Irgendwie glaube ich, dasz ich mich (natuerlich) nicht ganz klar ausgedrueckt habe. Sebstverstaendlich kann jeder ueben, spielen was auch immer er will, auch im Konzert. Ob dann die Hoerer weglaufen, ist eine andere Frage
. Was mich aber manchmal erstaunt, ist die ewige Diskussion unter Laien, ob etwas "machbar" ist. Es gibt einen thread ueber "machbare" Klaviertrios. Klar, sie sind alle machbar!! Sie wurden alle geschrieben, um gespielt zu werden. Es gibt auch bestimmt Menschen, die sie gespielt haben oder spielen. Die Frage ist natuerlich immer, mit welchem zeitlichen Aufwand und was dabei fuer einen potentiellen Hoerer herauskommt.
Ich kann jetzt als Laie zwei Wege gehen: (i) Moeglichst viel Musik am Klavier zu studieren, zu ueben, ohne eine gewisse Auffuehrbarkeit zu erreichen, also ohne die "Weglaufgrenze" der Hoerer hinter mir zu lassen. Ich studiere dann zu meiner Freude die Musik, erhalte tiefere Einsichten und kann sie im Konzert als Hoerer umso mehr genieszen.
(ii) Ich will die "Weglaufgrenze" hinter mir lassen. Dann ist der Aufwand fuer ein Stueck natuerlich recht hoch. Bei der h-moll-Sonate ist der Aufwand sehr hoch. Ich habe die Sonate oft beim ARD-Wettbewerb gehoert. Sie kann, obwohl die meisten Noten getroffen werden, wegen ihrer Laenge fuer die Zuhoerer eine rechte Qual sein: Wenn sie zerfaellt, wenn die klangliche Realisierung zu wuenschen uebrig laeszt, wenn sie sich nur in "Schreien" und "Fluestern" ergeht, wenn sie chaotisch gespielt ist, so dasz man den sehr komplizierten Aufbau gar nicht mehr nachvollziehen kann, wenn sie uebertrieben "bemueht", "angestrengt" gespielt wird, wenn sie einfach uebertrieben "schmalzig" in den lyrischen Stellen gespielt wird. Kurz, die "Weglaufgrenze" ist recht hoch, aber ja, machbar ist sie!
Ich musz mir leider von Kammermusikpartnern zur Zeit immer wieder anhoeren, alles sei ja machbar, aber sie spielen echt weit unter der "Weglaufgrenze" und es verbessert sich nichts. Was hilft es dann, wenn sie es fuer sich machbar halten? Es musz ja schon auch realisiert werden.
Ich kann echt Deine Faszination der Sonate gut nachvollziehen. Studiere sie, liebe sie, kaempfe mit ihr, raufe Dich mit ihr zusammen, vielleicht ein Jahr, vergisz sie und grabe sie wieder aus, studiere sie nochmals, vermehre Deine Liebe, spiele sie dann einer kompetenten und ehrlichen Person vor und ueberlege vorsichtig, ob Du wirklich ueber der "Weglaufgrenze" bist. Was willst Du bitte "schaffen", die Noten zu lernen? Das ist zu wenig, viel zu wenig. Wenn Du eine faszinierende Frau liebst, hoffe ich doch, dasz Du nicht mit der Eroberung prahlst, weil Du es "geschafft" hast, sie fuer Dich zu interessieren, sondern sie wirklich liebst, nur dann wird eine gute Ehe daraus. Sonst war es nur eine Eroberung, deren Hochgefuehl sich bald schal anfuehlen wird. Die h-moll-Sonate ist kein Hochseilartistenstueck, das man "schafft" oder eben nicht. Echte Hingabe ist gefragt.
So, jetzt aber nichts fuer ungut, ich habe mir meinen Unmut, ueber das Woertchen "machbar" von der Seele geschrieben, das fuer mich so schnoede oekonomisch klingt. Du verstehst jetzt hoffentlich, warum es mich ein wenig stoert.
Faszinierende Stunden mit diesem Wunderwerk wuenscht Dir
Jannis