Der Niedergang der Hauptschule (bzw. ihr systematisch betriebener Ruin) gehört zu den tragischsten Kapiteln der Bildungspolitik in der Nachkriegszeit.
Das ist aber auch ein Produkt der in der Gesellschaft vorherrschenden Mentalität. 1970 hat der durchschnittlich intelligente Mensch seinen Hauptschulabschluss gemacht und dann eine Lehre bei uns in NRW meist für die Industrie begonnen. Man gehörte dann zur Mittelschicht und war damit zufrieden. Heute meint jeder, er müsse etwas ganz Besonderes sein und jeder hätte besondere Talente etc. So meint auch jeder, sich für intellektuell zu halten, das Abitur bekommen zu müssen, etwas Besonderes, Selbstverwirklichendes studieren etc. Und jeder Hohlkopf, der "sich bemüht" wird dann belohnt.
Und so gibt es dann immer mehr, die das Abitur machen wollen, was dann immer einfacher wird. Trotzdem beschweren sich immer mehr, dass das Abitur zu schwer sei, weil es als immer selbstverständlicher angesehen wird, ein Abitur und das auch mit guten Noten zu erreichen. Und so entsteht das Paradoxon, dass das Niveaulimbo eigentlich eher zu mehr Druck führt
Und das spiegelt sich auch in anderen Bereichen wieder. Ich bin beispielsweise Radrennen gefahren für ein paar Jahre. Früher war es so, dass niemand einfach so auf die Idee kam, ein Radrennen zu fahren, wenn er ein paar tausend km auf einem Rennrad gesessen hat. Wenn man da kein leistungsorientierter Amateursportler war, wäre man nie auf die Idee gekommen, ein Radrennen zu fahren. Und heute gibt es Jedermannrennen, bei denen 55jährige mit 100+kg mit 30km/h dahinkriechen. Die können dann erzählen, oh toll, ich bin ein Radrennen gefahren und ihr Ego pushen, obwohl sie eigentlich selbst wissen, dass sie nicht viel erreicht haben.
Auch in den allermeisten Studiengängen gibt es diesen Trend. Ich glaube, Musik ist so ziemlich der einzige Bereich, bei dem es an den Hochschulen eher steigende Leistungen als sinkende gibt.
Das liegt hier wohl an der Zuwanderung, die in vielen anderen Bereichen eher für ein sinkendes Niveau sorgt.
Den Trend zum Hochloben von minderwertigen Leistungen, um sich selbst für etwas Besonderes zu halten oder jedes Individuum zu etwas Besonderem zu machen, gibt es aber auch in der Musik.
Und ich glaube, das führt dennoch zu Unzufriedenheit. Ich erinnere mich beispielsweise an meinen ehemaligen Lateinlehrer an meinem katholischen Gymnasium, der ein extrem hohes Leistungsniveau abverlangte. Auch ein Schüler, der aus Bayern zu uns kam, war zu Beginn völlig überfordert und hat nur aus Nettigkeit noch eine 5 auf dem Zeugnis bekommen. In jeder Klausur in den Klassen 7-9 (Beginn ab der 5.) gab es Sechsen, kein einziges Mal eine 1.
Und hinterher waren alle, die bei ihm das Latinum gepackt haben stolz, er war trotz aller Strenge beliebt und eine 2 oder 3 war etwas wert.
Da bringen Noteninflation und Niveaulimbo nicht mehr Zufriedenheit.