Qualitätsmerkmale von Musik

Es widerstrebt mir, auch die schrägste moderne Komposition als hässlich zu bezeichnen. Sie ist sicher nicht schön im konventionellen Sinn. Genauso geht es mir mit Bildern oder Literatur. Hässlich ist das Dumme, nie das Intelligente, Ideenreiche. (Hypothese)
 
Es widerstrebt mir, auch die schrägste moderne Komposition als hässlich zu bezeichnen. Sie ist sicher nicht schön im konventionellen Sinn. Genauso geht es mir mit Bildern oder Literatur. Hässlich ist das Dumme, nie das Intelligente, Ideenreiche.

Läufst Du da aber nicht Gefahr, Dir aus Respekt das Häßliche schön zu reden? Denn zweifellos gibt es Kunst, die häßlich sein will.
 
Will sie denn hässlich sein oder Hässlichkeit nur ausdrücken?
Kann Kunst selbst überhaupt schön oder hässlich sein?
 
welche "häßliche" Musik kennt ihr, die dennoch nach Euerem Empfinden von "hoher Qualität" ist?

Schwer zu sagen... Mir fallen höchstens Stücke ein, denen der Komponist absichtlich eine gewisse Boshaftigkeit oder Teuflisches und damit vielleicht auch eine gewisse Hässlichkeit mitgegeben hat. "Die Insel der Sirenen" aus Szymanowskis Metopen zum Beispiel, Skrjabins "Schwarze Messe" oder Prokofjews Suggestion Diabolique...

Viele Grüße!
 
Gut, ihr habt recht: was ich im Kopf habe, ist natürlich Kunst, die das Häßliche oder / und Brutale ausdrücken will. Von der berühmten trunkenen Alten im Athener Nationalmuseum bis zur Elektra von Strauß. Aber dieselbe Unterscheidung zwischen immanenten Qaulitäten und Ausdruckswille müßte man dann auch bei "schöner" Kunst machen. Und "abstoßen will" - nun es spätestens mit der Elektra des Euripides haben wir ein Beispiel des Musiktheaters, das zumindest vor den Kopf stoßen will und welches das Abstoßen dabei mindestens in Kauf nimmt.
Aus dem Bereich der Musik gilt das vielleicht für Strawinsikis Frühlingsopfer.

Nachtrag: allerdings trägt der Unterschied zwischen "inhärent schön / häßlich und ... häßliches darstellend" nur bei mimetischen Gattungen im engeren Sinne ("realistische Kunst, (Musik)drama, Programmmusik). Je "absoluter" ein Kunstwerk wird, sei es abstrakte Malerei oder "absolute" Musik, desto weniger ist der Unterscheid zwischen inhärenter und nur mimetischer Qualität zu machen.
 
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schwarzer Romantik a la Schauerromane oder Berlioz fantastique?
Das ist historisch gesehen sicher ein bedeutender Moment der Entwicklung von der "erhabenen Klassik" oder dem Klassizismus zu einer neuen Ästhetik. Soll nicht auch Paganini sein Image als Teufelsgeiger bewusst durch seine körperliche Hässlichkeit gesteigert haben?
Merkwürdigerweise gehört Berlioz zu den von mir weniger geschätzten Komponisten. Er hat etwas .... Abstoßendes! ;-) Das jetzt rein subjektiv. Oder mögt ihr etwa seine „Symphonie fantastique“? :-D
 
Das ist historisch gesehen sicher ein bedeutender Moment der Entwicklung von der "erhabenen Klassik" oder dem Klassizismus zu einer neuen Ästhetik. Soll nicht auch Paganini sein Image als Teufelsgeiger bewusst durch seine körperliche Hässlichkeit gesteigert haben?
Merkwürdigerweise gehört Berlioz zu den von mir weniger geschätzten Komponisten. Er hat etwas .... Abstoßendes! ;-) Das jetzt rein subjektiv. Oder mögt ihr etwa seine „Symphonie fantastique“? :-D
Ich mag Berlioz seltsamerweise auch nicht. Ist aber komischerweise bei Schumann auch so.
 

Ja, das ist merkwürdig. So schnell landet man wieder bei "Ich mag X, ich mag Y, aber nicht z."
Sucht nicht die ganze Diskussion nach rationaler Begründung für das eigene Empfinden?
 
Vielleicht ließe er sich doch noch retten, wenn Dreiklang bereit wäre, auf das Vorbringen seines Schönheits-Mantras bei jedem Beitrag von anderer Seite zu verzichten.
Für sein "Genuß"-Mantra gilt dasselbe.
Sollten wir die Frage vielleicht einmal anders stellen: welche "häßliche" Musik kennt ihr, die dennoch nach Euerem Empfinden von "hoher Qualität" ist?
Mozarts "Dorfmusikantensextett" ist das erste mir bekannte Werk, das bewußt mit Tonsatz-, generell mit Kompositionsfehlern (falsche Phrasenlängen, unpassende Modulationen) arbeitet. Wenn es vielleicht nur als ein musikalischer Scherz gedacht war, so gebührt Mozart das Verdienst, als erster den Kunst-Fehler in ein Ausdrucksmittel verwandelt zu haben.

Als Entdecker des bewußt auskomponierten Häßlichen gilt Berlioz: die Verzerrung der idée fixe im letzten Satz der "Symphonie fantastique". Sein Impuls wird in Wagners "Faust"-Ouvertüre aufgegriffen und von Liszt in der "Faust"-Symphonie weitergeführt: das Thema des Mephistopheles als Verzerrung des Faust-Themas, um die Verwandschaft der beiden Figuren hörbar zu machen; Mephistopheles als Fausts Nachtseite. In Skrjabins neunter Klaviersonate ("schwarze Messe" genannt) erklingt das "reine" Seitenthema zuletzt in einer Art Teufelsmarsch. Das Schema: schönes Grundmodell, anschließende Entstellung.

Komplizierter ist die Darstellung von Häßlichkeit ohne ein solches Grundmodell. Es findet sich oft bei Mahler, Strawinsky und Schostakowitsch. Bei Mahler tritt dieser Tonfall gleich in der ersten Symphonie auf, im langsamen Satz - mit der Bezugnahme auf das Bild "Des Jägers Leichenbegängnis": Die Trauer der Tiere, die dem Jäger das letzte Geleit geben, hält sich in Grenzen; für Mahler ein Anlaß, standardisierte musikalische Schmerzgesten zu parodieren, der Kondukt geht in Zirkusmusik über. Das voraussetzungslose Auskomponieren von Häßlichkeit (bewußte Verletzung von Stimmführungsregeln, Mißschichtung von Klängen, Integration trivialmusikalischer Elemente, ungewöhnliche Klangfarben: Posaune oder Tuba als melodieführende Instrumente) findet sich auch bei Strawinksy wieder, in dessen neoklassizistischer Periode, vor allem an deren Beginn, in der Oper "Mawra" oder im Bläseroktett, wobei man natürlich sagen kann, daß Strawinskys Verzeichnungen nicht ganz voraussetzungsfrei sind: Eine karikierende Darstellung kann beeindrucken, ist aber noch ungleich witziger, wenn man die originale Physiognomie vor Augen hat.

Dissonanzreichtum in der Neuen Musik mit Häßlichkeit gleichzusetzen, ist albern. Bei vielen "Neutönern" ist Dissonanz Ausdruck der Freude, der Extase, und das Häßliche wird dagegen durch vernutztes Material dargestellt (durch die Tonalität, bei Berg im "Wozzeck" erklingt zum Wort 'Geld' immer der C-Dur-Dreiklang).

Alle angeführten Beispiele musikalischer 'Häßlichkeit' sind natürlich trotzdem 'schön' im Sinne von gut komponierter, in sich stimmiger Musik. Wirklich häßlich wäre eine nicht auszuhaltende Musik, vor der man reißaus nähme wie vor Hieronymus Boschs Teufelsgestalten (die ja auch wiederum sehr beeindruckend sind). Solche Musik gibt es - für mich, wie der geneigte Leser a.a.O. schon gemerkt hat, ist es die 'Ballade pour Adeline'.
 
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Oder mögt ihr etwa seine „Symphonie fantastique“?

Uneingeschränkt: Ja. Ein Chef d´OEuvre. Ich schätze Berlioz sehr und mag die "schwarze Romantik" generell, auch in der Literatur (obwohl ich die französische Literatur des 19. Jhs der deutschen bevorzuge - diese bestimmte Epoche hat was).

Oh Graus. Eine "ich mag"-Aussage. Also, Begründung: Die Verzerrung des Status quo, der sich seiner selbst gewiss zu sein scheint, bis zum Grotesken, Fratzenhaften. Die Schauerromantik hat damit etwas sehr Modernes.

Mahler hat ebenso gekonnt mit der "Hässlichkeit" gespielt. Auch jemand, dessen Lebenswerk ich beinahe komplett auf Tonträgern besitze.
 
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Hi,

ich möchte noch einmal auf eine rationale Betrachtung einer Qualitätsananlyse zurückkommen.
Eine rationale Frage nach der Qualität ist immer eine objektive und damit bestimm-/messbare Frage. Wenn nicht, dann hat man keine "guten" Qualitätsmerkmale definiert.

Meine Betrachtung kommt auch daher, daß ich beruflich nebenbei mit Qualitätssicherung zu tun habe. ;-)

Ich sehe keinen Grund warum man die Prozesse der Qualitätsbestimmung nicht auch auf Musik anwenden kann. Allerdings kann man damit selbstverständlich keine subjektiven Dinge, wie Schönheit, Hässlichkeit, Genialität, .. bestimmen, sondern nur rationale Dinge, aber das spiegelt der Begriff Qualität ja wieder.

Messen kann man da gar nichts, zumindest nicht absolut. Wie soll das gehen? Dann könnten wir ja jedes Stück durch den Computer jagen und bekämen am Ende eine zuverlässige, quantifizierte Qualitätsangabe.

Das geht nicht!
Doch natürlich.
Ein sehr primitives Beispiel wäre die Anzahl der Noten (normiert auf ein Kriterium, zB proTakt, pro harmonischer Funktion, ...) zu zählen. Viele Noten = gut, wenig Noten = schlecht.
Ich meine damit allerdings nicht, daß das sinnvoll wäre. ;-)

Und das führt mich zum nächsten für mich ganz wichtigen Punkt:
Man kann meiner Meinung nach Musik nicht unabhängig von der Intention oder der Idee des Komponisten Bewerten.
Ich würde mich also als erstes fragen: Was ist die Idee dahinter, was hat sich der Komponist dabei gedacht, was will er erreichen? Ist der musikalische Gedanke dahinter beliebig, innovativ, nachvollziehbar...
Erst dann kann ich mir ansehen, wie kunstvoll diese musikalische Idee umgesetzt wurde.

Genau, der erste wichtige Punkt einer Qualitätsanalyse wäre, daß man die Qualitätsziele definiert.

Bei Musik (Kunst) ist mMn ein sehr wichtiger Qualitätspunkt/ziel, aber sicher nicht der Einzigste,, was will der Künstler kommunizieren und erreicht er das.

Kurz gesagt: Wer versucht, Qualitätskennzahlen für Musik zu ermitteln, wird scheitern. Dennoch gibt es hohe Qualität in der Musik.
Wenn man hohe Qualität im rationalen Sinne feststellen kann, dann kann man sie auch auf irgendeine Art bestimmen/messen.

Möchte ich das ermitteln, muss ich den musikalischen Gedanken der Umsetzung gegenüberstellen was ich dann basierend auf dem jeweiligen musikalischen Gedanken bewerten kann. Dabei kommt aber nie ein absoluter Wert raus.

Doch, man muss die Bewertung auf eine Metrik abbilden/normieren (zB Schul-Noten).
Allerdings muß diese Metrik erst einmal mit allen vorhandenen Kunstwerken sozusagen kalibriert werden.

Aber eins ist mMn klar, eine rationale Qualitätsanalyse, wird zu keiner künstlerischen oder gesellschaftlichen Relevanz führen. Sie kann höchstens zu einer zusätzlichen, rationalen Betrachtung eines Werkes benutzt werden.

Gruß
 
Will sie denn hässlich sein oder Hässlichkeit nur ausdrücken?
Kann Kunst selbst überhaupt [...] hässlich sein?

Ja, interessante Frage. Wie schaut's aus mit "Körperwelten"? Ist bzw. war das "häßliche Kunst"...?

Wenn wir über Häßlichkeit reden, sollten wir uns darüber einig sein, was Häßlichkeit (wirklich) ist.

Zitat von Wiki:
Hässlichkeit ist ein wertender Begriff für ein als abstoßend angesehenes Merkmal, welches sich bei Personen auf Aussehen und Charakter, aber auch auf Kunstwerke und Gegenstände beziehen kann. Sie wird durch das subjektive Empfinden einer Person, Kultur bzw. durch eine Zeitepoche definiert und ist das Gegenteil von Schönheit.

WP definiert es also über "Abstoßung". Ist meines Erachtens nicht stark genug... Wirklich häßliche Dinge will auch keiner wirklich haben, man entledigt sich ihrer einfach.

Beispiele: die halbverrottete Maus im Keller, das zerschellte Marmeladeglas am Boden, der verdorbene Joghurt im Kühlschrank... das ist "häßlich"... würde ich sagen...

Hm, im Sinne der Wortwurzel: "dem Haß ausgesetzt, dem Haß preisgegeben".

Hingegen "ungewöhnlich" ist nicht gleich "häßlich".
 
Ich sehe keinen Grund warum man die Prozesse der Qualitätsbestimmung nicht auch auf Musik anwenden kann. Allerdings kann man damit selbstverständlich keine subjektiven Dinge, wie Schönheit, Hässlichkeit, Genialität, .. bestimmen, sondern nur rationale Dinge, aber das spiegelt der Begriff Qualität ja wieder.

Nun, da vertrittst Du einen radikal verengten, naturwissenschaftlichen Qualitätsbegriff. Deinen Satz "...aber das spiegelt der Qualitätsbegriff ja wieder" wird kein Mensch, der in den von den Engländern sog. arts tätig ist, unterschreiben, weil er die wichtigsten Dinge (Du hast einige davon genannt) außer Acht läßt und Deine "Messungen" somit am Kern der Sache vorbeigehen. Du kannst einen Roman natürlich "objektiv" auf Korrektheit der Syntax und der Orthographie überprüfen; für seine Beurteilung ist das aber wenig hilfreich. "Qualität" meint im übrigen nur "Beschaffenheit", und die Beschaffenheit geistiger Erzeugnisse ist eben nicht auf "rationale Dinge" begrenzt.
 
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Hi Sla,

ja, ich hatte es ein bischen anders ausgedrückt:

Aber eins ist mMn klar, eine rationale Qualitätsanalyse, wird zu keiner künstlerischen oder gesellschaftlichen Relevanz führen. Sie kann höchstens zu einer zusätzlichen, rationalen Betrachtung eines Werkes benutzt werden.

Nun, da vertrittst Du einen radikal verengten, naturwissenschaftlichen Qualitätsbegriff.
Oh ja, das heißt noch einen Schritt zurück: Wir müssten erst den Begriff Qualität im Kontext von Kunst abgrenzen und definieren.

Gruß
 
Das sind einfach nur Dinge, die häßlich sind. Ohne dedizierten künstlerischen Hintergrund.
"Qualität" meint im übrigen nur "Beschaffenheit"

Nein. "Qualität" hat zwei Bedeutungen:
Zitat von Wiki:
a) neutral: die Summe aller Eigenschaften eines Objektes, Systems oder Prozesses
b) bewertet: die Güte aller Eigenschaften eines Objektes, Systems oder Prozesses
 

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