Darf ich noch einmal nachfragen: Was genau möchest Du mit den Schachregeln vergleichen?
Tonhöhen und Tondauern? Oder die 88 Tasten des Klaviers?
Du hast genau den falschen Teil zitiert, nämlich nur den ersten. Der 2. Teil mit den Metaregeln ist doch wichtig.
Schach ist mehr als Schachregeln, das suggeriert doch deine ursprüngliche These...5 Minuten blabla und man weiß alles was es zu wissen gibt.
Und das ist falsch, es gibt auch im Schach eine Ebene über den Fundamental-Regeln, ohne die man im Schach nicht weiterkommt, Metaregeln und Strategien, die man sich über viele Generationen von Schachspielern erarbeitet hat (nein, ich spreche nicht von einer Springergabel oder sowas *seufz*).
Genauso wie es in der Musik eine Ebene über Tonhöhen, Tondauern, Rhytmus (oder Schallereingnissen, oder Klaviertasten, WHATEVER) gibt die man verstehen muss, damit man wirklich Musik schaffen kann, genauso muss man die Ebene über den fundamentalen Schachregeln verstehen um wirklich erfolgreich in Schach sein zu können. Genau darum ging es für mich.
Bei Schach wird man nur mit Erlernen der Schachregeln höchstens gegen einen Laien gewinnen, bei Musik wird man halt bei alle meine Entchen stehenbleiben.
Nun lese ich, daß es beim Go-Spiel (nach meinem rudimentären mathematischen Verständnis erheblich komplexer als Schach) genügt, das Programm mit den (im Vergleich mit Schach noch primitiveren) Regeln zu füttern:
Aber dazu fehlt Dir jetzt ggf. einfach das Verständnis, wie fundamental anders das Vorgehen ist als "alles mal fix durchprobieren" oder "ist bissel Mathematik" oder so.
Go hat simplere Fundamentregeln und sogar noch weniger Anfangszustände als Schach, aber hat dennoch eine Größenordnung mehr Freiheitsgrade und ist unbehandelbar für solche Durchprobier-Verfahren. Das zeigt, wie wurscht es nun ist, ob 400 Anfangszustände oder 1000 vorhanden sind (und die Komplexität lässt eine perfekte Lösungssuche mittels Durchrechnen sowieso in beiden Fällen nicht zu).
Ich zitiere aus dem Artikel:
" AlphaGo Zero rapidly progressed from entirely random moves towards a sophisti-
cated understanding of Go concepts, including fuseki (opening), tesuji
(tactics), life-and-death, ko (repeated board situations), yose
(endgame), capturing races, sente (initiative), shape, influence and
territory, all discovered from first principles. Surprisingly, shicho
(‘ladder’ capture sequences that may span the whole board)—one of
the first elements of Go knowledge learned by humans—were only
understood by AlphaGo Zero much later in training."
"Humankind has accumulated Go knowledge from millions of games
played over thousands of years, collectively distilled into patterns, prov-
erbs and books. In the space of a few days, starting tabula rasa, AlphaGo
Zero was able to rediscover much of this Go knowledge, as well as novel
strategies that provide new insights into the oldest of games."
Hier steht ein bisschen was ich meine. Die Go-Regeln sind einfach. Die Go-Metaregeln (Strategien etc.), um ein Spiel sinnvoll zu spielen, sind hingegen sehr komplex und vielfältig. Man muss sehr viel mehr als fundamentale Spielregeln lernen, um gegen gute Spieler bestehen zu können. In Asien ist das quasi Volkssport, und die Besten werden als Go-Meister verehrt. Das passiert nicht, weil diese Meister die paar Go-Regeln besonders toll beherrschen und besonders tief vorherdenken können, Damit hat man selbst als superintelligenter Mensch keine Chance gegen Meister, die das jahrhundertelang erworbene Wissen über Strategien, die klappen und nicht klappen, ebenfalls alle kennen. Die Metaregeln das Spiels, so wie bei Schach ein Gespür für Figurenfreiheit, Flügelstellungen etc. entstehen muss, weil man mit blossem Aufpassen beim Zug voraus denken nicht weit kommt.
Und diese neuen Deep Learning Systeme erkennen und erlernen Strategie, so wie wir das gemacht haben. Sie können halt in 3 Tagen 5 Millionen Spiele gegen sich selbst spielen - das ist ihr riesen Vorteil dabei.
Nun die Verbindung zu Kunst ;)
Und ähnliche Verfahren kommen z.B. jetzt zum Einsatz, um Malstile zu immitieren (siehe bitte Post vorher, das Neuronale Netz dort bekommt übrigens nur Bilder vorgelegt ohne eingeimpftes Kunstverständnis, und lernt dabei selbst die Stile zu unterscheiden und zu klassifizieren! So wie bei Go ohne Strategiewissen).
Beispiel: Ich habe schon Tests gesehen (finde Link leider grad nicht), in denen ein Neuronales Netz ganz viel Bilder über eine bestimmte Domäne gelernt hat, z.B. Katzen und Hunde (was sonst). Danach hat man ein Video von einer Zugfahrt (Sicht aus Fenster) aufgenommen und dann dieses DeepDream-Verfahren darauf angewendet. Das Video war total verfremdet und man sah plötzlich in tollsten Farben und Kringeln Katzen und Hunde oder bestimmte Merkmale von Katzen und Hunden, in den Feldern, Bäumen etc., in verrückten Arten vermischt und verwoben vorbeiziehen.
Das kann man fast für Kreativität halten. Kein Mensch weiß doch, wie wir dazu kommen. Und da jedes Neuronale Netz anders lernt (ja, das ist nicht eindeutig, wie die inneren Neuronen-Gewichte aussehen), erhält man auch jeweils verschiedene Resultate. Evtl. ist durchaus mal was brauchbares dabei, so wie bei menschlichen Künstlern. Und man steht da wirklich erst am Anfang. Das zugrundeliegende DeepDream-Paper ist grad mal 2 Jahre jung!
Und was man bei Bildern schafft, wird man auch bei Audio hinbekommen. Dazu gibt es erste Ansätze bei menschlicher Sprache (Ich kenne z.B.: Sprachmelodie und Klangfarbe täuschend echt nachmachen, selbst Phoneme und Metasprachen erlernen, so wie Sprachwissenschaftler das tun)
Lass ein Neuronales Netz lernen, wie Musik von Bach funktioniert. Es wird selbst viele Regeln der Harmonielehre herausfinden, da bin ich ziemlich sicher nach vielen Experimenten, die ich in diversen Bereichen schon gesehen habe. Es wird auch Stile ergründen und immitieren können.
Speise dann eine Zugfahrt in so angelernte Neuronale Netze ein, sei es Audio oder Video, und wir schaun was dann passiert alles so passieren kann. Das ist nur eine hyopthetische Idee, es zeigt nur wie das in etwas laufen kann. Und nein, es ist immer noch nicht mein Ziel. Kunst sollen Menschen machen. Aber ein Schach- oder Go-Spiel als Computer+Mathe für ein paar lahme Regeln abzukanzeln ist ebenfalls unangebracht, nur weil man sich dort drauf gestürzt hat. Man wäre evtl. verblüfft, was mit dem Computer doch ginge, wenn man in diese Experimente viele Ressourcen investiert. Das ist auch nix Schlimmes, Menschen spielen ja trotzdem auch weiter Schach und Go, sie werden auch weiter selbst ihre Kunst machen.