mehr stört es, wenn der Spielfluss stockt, wenn bei Verspielern nicht weiter gespielt, sondern verzweifelt versucht wird, die Stelle richtig zu spielen und dazu immer wieder nach hinten gesprungen wird, meist vergeblich. Noch mehr stört es, wenn der Klang abgehackt und grob klingt, wenn die Zielrichtung einer Phrase nicht klar ist u.v.a.m..

Rubinstein meinte einmal in seiner unnachahmlichen Bescheidenheit, als er auf seine im Vergleich zu anderen Pianisten vielen Verspieler im Konzert angesprochen wurde: "Meine falschen Töne sind immer noch richtiger als die richtigen Töne anderer Pianisten." Recht hat er. :)

Liebe Grüße

chiarina

P.S.:

Hat das intelligente, talentierte und motivierte Kind heutzutage das Pech, in einem Bundesland eingeschult zu werden, das von der Ideologie des "möglichst langen gemeinsamen Lernens" infiziert ist, kommt es auf Jahre nicht raus aus diesem Umfeld, langweilt und ärgert sich zu Tode und lernt alles, nur nicht lernen.

Liebe Barratt,

ich erinnere mich, dass du das große Pech hattest, so aufgewachsen zu sein und diese Erfahrung gemacht zu haben. Das lässt sich aber nicht auf jedes intelligente Kind übertragen, dass heute in Schulen geht, sogar auf die meisten nicht! Es gibt außerdem Möglichkeiten, die wahrgenommen werden können. Z.B. diese: Kinder können mit 5 oder 6 eingeschult werden oder auch erst mit 7 oder fast 8.
 
Ich wohne im gelobten Land (aka Bayern) und kann das Loblied auf das Schulsystem leider nicht nachvollziehen.

Die Bayern (und auch einige ostdeutsche Bundesländer) haben einfach ein höheres Niveau, weil der Anteil an Schülern, die schlecht deutsch sprechen, niedriger ist. Ist doch klar, dass man es mit Sprachproblemen schwerer hat.
 

Das ist nur die halbe Miete. Es wird, auch auf dem Dorf, früh gesiebt. Wer es nicht packt, fährt hier nach Hessen rüber.
 
von der Ideologie des "möglichst langen gemeinsamen Lernens" infiziert ist
Tolle Wortwahl, warum nicht gleich "durchseucht"? ;-)
Deshalb sind dem DDR-Bildungssystem ja auch nur strohdumme, nichtlernende Strunzeln entwachsen; alles Opfer einer ideellen Infektion.

Wie gut das frühzeitige Aufteilen in Bildungskasten* funktioniert, haben die letzten Jahrzehnte gezeigt.

*)Wortwahl kann ich auch :-D
 
Zuletzt bearbeitet:
Tolle Wortwahl, warum nicht gleich "durchseucht"? ;-)
Deshalb sind dem DDR-Bildungssystem ja auch nur strohdumme, nichtlernende Strunzeln entwachsen; alles Opfer einer ideellen Infektion.

Wie gut das frühzeitige Aufteilen in Bildungskasten* funktioniert, haben die letzten Jahrzehnte gezeigt.

*)Wortwahl kann ich auch :-D

Ich denke, dass das Schulsystem in der DDR wesentlich besser war, als im Westen.

Mein Mann, gebürtiger Brandenburger hat ein hervorragendes Allgemeinwissen, deutlich besser als ich.
 
Die Schulklassen in der Zone waren wesentlich homogener, Mathematik und Naturwissenschaften (und Sport) genossen einen wesentlichen höheren Stellenwert. Undenkbar, dass jemand mit "Ach, in Mathe war ich immer ganz schlecht, hihi" kokettierte.
 
Alle hatten Deutsch als Muttersprache, und da die soziale Kontrolle stärker war, gab es wesentlich weniger Kinder aus Proll-Familien.
 

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