Der wird den Meisten - mich eingeschlossen - ja leider auch durch die gesellschaftlichen Institutionen wegsozialisiert. Früher waren Universitäten Orte anspruchsvollen geistigen Austauschs, heute ein technokratisches Trauerspiel, das Eigenständigkeit eher bestraft als honoriert. In den Schulen sieht es nicht anders aus.
Das ist nicht korrekt:
1. "Früher" war (zumindest die Schule) nur besser hinsichtlich des Durchschnittsniveaus sowie hinsichtlich der Disziplin der Eleven.
2. Schule
Weiß ja nicht, wie alt Du bist ... aber wir hatten in einer Mannstärke von ca. 50 Nasen strammen Frontalunterricht. Im Diktat gab es eine Eins OHNE Fehler. Ein Fehler war ne Zwei. Zwei Fehler war ne Drei. Ich hatte einmal zwei Fehler und somit eine Drei. Was ein Schock! Bis heute kann ich mich an die beiden Fehler erinnern ("unt" statt "und" sowie "Baukraut" statt "Blaukraut"
).
"Früher" gab es jedenfalls keineswegs diesen pädagogischen Affentanz, den Lehrkräfte heutzutage unternehmen müssen, um auch Kevin noch dort abzuholen, wo seine konsequent bedürfnisorientierte Verziehung ihn zurückgelassen hat. Keine Flipcharts, Folien, "Medieneinsatz" coûte-que-coûte, Arbeit in "Kleingruppen" und erst recht keine "Computer" und womit sonst heutzutage für Ablenkung gesorgt wird.
Es wurde noch konsequent nach der 4. Klasse gesiebt (heutzutage gilt der "Elternwille", nicht das intellektuelle Vermögen des Kindes - wer einigermaßen unfallfrei einen einfachen Satz zu Papier bringen kann, geht/muss aufs Gymnasium). Und die Kinder wussten sich noch einigermaßen zu benehmen. Wer sich nicht benahm, wurde vor die Tür geschickt (was heutzutage nicht mehr geht, weil Kevin dann ohne Aufsicht ist und sich verletzen könnte, woraufhin Kevins Eltern samt ihrem Anwalt der Lehrkraft, der Schulleitung, der Schulbehörde und der Dienstaufsicht die Hölle heiß machen, die örtliche Presse wird mobilisiert und "Monitor" macht einen erschütternden Bericht über den Vorfall). Der Lehrplan konnte durchgezogen werden, wer nicht mitkam, drehte eine Ehrenrunde oder flog vom Gymnasium. Dieses Versagenserleben darf heutzutage keinem Kind mehr zugemutet werden ohne engmaschiges professionelles psychosoziales Coaching.
3. Universität
Ja, es gab eine Zeit, da wurde mehr diskutiert. Allerdings nicht ausschließlich über Lerninhalte, nota bene. Wenn man wollte, 20 Semester lang ohne mehr als eine Handvoll Scheine zu erwerben.
Der entscheidende Unterschied: Da das Gymnasium stärker gesiebt hat, landeten auf der Universität Personen, bei denen man eine gewisse Grundbildung voraussetzen konnte. Sie konnten zum Beispiel einen unüblichen Text lesen und sogar einigermaßen verstehen. Früher hat man STUNDEN in stickigen, dunklen Fluren vor einem Professorenzimmer antichambriert. Heutzutage schickt man eine Email. Die jungen Männer waren deutlich älter und damit reifer: Sie hatten 9 Jahre Gymnasium hinter sich, mussten Wehr- oder Wehrersatzdienst leisten und bis sie auf der Uni aufschlugen, waren sie oft schon 23. Heute stolpern siebzehnjährige G8-Opfer mit Mutti an der Hand ins Institutssekretariat und stellen absurde Fragen, deren Beantwortung überall nachzulesen ist. Welchen "anspruchsvollen geistigen Austausch" möchtest Du mit diesen Kindern machen, die erst noch die schiere "Wissenschaftsfähigkeit" erwerben müssten? Bevor die das Wort "Propädeutik" fehlerfrei schreiben können, haben sie ihren "Bachelor" und verschwinden als "Graduierte" auf den Arbeitsmarkt, wo die Personaler ihnen erst mal erklären dürfen, warum sie nicht direkt in leitender Funktion ins Berufsleben einsteigen können.
4.
Die Haltung
"Schuld sind grundsätzlich die anderen" - - - das System, die soziale Stellung der Eltern, die böse Globalisierung, das Wetter, der Kapitalismus, die Mond- bzw. Marskonstellation etc. - - - hat noch niemanden vorangebracht.
Kein "System" kann so schlecht sein, um einem interessierten Kind den Wissensdurst abzugewöhnen. Den hat es oder hat ihn nicht.
Greif nach dem Zufallsprinzip Leute heraus, die es ihrem eigenen Empfinden nach "geschafft" haben und frag sie, wie es dazu kam. Sie zählen auf, was sie alles geleistet haben.
Such nach dem Zufallsprinzip Leute heraus, die es nach ihrem Empfinden nicht "geschafft" haben. Man wird in der Mehrzahl der Fälle die abenteuerlichsten Ausreden hören. Nur sehr selten jedoch die ehrliche Selbsteinschätzung: "Ich war zu faul, zu träge, zu uninteressiert, ich habe mir einfach keine Mühe gegeben".