...die Mischung aus hochtrabend-beleidigten und latent agressiven Reaktionen auf den ebenso einfachen wie praktikablen Hinweis, Intervalle (und daraus resultierend auch Intervallfolgen) als Spielregeln aufzufassen, leuchtet mir nicht ein.
Das Wissen um physikalische (akustische) Erklärungen sowie das Wissen um historische & kulturelle Entwicklungen (wie kam es zu 12 Halbtönen, wie kam es zu den europ. Stammtönen) ist sicher interessant, für die Praxis am Klavier aber nachrangig wenn nicht gar irrelevant. Vereinfacht gesagt ist die Intervallfolge der Stammtonreihe eine willkürliche Setzung, kurzum eine "Spielregel". Die Frage "warum das so kam" hilft nicht beim Umgang damit, denn Spielregeln setzen Akzeptanz voraus, sonst funktioniert das Spiel nicht.
Die Analogie zum Schach: um eine Partie spielen zu können, nützt Wissen um die historische Entwicklung (der Turm hieß mal Elefant) und hinterfragen der Spielregeln (warum 64 Felder, warum zieht der Springer nicht diagonal) kaum bis gar nicht. Um mit der Intervallfolge der Stammtöne samt den Konsequenzen aus dieser Abfolge praktisch umgehen zu können, nützt primär nur die Akzeptanz dieser "Spielregeln".
"Spielbrett":
12 Halbtöne (7 schw. & 5 weiße Tasten), danach wieder dasselbe
"Figurenaufstellung":
Aus den 12 Halbtönen werden 7 Stück ausgewählt und nummeriert (1,2,3,...7), ein abschließender achter entspricht dem ersten. Ja, das ist Willkür! Die Auswahl ist asymmetrisch und von unten nach oben.
"Wie die Figuren ziehen" (Intervalle)
wieder eine willkürliche Setzung: a) sie betrifft die Abstände der nummerierten Stammtöne und b) sie muss sich mit den Konsequenzen der asymmetrischen Abfolge arrangieren
a) 1-1 (zwei Stimmen auf demselben Ton) wird Prime genannt (von lat.)
1-2 Sekunde
1-3 Terz
1-4 Quarte
1-5 Quinte
1-6 Sexte
1-7 Septime
1-8 Oktave
(1-9 = Oktave+Sekunde "None" usw)
Diese "Regel" muss umfangreicher angewendet werden, denn sie umfasst ja nur die Abstände zum 1. Ton, aber es gibt keinen aus den bisherigen Setzungen/Regeln ableitbaren Grund, weshalb z.B. der Abstand vom 2. zum 4. Ton nicht verwendet werden dürfte. Also werden unsere "Abstände" auf dem "Spielbrett" verschoben:
wenn 1-2 Sekunde heißt, dann auch 2-3, 3-4 usw
wenn 1-3 Terz heißt, dann auch 2-4, 3-5 usw
...
b) jetzt kommen wir zu den Konsequenzen, weil man da aufgrund der ungeraden (7 aus 12) Auswahl von asymmetrischen Tonschritten*) ein paar Beobachtungen machen kann:
- verdammt, der Abstand 1-2 und der Abstand 3-4 sind nicht gleich, obwohl sie denselben Namen haben müssen
- verdammt (...) 1-3 und 2-4...
verdammt (...) 2-7 und 3-8...
....
verdammt igitt 4-7 ist ja völlig Gaga...
(nebenbei: die Schachregeln sind komplizierter als die Intervalle) ich stoppe das hier, weil man jetzt schon folgendes feststellen kann:
- die weißen Tasten (Stammtöne!) genügen völlig, um jedes Intervall zu "entdecken"
- man findet dabei auch beim abzählen**) (nummerieren) Intervalle, die sich um einen Halbton unterscheiden, also jeweils eine "größere" und eine "kleinere" Variante
- man findet Intervalle, die beim "verschieben" auf dem "Spielbrett" nicht in zwei Varianten vorkommen - die hat man "reine Intervalle" genannt (willkürliche Setzung, sie könnten auch Zampano heißen, was nichts ändert)
- der Gaga Abstand 4. bis 7. Ton ist cool, denn man kann ihn durch verschieben der Quart (4-7 ist math. eine Quart: 4-5-6-7) und der Quinte (7-4 ist math. eine Quint: 7-8-1-2-3-4) erreichen, das Biest ist eine SONDERFALL, hat den Namen "Teufelsintervall / Tritonus" bekommen
Ich habe jetzt keine physik.-akust. Spezialitäten bemüht, ebensowenig historische Entwicklungen - stattdessen das Material, das vorgegeben ist (!) nach Art und Weise von "Spielregeln" dargestellt. Intervalle und Tonleitern sind "Grundregeln", ich bin davon überzeugt, dass man diese umso eher beherrscht, je einfach und natürlicher sie dargestellt werden.
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*) schön symmetrisch wären 6 Ganztöne als Tonleiter oder 12 Halbtöne (es ist noch mehr konstruierbar)
**) man weitere Spielereien damit anstellen:
1-2 und 2-8
1-3 und 3-8
usw.