Schlechte Schüler: woran liegt das eigentlich genau?

Ich bin zumindest froh, dass es das alles net gab - ich wäre superanfällig dafür gewesen. Klar gabs schon Computerspiele oder Videos - aber net so wie heute, in der Qualität, dem Umfang, mit allen Freunden im Spielteam mit Voicechat etc.
Ich wäre dafür auch anfällig gewesen, und bin es noch! Und ich genieße es.
Problemen, die sich durch die Informationsflut, Digitalisierung ... ergeben.
Mein Blickwinkel ist da ein völlig anderer. Ich sehe das alles nicht als Problem sondern als Chance und denke, der Anreiz, kreativ zu werden, war noch nie so hoch wie heute.
Zwei Beispiele:
a) Computerspiele
Kids und Jugendliche sitzen stundenlang vor dem Monitor und zocken. Sie sitzen nur herum, konsumieren und es kommt nix Gescheites dabei heraus. So der Blickwinkel vieler Erwachsener. Aber was genau passiert denn da? Die Kids werden vor scheinbar unlösbare Probleme gestellt. Sie finden kreativ eine Lösung, üben, trainieren und entwickeln motorische Fähigkeiten, an die kein Erwachsener herankommt. Alleine, im Zusammenspiel mit anderen, erkennen ihre Schwächen und Stärken, nutzen diese aus, finden ihre jeweilige Rolle. Sie erstellen dabei sogar selbstständig Strukturen anhand von Spielgemeinschaften, um sich zu organisieren, erstellen Wettkämpfe, Events usw. Sie entwickeln Ideen und setzen diese um, teilweise mit einem riesigen Aufwand. Wer sich als Erwachsener mal in diese Welt verirrt, wird sehr schnell merken, wie viel weniger kreativ er sich in dieser Welt bewegt.
b) soziale Netzwerke, YT, FB*, Tiktaktoktuk, Instagramm...
Ähnlich: Noch nie gab es so viele junge Contentcreator wie heute. Es werden Tänze erfunden, sogar ganze Sportarten, es wird gesungen, sich verglichen, nachgemacht, Ideen umgesetzt...Kindliches Herumalbern bekommt auf einmal Struktur, ganz ohne Einmischung Erwachsener.
Ich denke ein auch für Erwachsene und speziell dieses Forum betreffend gut nachvollziehbares Beispiel ist die E-Gitarre. Man vergleiche mal die Anzahl der Kids und Jugendlichen, die E-Gitarre lernen mit der von vor 30 Jahren.
Aber Instrument lernen ist eben nur ein klitzekleiner Anteil der schier unendlich vielen Inspirationen, kreativ zu werden und sich intensiv mit Dingen zu beschäftigen.

Das Problem was ich sehe ist nicht die Digitalisierung und der Umgang der Kids damit sondern der Umgang der Erwachsenen damit. Die sehen gar nicht, was für eine Welt das aus Kindersicht ist, weil sie diese Sicht nie haben durften.

*) eigentlich ist das schon so ein Erwachsenending
 
Zuletzt bearbeitet:
wieso muss ein Kind überspitzt formuliert fünf Hobbys gleichzeitig nachgehen, als sich nur mit einem Hobby (zB dem Klavierspielen) zu beschäftigen und dafür dann auch mehr Übezeit und "emotionalen Raum" dafür zu haben?

Wieso? Weil es möglich ist. :001:

"Zu meiner Zeit" wäre das Geld gar nicht da gewesen. Mir kommt bei all dem immer zu kurz, wie viel mehr Geld in den Haushalten heutzutage verfügbar ist im Vergleich zu "vor 40 Jahren".

Und die Bereitschaft der Eltern, mich von A nach B zu kutschieren, schon gar nicht. Ich bin noch überall mit dem Fahrrad hingefahren. À propos Fahrradfahren / Laufen: Das sind Auszeiten fürs Gehirn à la merveille.


während sich der andere Teil der „Jugend“ den temporären Reizen der Verführungen durch Medienkonsum hingibt
Die Kultur hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt.

Oooooooh ja. :007: Sie hat sich seit Jahrtausenden niemals in so kurzer Zeit so drastisch und so rasend schnell gewandelt wie in den letzten ~ 40 Jahren. Die unfassbar vielfältigen Möglichkeiten sind für die einen Segen und für die anderen Fluch, und für die meisten irgendwas dazwischen. :001: Man muss halt damit umgehen können. Wir Ex-Totalanalogen haben noch die kleine, langsame analoge Welt kennen- und irgendwie bewältigen gelernt. Mehr und mehr verlernen wir aber die (damals erzwungenen) Fertigkeiten, denn die "neue Welt" ist einfacher, bequemer, schneller, niedrigschwelliger. Ich beobachte bei erwachsenen Navi-Nutzern, dass sie kaum noch oder gar nicht mehr imstande sind, sich "ohne" zu orientieren oder sich einen Weg zu merken. Lass da mal noch ein, zwei Jahrzehnte mehr ins Land gehen...:007: und dann plötzlich einen flächendeckenden längeren Stromausfall passieren (Stichwort "Cyberwar"). :018:

Manfred Spitzer sagt, für die "Millennials" steht und fällt ihre komplette Welt mit der Stromzufuhr in ihr elektronisches Endgerät. Das ist korrekt. Solange der Strom fließt = die Infrastruktur funktioniert, gibt es keine Probleme. Nur eine immense Abhängigkeit von Faktoren, auf die man selbst NULL Einfluss hat.

Wäre es nicht viel schlauer, mal darüber nachzudenken, wie man Instrumentalunterricht an die heutige Kultur anpassen kann?

Andersrum: Der Klavierunterricht ist ein Fenster zu einer anderen, strikt analogen Welt. Etwas zu Bewahrendes, etwas, was die Rückkoppelung an die uneingeschränkte, unverschleierte und direkte Selbstwirksamkeit gestattet.

Man kann meisterhaft Videospiele bedienen (ich teile Deine Meinung, dass dabei allerhand gefördert wird), aber letztlich bedient der Durchschnittsuser eine Blackbox. Der Durchschnittskonsument weiß auch nicht, wieso er Bild im Fernseher hat und warum das Handy funktioniert. Was genau wie funktioniert, sieht man bei einem Analoginstrument noch ganz genau.

Ich halte es für wichtig, auch in einer komplett durchdigitalisierten Welt noch Erdhaftung zu behalten, noch etwas wirklich verstehen und nachvollziehen zu können. :001:

Sport, DIY, Analoginstrument sind Möglichkeiten, sich ein kleines Stück artgerechtes Leben zurückzuerobern. :musik064:

Es macht Menschen zufrieden, wenn sie etwas wirklich komplett selbst erreichen. In uns stecken Hunderttausende Jahre Evolution, vor 15.000 Jahren erst fingen die Leute an, Häuser zu bauen und Grundstücke zu bewirtschaften, aber seit lächerlichen 40/50 Jahren haben wir (in Mitteleuropa, nota bene) die Möglichkeit, Maschinen für uns arbeiten und denken zu lassen.

Mein Wort zum Donnerstag: Plaidoyer für die freiwillige Bewahrung eines Rests von Analogität. :chr03:
 
Der Durchschnittskonsument weiß auch nicht, wieso er Bild im Fernseher hat und warum das Handy funktioniert. Was genau wie funktioniert, sieht man bei einem Analoginstrument noch ganz genau.

Anmerlung 1:
Der Durschnittskonsument weiß auch nicht, wieso ein Kühlschrank kühlt, was Licht ist, warum Flugzeuge fliegen, wie man Röntgenstrahlung macht und wie man Gläser entspiegelt. Soweit normale Härte. Oder, was ist Luft, wie funktioniert Seife!? (Und wenn gleichnamige Ladung sich absößt, warum sind die Protonen so dicht im Atmkern zusammen? Und wieso braucht man Neutronen?)

Anmerkung 2:
Ich kann mir vorstellen, wie digitale Telefone, digitale Vermittlung und Co. funktionieren. Aber wie das mal in der Prä-Computer-Äre elektromechanisch funktioniert hat habe ich nicht parat. Da war viel geniale Technik. Und das Telefon tat auch, wenns die hauptsicherung rausgehaun hat.

Wir alle ignorieren ab einer gewissen Grenze und betrachten den Rest als Black Box. Wäre die Frage, ob sich die Grenze bewegt hat und warum. Vielleicht muss man heute viel mehr Bereiche wissen und dann die Grenze eben ein bisschen woanders. Vor 30 Jahren musste ich mir keine Gedanken um die Sicherheit von Browser-Plug-Ins machen.

Grüße
Häretiker

PS:
Wer die Frage beanteorten kann, warum Atome mit der gleichen Anzahl an Protonen und Elektronen elektrisch neutral sind (sprich: selber Betrag der ladung, umgekehrtes Vorzeichen), bekommt eine Fahrkarte nach Stockholm.
 
Ist das jetzt eine Fangfrage? Wie lang ist die Fahrkarte gültig? :005: Frage für einen Freund
 
Wer die Frage beanteorten kann, warum Atome mit der gleichen Anzahl an Protonen und Elektronen elektrisch neutral sind (sprich: selber Betrag der ladung, umgekehrtes Vorzeichen), bekommt eine Fahrkarte nach Stockholm.

Klingt wie die Frage, warum ein Liter Wasser ein Kilogramm wiegt oder warum der Äquator genau 21600 Seemeilen lang ist.

Oder warum Wasser zufällig bei 100°C kocht und bei 0°C gefriert.
 
:super:
Manfred Spitzer sagt, für die "Millennials" steht und fällt ihre komplette Welt mit der Stromzufuhr in ihr elektronisches Endgerät.
Keine Ahnung wer das ist aber das betrifft uns "Alten" ganz genauso. Ohne Strom sind wir schon längst nicht mehr lebensfähig. Buchtipp: Blackout.
Der Klavierunterricht ist ein Fenster zu einer anderen, strikt analogen Welt. Etwas zu Bewahrendes, etwas, was die Rückkoppelung an die uneingeschränkte, unverschleierte und direkte Selbstwirksamkeit gestattet.
Siehste, das ist genau das was ich meinte: Du schließt die analoge Welt aus der digitalen aus und kommst gar nicht auf die Idee, dass das eine durch das andere nicht verhindert sondern sogar gefördert wird; dass die digitale Welt das allergrößte Fenster zur analogen ist. Zwei Beispiele nennst Du selbst:
Ich glaube es hat noch nie so viele Kids gegeben, die in der Lage sind, einen Backflip zu machen. Dafür üben die wochenlang zig Stunden jeden Tag, voll fokussiert auf den eigenen Körper und wie er funktioniert. Skater, Crossbiker, Balljonglierer, Becherstapler, Parkour... Und Vieles davon inspiriert nur durch die digitale Welt.
Genau das Gleiche. Inspiriert durch das Internet kaufen sich Kids und Jugendliche massenhaft 3D-Drucker, konstruieren und entwerfen, tauschen sich gegenseitig aus, lernen unheimlich viel über alle möglichen Bereiche (Materialeigenschaften, Elektronik, Steuerung...). Das alles aus ganz eigenem Antrieb. Wenige fangen sogar an, Zeugs zu verkaufen und sich mit wirtschaftlichen Dingen auseinanderzusetzen. Wenn man sich damit und der Community dahinter mal ein paar Monate beschäftigt hat sieht man die Jugend und die böse digitale Welt mit anderen Augen.
Neben solch technischem Kram wird sehr viel mit Holz gebastelt, gemalt, fotografiert, gefilmt, Gemälde aus Schokolade gebacken, verschiedene Sportarten betrieben, gekocht, Geschichten geschrieben, ja sogar Mathe gelernt... die Liste analoger Tätigkeiten, inspiriert durch die digitale Welt, ist unendlich.
Das Verrückte ist: Die Kids und Jugendlichen setzen heute teilweise Dinge in der analogen Welt um, die ihnen die Erwachsenen gar nicht mehr vormachen können, weil sie schlichtweg null Ahnung davon haben. Sie sehen, begreifen und verstehen es nicht (ich nehme mich da nicht aus). Der Rahmen ist kein Sportverein, keine AG, keine Betreuung oder Anleitung durch Erwachsene sondern einer, der durch Erwachsene gar nicht wahrgenommen wird.
Selbst Werbeexperten und Marktanalysten wissen nicht, was ein Hashtag wirklich bedeutet und die Kids schütteln nur den Kopf über die peinliche "jugendgerechte" Werbung.
 
Klingt wie die Frage, warum ein Liter Wasser ein Kilogramm wiegt oder warum der Äquator genau 21600 Seemeilen lang ist.

Oder warum Wasser zufällig bei 100°C kocht und bei 0°C gefriert.

Nein, nein. :-)
Elektronen und Protonen haben nichts mit einander zu tun. Trotzdem gleichen sich die Ladungen der elementaren Elektronen und der Konstutuenten des protons (Qurks) genau aus. Und keiner weiß, warum. Es gibt keinen derzeit bekannten physikalischen Grund. Und das ist sehr fundamental.

Dagegen sit die Skala für Temperaturen ja gerade so definiert, mehr oder weniger. Man hätte auch 113 und 5133 wählen können, das ist beliebig.

Ganz andere Kiste.

Grüße
Häretiker

PS:
"...
Was ist der Zusammenhang zwischen Quarks und Leptonen?[28] Das Proton und das Elektron haben die gleiche Elementarladung e+ bzw. e- ansonsten aber unterschiedliche Eigenschaften.
..."
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_ungelöster_Probleme_der_Physik
 
Keine Ahnung wer das ist aber das betrifft uns "Alten" ganz genauso. Ohne Strom sind wir schon längst nicht mehr lebensfähig. Buchtipp: Blackout.

Gibt's auch für Kindle E-Book-Reader. Welch Ironie. :-)

Erinnert an die Geschichte mit "1984". Amazon hat genau dieses Buch automatisch von den Kindles gelöscht.:
https://www.spiegel.de/netzwelt/web...cht-digitale-exemplare-von-1984-a-637076.html

Realsatire.

Grüße
Häretiker
 
Ein kluger Mann* hat mal gesagt: „Das Fernsehen macht die dummen Leute dümmer und die klugen Leute klüger.“ Genauso verhält es sich doch mit der Digitalisierung.

Insofern gebe ich sowohl @Barratt als auch @Peter recht. Wie das Verhältnis von Passivität und Kreativität, Analogismus und Digitalismus gesamtgesellschaftlich ist, können wir Forumsmitglieder gar nicht beurteilen. Dafür bräuchte es valide Studien.

* schon vor Günther Jauch
 

:super:

Manfred Spitzer sagt, für die "Millennials" steht und fällt ihre komplette Welt mit der Stromzufuhr in ihr elektronisches Endgerät.

Keine Ahnung wer das ist aber das betrifft uns "Alten" ganz genauso. Ohne Strom sind wir schon längst nicht mehr lebensfähig. Buchtipp: Blackout.

Das liegt aber nicht an deren elektronischen Endgeräten.
Gerade um diese Differenzierung geht es.

Es gibt Leute, die haben nichtmal Kerzen oder einen Minimalvorrat an Klopapier.

Wenn hier der Strom komplett ausfällt, läuft bei mir ziemlich viel mit Kerzen, Lampenöl, Spiritus und Gas. Eine Latrine ist im Garten schnell angelegt, und Wasser gibt es zum Glück in Gewässern in der Umgebung. Nahrung für zwei Monate lässt sich aus den Vorräten zusammenkratzen. Stromloses Amüsemong gibt's hier auch genug.

Die meisten, und anscheinend besonders jüngere, Leute scheinen aber das gegensätzliche Modell zu fahren. Da entsteht ohne Anbindung an die weltweite Medienhölle schnell Langeweile und Aggression. Das Essen wird sich sowieo nur just in time mittels der selben Hölle bestellt und über fragwürdige Intermediäre bezahlt. Brot Backen oder irgendwelche Camping-Skills kann man da total vergessen.

Geneu diese Kohorte, die ohne Kreditkarte nicht an ihre nächste Mahlzeit kommt, hatte der wohl im Sinn.
 
Ist das was anderes als z.B. in der Stadt. Hier buddelste keine Latrine, findest kein Wasser und innerhalb 24 h (spätestens!, im Winter innerhalb weniger Stunden) brennt die Stadt wegen der vielen Kerzen, Gaslampen und dem Spiritus. Kein Essen, kein Trinken und jetzt rate mal, wohin die Städter gehen und wie lange Du Deine zusammengekratzten Vorräte verteidigen kannst. ;-)
Die fehlende Anbindung an die "Medienhölle" ist da das allerkleinste Problem.
 
Je nachdem, wo man wohnt, passieren noch ganz andere Dinge - London und New York würden z.B. ziemlich schnell partiell absaufen... :005: Wenn in New York der Strom ausfällt, ist binnen weniger Stunden die U-Bahn vollgelaufen. :011:
 
Ich habe offensichtlich nur Unterricht bei Kack-Klavier- und Bratschenlehrern gehabt, denn im Grunde genommen wurde da im Unterricht nicht viel anderes gemacht, als an den Stücken zu arbeiten....
Komisch, dass so viele Schüler trotzdem Bundespreise bei Jugend Musiziert gewonnen oder später studiert haben.
LG,
NaMu
 
@Nachtmusikerin
Natürlich kann man komplett an Stücken als Ausgangspunkt arbeiten. Wichtig ist aber das Verstehen der Muster und der Transfer in andere Zusammenhänge. Und nebenbei bemerkt: Ich habe bei Wettbewerben auch schon manche dressierte Äffchen gesehen, die Preise gewonnen haben.
 
Oder warum Wasser zufällig bei 100°C kocht und bei 0°C gefriert.

Die Frage ist ähnlich trivial zu beantworten wie die, warum das Licht im Vakuum exakt (ohne Milliardenstelmilimeter Abweichung) 299792458m in einer Sekunde zurück legt.
Undzwar ist die Celsiustemperaturskala bzw. der Meter so definiert, dass es stimmt.
 
Ich habe offensichtlich nur Unterricht bei Kack-Klavier- und Bratschenlehrern gehabt, denn im Grunde genommen wurde da im Unterricht nicht viel anderes gemacht, als an den Stücken zu arbeiten....
Komisch, dass so viele Schüler trotzdem Bundespreise bei Jugend Musiziert gewonnen oder später studiert haben.
LG,
NaMu

Der Unterschied ist „an Stücken zu arbeiten“ oder eben nur ein Stück spielen zu lassen, abhaken, nächstes Stück. So kannte ich es von früher und das hat, vorsichtig gesagt, viel versaut.
 

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