Ich stimme Dir zu: Wer zu Selbstaufwertungszwecken auf Tiersen, Einaudi, Yiruma herabsieht, muß arm dran sein. Aber darum geht es nicht.
Der Spott über dieses Klavierkonzert entzündet sich am Mißverhältnis zwischen dem prätentiösen Rahmen und dem mageren Inhalt. Dieses Mißverhältnis ist übrigens eine Grundvoraussetzung für komische Situationen - in diesem Fall für unfreiwillige Komik.
Anders formuliert: Der Einsatz von Klangfarben in einer Komposition muß irgendwie gerechtfertigt sein, und zwar aus sich heraus, durch einen Tonsatz, der nach klangfarblicher Differenzierung verlangt und mit unterschiedlicher Satzdichte arbeitet (die schlichteste Tonsatzidee in einem Konzert: Solo contra tutti). Aber Einaudi macht nix anderes, als eines seiner typischen 4-5-Minuten-Klavierstücke mit Streichorchestersoße anzudicken, wobei die Streicher den schlichten Inhalt brav verdoppeln. Das ist nicht minimalistisch, sondern einfallslos.
Wer sich einer bestimmten Gattung zuwendet (hier: Solokonzert), steht auch in deren Tradition. Es gibt zwar keine Verpflichtung, sich einer Gattungsnorm zu unterwerfen. Das hat die Moderne gelehrt. Aber mit der Moderne will Einaudi ja nichts zu tun haben. Das Virtuosenkonzert verlangt nach einer bestimmten Materialfülle, ohne die sich der klangliche Aufwand und die zeitliche Ausdehnung nicht lohnen. Einaudi knüpft hörbar ans barocke Concerto an (genauer: an Rondo Veneziano, nur ohne Schlagzeug und ohne Melodien). Aber sein bißchen Material reicht dafür nicht aus: kein präziser Themenkopf, keine Fortspinnungsideen. Einaudi knabbert an demselben Problem wie Glass und Pärt, in deren als größerformatig geplanten Orchesterwerken: Mit reduzierten Mitteln Monumentalität erzeugen zu wollen, das klappt nicht.
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