Hallo,
ich habe die Diskussion ein bisschen (nicht ganz, sie ist schon so lang und ausführlich) mitverfolgt und will mich nun einklinken.
Interessant finde ich die Frage, was eigentlich der Unterschied ist zwischen Faschismus und der Bewunderung für Komponisten, wie man sie hier im Forum findet. Ich denke, hier muss man zunächst darauf hinweisen, dass Faschismus totalitär ist. Er ist zentriert auf die eine Führergestalt, die als Sinngebungsinstanz für ein Kollektiv fungiert, und er bringt eine sehr spezifische Form von Intoleranz hervor; ein ******, ein Franco oder ein Mussolini dulden keine Alternative zur eigenen Person.
Das scheint mir bei der Bewunderung für Komponisten nicht der Fall. Zwar können sie, wie man hier im Forum ja auch sehr schön sieht, als Sinngebungsinstanz fungieren. Aber definiert wird dadurch ja nicht die Identität eines Kollektivs, sondern eines Individuums (daher der Verdacht des Elitären, der diesen Diskussionen anhaften muss); und vor allem: Es fehlt die Intoleranz, die Alternativlosigkeit, die für den Faschismus kennzeichnend ist.
Selbst die eine Gemeinsamkeit, die Komponisten und faschistische Diktatoren zu teilen scheinen - der Umstand, dass sie ihren Bewunderern Sinn- und Zielvorgaben geben - scheint mir gebrochen zu sein. Denn, aber hier spreche ich vielleicht nur für mich, wir leben eben heute in einer pluralen Welt mit vielen verschiedenen Sinnsystemen, die nach ganz unterschiedlichen Regeln funktionieren. So bin ich mir sehr bewusst, dass Komponisten nur in meiner kleinen Klavierwelt wichtig sind, dass aber in der großen Welt ganz andere Sinnvorgaben existieren. Dennoch genieße ich es, im Forum oder beim täglichen Klavierspiel so zu tun, als hätten die Regeln Gültigkeit, als sei der Sinn universal, als würden alle mein Ziel gutheißen.
Daher mag ich dieses Forum auch so gerne :)
Aber um auf das Thema zurückzukommen: Genau dieses "so tun als ob" fehlt doch im Faschismus, bzw. es kann nur im Geheimen ausgelebt werden. Ich finde es gefährlich, vor allem aber auch traurig, Komponisten als Führerpersönlichkeiten auszugeben - und zwar darum, weil dadurch all die großen und kleinen Katastrophen in faschistischen Regimes banalisiert werden.
Ich kann mir drei weitere Bemerkungen nicht verkneifen.
Einmal wird Rousseau gründlich missverstanden, wenn man ihn, wie das bei osos offenbar geschieht, auf sein "Zurück zur Natur!" festlegt. Rousseau ist sich nämlich, anders als osos, letztlich nicht schlüssig, was eine Rückkehr zum Naturzustand betrifft, weil er nicht einmal sicher ist, ob es ihn je gegeben hat. Ihm war natürlich nicht klar, dass es in Australien Menschen gibt, die stolze 50000 Jahre leben und daher offenbar mit einer robust-natürlichen Gesundheit gesegnet sind :). Das aber nur beiläufig.
Und zweitens: Das mit den Gewichten an den Fingern, wie immer das auch funktionieren soll, hat, denke ich, eher mit der abendländischen Askesetradition zu tun. Ich will nicht abstreiten, dass sie in den großen Kontext der Dialektik der Aufklärung eingeflossen ist, aber sie hat doch einen kulturgeschichtlichen Hintergrund, der die Reduktion auf faschistoide Züge sehr einseitig erscheinen lässt.
Drittens... ich finde das, was vorhin einmal "Nazi-Sprache" genannt wurde, ebenfalls furchtbar. Aber das ist wohl ein anderes Thema, da könnte man noch viel schreiben...