11.08.2006: Klavierlehrerinnen können ja soooooo fies sein!
Diesen Freitag erwarteten uns einige Überraschungen. Zuerst einmal war - nach langer Zeit wieder - das Klavier besetzt, als wir in der Bücherei eintrafen. Das machte uns aber nichts, denn wir setzten uns an einen extra Tisch - wie in der ersten Klavierstunde auch - und sprachen über ein paar "klavierige" Dinge. Unter anderem wagte meine Lehrerin den Vorstoß und offenbarte mir einen Einblick in ihre tiefsten Intimsphären. Sie hatte mir nämlich ihr Hausaufgabenheft aus dem Jahre 1987 mitgebracht - das war die Zeit, in der sie Klavierspielen gelernt hat. Ein paar Dinge daraus kamen mir wahnsinnig bekannt vor (welch ein Wunder). Und als ich sah, was sie damals alles aufgekriegt hat, lief es mir eiskalt den Rücken runter.
Dann ging es ans Aufschreiben der F-Dur-Tonleiter. Und da kam schon die erste Erkenntnis in dieser Stunde, denn es gibt gar keine F-Dur-Tonleiter. Da bei der G-Dur-Tonleiter das F bereits in ein Fis verwandelt und bei den weiteren Tonleitern immer mitgeschleift wurde, handelte es sich bei der heutigen Tonleiter um die Fis-Dur-Tonleiter. Allerdings war es mir zunächst ein Rätsel, wie sie gespielt werden sollte, denn wir hatten ja schon alle schwarzen Tasten aufgebraucht. Und alle Klaviere nachträglich mit einer zusätzlichen schwarzen Taste nur für die Fis-Dur-Tonleiter auszustatten wäre doch ein ziemlicher Aufwand gewesen. Hmm, was war des Rätsels Lösung? Eigentlich doch recht naheliegend.
Bis zur H-Dur-Tonleiter der letzten Woche hatten wir als -is-Noten das Cis, das Dis, das Fis, das Gis und das Ais. Jetzt mußte also noch ein -is hinzukommen, und zwar beim Ton vor dem Fis. Der Ton vor dem Fis ist das E, das sich demzufolge in ein Eis verwandelte. (sprich: E-is und nicht Eis, obwohl das bei dem warmen Wetter auch eine Alternative wäre. Aber Eiswaffeln in der Tastatur sehen nicht so wirklich schick aus, außerdem zerbröseln die so leicht, wenn man sie anschlägt.)
Zwischen dem E und dem F auf der Tastatur gibt es aber keine schwarze Taste. Und darin liegt der Zauber des Klavieres. Zwei aufeinanderfolgende weiße Tasten ergeben einen Unterschied von einem ganzen Ton, wenn zwischen den beiden weißen Tasten eine schwarze Taste liegt (die schwarze Taste daneben bedeutet - wie ich ja schon wußte - einen Unterschied von einem halben Ton). Befindet sich zwischen zwei weißen Tasten keine schwarze Taste, so beträgt der Tonunterschied zwischen diesen beiden weißen Tasten nur einen halben Ton. Das E-is ist also gleichzusetzen mit dem Ton F (den ich ja schon in meiner allerersten Klavierstunde kennen gelernt hatte). So einfach können manchmal komplizierte Dinge sein.
Dann war das Klavier endlich frei. Allerdings gab es nur einen Kopfhörer, da der zweite wegen Kabelbruches in der Reparatur war. Irgendwie muß schleunigst ein zweiter Kopfhörer her. Vielleicht sollte ich in der nächsten Woche mal einen besorgen.
Und schon gab es die erste Differenz. Ich wollte mit der Etüde anfangen, aber meine Lehrerin wollte, daß ich zuerst die Fingerübung und die H-Dur-Tonleiter spiele. Als ich sie darauf aufmerksam machte, daß sie gesagt hatte, daß wir jede Stunde mit der Etüde beginnen, meinte sie, daß sie damit gemeint habe, daß die Etüde als erstes Stück nach der Fingerübung und der Tonleiter kommen solle. Hm, schön, aber wieso haben wir das dann das letzte Mal nicht schon so gemacht? Außerdem, was heißt eigentlich "ich meinte"? Ich kann ja auch nicht zu ihr sagen "Ich lade dich zum Essen ins Hilton ein", und wenn wir dann am Tisch sitzen sage ich zu ihr: "Eigentlich meinte ich, nachdem du mir zweihundert Euro geliehen hast."
Nix da, ich setzte meinen Willen durch - gelingt mir ja auch selten genug - und durfte die Etüde spielen. Die hatte ich wirklich geübt, bis sie mir aus den Nasenlöchern wieder raus kam. Also durfte sich meine Lehrerin die Kopfhörer aufsetzen und ich spielte die Etüde. Wow, das klappte wirklich gut und der Mund meiner Lehrerin auch nach zwei Minuten wieder zu.
Hatte ich mir nicht so etwas schon gedacht? Meine Lehrerin wollte tatsächlich die dritte Etüde spielen, die mit den verflixten Achtelnoten. Als ich ihr mitteilte, daß ich noch gar keine Achtelnoten gespielt habe, meinte sie nur trocken: "Gut, dann führen wir die jetzt ein."
Ich verwies sie auf die vierte Etüde, die nur Viertelnoten und halbe Noten enthielt. Daraufhin schockte sie mich mit der Frage, wie ich mit den Hausaufgaben zurecht käme, ob ich damit über- oder unterfordert sei oder ob es gerade das richtige Maß sei. Ich antwortete ihr, daß es mit den Hausaufgaben eigentlich ginge, worauf sie sagte: "Okay, dann spielen wir beide Etüden und du kriegst beide auf." Das kriegt sie irgendwann wieder zurück!
Die dritte Etüde ist echt schwer. Sie wird im 2/4-Takt gespielt und durch die ganzen dazwischen liegenden Achtelnoten muß jeder Takt "Eins-und-zwei-und" gezählt werden. Und dann darf ich bei den Viertelnoten noch darauf achten, daß ich die bis zum Ende des Taktes halte.
Als Entspannung konnte man dann die vierte Etüde bezeichnen.
Allerdings habe ich mir jetzt auch mal die Etüde 5 angesehen. Die wird im 6/8-Takt gespielt und hat als zusätzliche Schwierigkeit noch ein Kreuz dabei. Das kann ja heiter werden. Aber bis dahin habe ich ja noch eine Woche Ruhe.
Jetzt bekam meine Lehrerin ihren Willen und ich durfte die Fingerübung spielen. Gegen Ende kam ich ins Stolpern. Allerdings wurde mein Forte-Spiel gelobt. Das hätte meiner Lehrerin beinahe die Ohren weggefetzt.
Die nächste Fingerübung stand an. Daumen der rechten Hand und kleiner Finger der linken Hand wieder auf das C gelegt und los ging es mit dem gemeinsamen Anschlagen folgender Finger: 5/1 - 4/2 - 3/3 - 2/4 - 3/3 und 4/2 - 3/3 - 2/4 - 1/5 - 2/4 (links vom Schrägstrich = jeweiliger Finger der linken Hand; rechts vom Schrägstrich = jeweiliger Finger der rechten Hand). Das ganze wie gehabt jeweils viermal. Allerdings kam jetzt noch eine Schwierigkeit dazu. Jedesmal, wenn ich die Übung einmal gespielt habe, machte ich vor der nächsten Einheit eine kleine Pause. Dann spielte ich die Übung zum zweiten Mal - Pause - dann zum dritten Mal - Pause - und dann zum vierten Mal. Jetzt sollte ich die Übung mit Tempo spielen, also in einem Rutsch durch, ohne zwischendurch eine Pause einzulegen. Das gelang beim ersten Mal schon recht gut.
Anschließend ging es an die H-Dur-Tonleiter. Und da vergriff ich mich doch zweimal, da ich beim Rückwärtsspiel nach dem Cis statt dem H das C anschlug. Das ist aber auch tückisch mit zwei weißen Tasten nebeneinander. Meine Fingerfertigkeit wurde allerdings gelobt und es wurde festgestellt, daß sie sich entwickeln würde. Wieso merkt man da eigentlich selber so wenig von?
Der totale Knüller ist allerdings die Fis-Dur-Tonleiter, die ich dann spielen durfte (Fis-Gis-Ais-H-Cis-Dis-Eis-Fis). Da verknotet man sich ja echt die Finger. Die rechte Hand fängt an mit dem Zeigefinger das Fis zu spielen. Dann spielt der Mittelfinger das Gis und der Ringfinger das Ais. Der Daumen greift um, um das H zu spielen, die übrigen Finger wandern mit, so daß der Zeigefinger das Cis und der Mittelfinger das Dis spielt. Erneut wird umgegriffen, und der Daumen spielt das Eis, während das Fis für den Zeigefinger übrig bleibt.
Mit der linken Hand sieht es nicht viel besser aus. Ringfinger Fis, Mittelfinger Gis, Zeigefinger Ais, Daumen H - umgreifen - Mittelfinger Cis, Zeigefinger Dis, Daumen Eis - umgreifen - Ringfinger Fis. Schauder! Diese Tonleiter wird men Untergang.
Dann durfte ich nach Hause fahren. Nein, kleiner Scherz! Allerdings konnten wir mangels Kopfhörer das Stück "Fuchs, du hast die Gans gestohlen" nicht vierhändig spielen. Aber ich durfte es vorspielen und es ging doch besser als ich erwartet hatte.
"Sur le pont d'Avignon" war als nächstes an der Reihe. Nachdem ich die rechte und linke Hand einzeln vorgetragen hatte sollte ich das Stück zusammen spielen. Wie gut, daß ich das schon vorausgesehen und in der Woche vorher auch schon dementsprechend geübt hatte.
Das Vorspiel von "Summ, summ, summ" sollte ich allerdings gleich mit beiden Händen vortragen. Das war nun schon etwas kniffliger. Die linke Hand hat nicht viele Töne anzuschlagen, aber gerade die letzten vier Töne der letzten beiden Takte haben es in sich. Und das Stück geht über drei doppelte Notenzeilen und hat nur am Anfang für die rechte Hand die Information, mit welchem Finger die Note angeschlagen wird. Da muß ich wohl noch ein paar Fingerinfos über die Noten schreiben. Bis zur Mitte soll ich "Summ, summ, summ" allerdings üben. In der nächsten Stunde machen wir dann wohl das komplette Lied durch.
Außerdem habe ich ein neues Stück namens "Wechselspiel" aufbekommen (für Leute die mein Notenbuch, die "Europäische Klavierschule" von Fritz Emont ebenfalls haben, es ist im Band 1 das Stück Nummer 32 auf Seite 40). Und die letzten drei Takte sind wirklich total eklig. Da tauchen dann so Kombinationen wie Mittelfinger der einen und Ringfinger der anderen Hand auf. So etwas ist wirklich total mies!
Auf jeden Fall werde ich mein Übungspensum jetzt wohl erhöhen müssen, denn an schwierigeren Stücken muß man logischerweise auch länger üben, bevor sie sitzen. Aus diesem Grunde mache ich mich jetzt - es ist gerade 01:19 in der Nacht - auch an das Klavier und werde dort mindestens eine Stunde verweilen.
(Fortsetzung folgt)