Ich schließe mich sehr
@Alter Tastendrücker und
@Tastatula an - dein Schüler, liebe Blüte, ist nach deiner Aussage ein besonders freundlicher und sympathischer Schüler. Diese Ebene stimmt also schon einmal!
Jemandem die Welt der Musik zu öffnen kann ein unfassbarer Gewinn für beide Seiten sein, besonders wenn derjenige nach langjährigem Klavierspiel davon noch nichts weiß. Ob die damit verbundenen Mühen etwas bringen, weiß momentan keiner. Selbst wenn sie nichts bringen, hast du es wenigstens versucht und ihm ein echtes Angebot gemacht, für dessen Annahme oder Ablehnung er dann selbst die Verantwortung trägt. Deswegen finde ich es super, dass du ihm dieses Angebot machst und machen willst!
Mögliche Wege:
Vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass die Sprache momentan nicht/wenig als Vermittlungsweg zur Verfügung steht. Ich denke, dass er erst einmal Musik "erleben" sollte und man dazu all die Schritte gehen muss, die damals in der Kindheit versäumt worden sind. Muss er demnächst eine Prüfung machen oder kannst du mit ihm ein Semester einen Unterricht der besonderen Art machen? Prüfungen wären da sehr kontraproduktiv und ich hoffe, ihr könntet sie ggf. verschieben. Der Unterricht der besonderen Art -gesetzt den Fall, er ist bereit, sich darauf einzulassen -, könnte folgendermaßen aussehen:
1.
Improvisieren, was das Zeug hält
Glücklicherweise ist er da bei dir an der besten Adresse, hurra! Was hat er ein Glück! :)))) Das Erlebnis, Klavier zu "spielen", also das Spielerische, Kreative, Lustvolle (Hören, Fühlen, Gestalten) verschafft Freiräume und lehrt das Hinhören. Da man dabei auch eine ideale Verbindung von Harmonielehre und Gehörbildung erfährt und Noten keine Rolle spielen, schafft das wunderbare Voraussetzungen.
2.
Transponieren, was das Zeug hält
Denkt der geneigte momentan noch fehlgeleitete Schüler beim Anblick von Sechzehnteln an Rrrrrrratatatatata, erlebt er beim Transponieren plötzlich Intervalle, Zwischen - und Klangräume. Er erlebt z.B. Passagen als Koloraturen, als Melodien, die phrasiert und gestaltet werden.
3.
Singen
@Tastatula hat es schon beschrieben: kann er singen? Vielleicht erst mal kleine Einheiten oder - wenn er es noch nicht gelernt hat - erst mal einen Ton nachsingen. Schnelle Passagen langsam singen. Du kennst ja die Möglichkeiten.
4.
Melodien nach Gehör spielen
Blüte: "So, lieber X, spiel doch mal das Thema der 5. Sinfonie von Beethoven auf dem Klavier."
X:
Blüte
(spielt den Anfang): "Klaro, ich helf dir, und zu Hause probierst du dann die Neunte, x,y,z ......... ."
X:
5.
Liedbegleitung
Dies kann dann übergehen in Liedbegleitung.
6.
Musik und Bewegung
Wie sind denn seine Fähigkeiten in Rhythmus und Timing? Da würde ich auf jeden Fall mal Geh- und Klatschübungen machen, das kann doch sehr lustig werden, wenn er dazu bereit ist. Man kann solche Dinge auch mit der Erarbeitung von Stücken kombinieren.
7.
Blattspiel
Das wurde hier schon erwähnt, das finde ich eine gute Idee.
8.
Kammermusik
Ohne genaues Hinhören kann man keine Kammermusik machen. Vielleicht findet sich jemand, der mit ihm musizieren will. Oder mal einen Trommelkurs.
9.
Alexandertechnik
Um freier zu werden in der körperlichen Richtung arbeiten.
10.
Stückauswahl
Es fragt sich, ob es gut wäre, zeitweise mal nur langsame Stücke zu erarbeiten. Gibt es welche, die ihm gefallen? Eines der Erfahrungen, die mir bei meinem Hören unglaublich viel gebracht haben, war das vertikale Hören. Also zu jedem Zeitpunkt eines Stückes die vertikalen Zusammenklänge und Harmonien wahrzunehmen. Das daaaaaaauert ....., aber bringt so viel!
11.
Harmonielehre, Gehörbildung etc.
Er hat ja da eh Kurse, aber ich habe leider die Erfahrung gemacht, dass erst guter Klavierunterricht alle Dinge zusammenbringt, verknüpft und erlebbar werden lässt. Generalbass etc. könnte auch was für ihn sein, wenn ihm so etwas Spaß macht.
Tja, wie soll sowas in einer Stunde pro Woche gelehrt und gelernt werden? Ich glaube, dass es möglich ist, wenn dein Student Eigeninitiative ergreift und ihn diese Herangehensweise fasziniert und in ihm etwas weckt.
Hilfreich könnte es sein, wenn er einen
Mentor bekommt, der mit ihm öfters was macht und dabei als Gewinn seine pädagogischen Fähigkeiten ausbaut. Vielleicht jemand, der seine Sprache beherrscht?
@Carnina sprach Gruppen an - auch das könnte etwas sein. Apps könnten vielleicht sinnvoll sein, da kenne ich mich aber nicht so aus.
Wenn ihr ein Semester mal solchen Unterricht machen könntet, er daneben seine Sprachfähigkeiten ausbaut, dann könnte es was werden. Probieren geht über Studieren!
Liebe Grüße und viel Erfolg!
chiarina