@rolf,
@Rheinkultur und
@jannis
Mir scheint, dass Ihr hier aneinander vorbeikommuniziert.
Jannis spricht von Vokallängen, was zwar für die Wahrnehmung von Silben als lang oder kurz von entscheidender Bedeutung sein dürfte, aber wohl nicht das gleiche meint wie Silbenlänge im Kontext der Lyrik.
Lyrische Rhythmen geben Muster und Proportionen, also formale Strukturen, vor. Möchte ich Lyrik schaffen, die solchen Vorgaben entspricht, muss ich Wörter wählen die mit diesen Strukturen kompatibel sind. Der Umstand, dass das möglich ist, sagt noch nichts darüber aus, wie dieselben außerhalb solcher formalen Vorgaben standardsprachlich gehandhabt werden.
Mit der Formulierung
Unter der Voraussetzung, dass Silben gleichlang gesprochen werden (das ist im deutschen überwiegend der Fall), ist das kinderleicht.
habe ich wahrscheinlich die gleichen Probleme wie jannis. Ich bezweifle, dass das einer empirischen Überprüfung standhalten würde, wenn damit gemeint ist, dass Silben im Deutschen immer gleich kurz (soundsoviel Bruchteile einer Sekunde) gesprochen würden; so klingt das aber für mich.
Da hier schon mehrmals das Singen bemüht wurde: Wir proben gerade an einer frühbarocken Motette. Textausschnitt: "und ihm mit reinem Herzen zu dienen". Außer den Silben "Herz" und "dien" alles
gleich kurze Notenwerte. Organisch und gut verständlich klingen wird es aber erst, wenn man
trotz der gleich kurzen Notenwerte (16el, glaube ich) dem "ihm" eine größere Länge zugesteht als dem "und" davor und dem "mit" danach, wenn man also "ihm" als
lange Silbe hörbar macht. Ebenso klingt das "rein" länger, als die Endung "em", die Präposition "zu" länger als die Endung "nen" davor wiederum bei gleichem Notenwert. Würde man so etwas aufnehmen und die einzelnen Silben herausmessen würde man wahrscheinlich nicht nur feststellen, dass diese Silben unterschiedlich lang sind, sondern auch, dass die Silbengrenzen nicht überall mit mit den Zählzeiten zusammenfallen, z.B. weil Konsonanten vor der Zeit gesungen werden. Ich denke, dass das bei gut vorgetragener Lyrik auch zu beobachten sein wird.
Hier wie dort können dem Eindruck von Gleichmäßigkeit im Großen Unregelmäßigkeiten im Kleinen gegenüberstehen.
Liebe Grüße
Gernot