2. Schule
"Früher" gab es jedenfalls keineswegs diesen pädagogischen Affentanz, den Lehrkräfte heutzutage unternehmen müssen, um auch Kevin noch dort abzuholen, wo seine konsequent bedürfnisorientierte Verziehung ihn zurückgelassen hat. Keine Flipcharts, Folien, "Medieneinsatz" coûte-que-coûte, Arbeit in "Kleingruppen" und erst recht keine "Computer" und womit sonst heutzutage für Ablenkung gesorgt wird.
Es wurde noch konsequent nach der 4. Klasse gesiebt (heutzutage gilt der "Elternwille", nicht das intellektuelle Vermögen des Kindes - wer einigermaßen unfallfrei einen einfachen Satz zu Papier bringen kann, geht/muss aufs Gymnasium). Und die Kinder wussten sich noch einigermaßen zu benehmen. Wer sich nicht benahm, wurde vor die Tür geschickt (was heutzutage nicht mehr geht, weil Kevin dann ohne Aufsicht ist und sich verletzen könnte, woraufhin Kevins Eltern samt ihrem Anwalt der Lehrkraft, der Schulleitung, der Schulbehörde und der Dienstaufsicht die Hölle heiß machen, die örtliche Presse wird mobilisiert und "Monitor" macht einen erschütternden Bericht über den Vorfall). Der Lehrplan konnte durchgezogen werden, wer nicht mitkam, drehte eine Ehrenrunde oder flog vom Gymnasium. Dieses Versagenserleben darf heutzutage keinem Kind mehr zugemutet werden ohne engmaschiges professionelles psychosoziales Coaching.
Ich weiss, es ist OT, aber es passt so gut, dass ich es einfach Schreiben muss.
Mehr Respekt als vor den Kevins habe ich tatsächlich vor den Maries, Sophies und Friedrichs. Der Druck, den grade bildungsnahe Eltern auf ihre Kinder (und ihre Umgebung) ausüben ist substanziell. (Hier in der Schweiz gehen nur 10 bis 20 % nach der Primarschule (geht bis 6. Klasse) aufs Gymnasium, was schon in Kindergarten (hier Teil der Schule) und den unteren Primarklassen einen gewissen Druck kreiert).
Gestern hatte meine Tochter Schwimmkursprüfung. Da sie die jüngste in diesem Kurs ist und es einen Lehrerwechsel zu einer deutlich strengeren Lehrerin gegeben hatte und unsere Tochter Defizite aufwies, war uns klar, dass sie diese Prüfung wahrscheinlich nicht besteht. Sie hat aber trotzdem für die Prüfung üben wollen und das haben wir ihr ermöglicht.
Gestern bei der Prüfung dann war sie die einzige Anwesende. Alle anderen Kinder (5) fehlten entschuldigt oder nicht entschuldigt. Sie hat alleine die Prüfung gemacht und *gut* bestanden. Ihr Üben hat etwas gebracht und sie hat sich die Teilnahme in dem höherem Kurs (vorgeschlagen war eigentlich eine Wiederholung) erkämpft.
Ich bin sehr stolz auf sie, und auch beschämt (über mich). Einen kurzen Moment haben nämlich auch wir überlegt ihr "die Prüfung zu ersparen", da wir sie ja nicht demotivieren und enttäuschen müssen. Dann hätten wir ihr aber die Möglichkeit des Wachsens und des Erfolgs genommen...
Kein "System" kann so schlecht sein, um einem interessierten Kind den Wissensdurst abzugewöhnen. Den hat es oder hat ihn nicht.
Die mittlere Tochter ist unsere "Freaktochter". Sie hat sich mit 4 selbständig das Lesen beigebracht und liebt es Hausaufgaben (typische Schul- und Vorschulübungen) zu machen. Da wir sie etwas von den Hausaufgaben und Übungen ablenken wollten (Himmel, sie ist erst 5!), haben wir versucht die Regel einzuführen, dass sie am Wochenende keine Hausaufgaben macht.
Das Resultat war umwerfend. Da sie keine vorgefertigten "Hausaufgaben" machen durfte, hat sie sich welche für sich und ihre Freunde ausgedacht.
Seitdem lassen wir sie machen was sie will.