Kleine Komposition

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da ging man genau andersrum vor. Man hat keine Regeln eingegeben, sondern man hat einen ganz bestimmten Satztyp (vierstimmige Choräle) ausgewählt und das Programm mit sämtlichen Bach-Chorälen gefüttert, die dazu passen. Die Regeln, nach denen Bach gelernt hat und die er angewendet hat, hat man dem Programm nicht mitgeteilt.
Ja, das ist mir klar, dass hier nur Mustererkennung eingesetzt wurde. Aber auch hier gibt es so etwas wie implizite Regeln, z.B. zulässige Tonlängen, Tonhöhen.

Das Projekt "Giraffe" kannte ich noch nicht, daher mein Hinwies auf die klassischen Methoden, die allerdings immer noch überlegen sind.

Hat man es eigentlich schon geschafft, per AI einfache Mathematik nachzuahmen? Ich habe das vor Jahren mit einem in C++ selbst gebauten neuronalen Netzwerk getestet und war entsetzt über die Ergebnisse.
 
Der Thread hat eine gewaltige Dynamik bekommen, nicht ganz leicht verdaulich.

Als kleinen profanen Einwurf zwischendurch der aktuelle Stand meines "Herbstes":

https://www.henkessoft.de/Musik/DerHerbst_2017_11_05.flac
https://www.henkessoft.de/Musik/DerHerbst_2017_11_05.pdf

:-D

Zwei kleine Einwürfe meinerseits:

1. Stören Dich die Kollisionen zwischen Melodie und Begleitung nicht?
Z. B. Takt 19 Spitzenton c''' gegen Baßton d' - das wäre eine hübsche Dissonanz, die sich auch hübsch auflösen ließe, nun springen aber beide Stimmen nach unten und landen wieder auf einer Dissonanz e'' gegen d.
Oder anderes Beipiel (ohne direkte Dissonanzen) T. 24: Da besteht die Melodie aus einem D-Dur-Dreiklang, während die Begleitung fis-moll

2. Hast Du Dir Gedanken gemacht, in welcher Tonart der zweite Teil stehen soll? Es ist zwar ein Kreuz vorgezeichnet, aber es gibt weder eine Kadenz nach G-Dur noch eine nach e-moll. Der ganze Teil klingt wie die verzweifelte Suche nach der richtigen Tonart.
 
@Pedall: danke für dein Feedback. Mein "Herbst" ist für mich momentan so eine Art Übungsgelände.
ad 1) manchmal ja, manchmal nein (G -> Dm7 -> G). Ich werde eine Auflösung versuchen oder das Kreuz schon ab Takt 18 einführen, denn da steige ich schon nach G-Dur um.
ad 2) F-Dur, G-Dur, F-Dur. Momentan befindet sich der Schluss in F-Dur, weil er mir gut gefällt. Ich schaue mir den Übergang zwischen Teil 2 und 3 an.Vielleicht finde ich da etwas (De-)kadentes.:coolguy:

"Verzweifelte Suche nach der richtigen Tonart" klingt interessant. Der harmonische Part lässt sich sicher lösen. Bei der melodischen Seite bin ich mir noch nicht ganz sicher.

Ich werde bei zukünftigen Improvisationen bevorzugt mit der Melodie beginnen. Das macht letztendlich mehr Sinn, als von der harmonischen Seite auszugehen und die Melodie on-top zu generieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube verstanden zu haben, was mit dem einige Seiten zuvor von Dir diskutierten "F" in C-Dur (Zoroastrismus) gemeint sein könnte (wie war die Formulierung? "Zweiter Leitton" oder so ähnlich?) - es könnte sein, dass damit gemeint ist, dass der "echte" Leitton in der Dominante (Stufe V) zwar zur Tonika der Ausgangstonart "zieht", diese Dominante durch ihre angehängte Septime (= Tonika der Subdominante, IV. Stufe der Ausgangtonart, bei C-Dur = F) eine noch stärkere Spannung erzeugt.
Stufe IV: Harmonischer Leitton
Stufe vii: Melodischer Leitton
Sicher scheint mir bisher nur Folgendes zu sein:
Im Jazz empfindet man einen I maj 7 als "konsonanten" Grundklang. Der "melodische" Leitton (h in C-Dur) passt also gut zum Grundton (kein hoher Zwang zur Auflösung).
Kommen beide Leittöne zusammen, entsteht "Hochspannung" (Tritonus), die nach Auflösung verlangt: G7 (g-h-d-f) nach C. h geht nach c, f geht nach e, und das d (darüber sollte man vielleicht auch mal reden) verschwindet einfach.
 
Mal eine Frage @all:

Sollen wir vielleicht die Beiträge zu K.I., Kognition, Mind Body Problem, Metaphysik, Epistemologie etc. in den Philosophie-Faden verschieben und die Debatte dort weiterführen? Ich denke, da wären sie richtig aufgehoben.
Außerdem sind sie äußerst spannend und ich fände es schade, wenn die Diskussion nur deshalb endete, weil sie fehl am Platze ist.


Mod.: Done.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Die Optik legt es nahe: Man sieht das Kreuz und denkt: Ah ja, soll wohl G-Dur sein. Aber man hört G-Dur nie als neue Tonart, da sie nie durch eine Kadenz bestätigt wird.

Ich werde bei zukünftigen Improvisationen bevorzugt mit der Melodie beginnen. Das macht letztendlich mehr Sinn, als von der harmonischen Seite auszugehen und die Melodie on-top zu generieren.
Verstehe ich das richtig: Du willst eine Melodie improvisieren, die Improvisation dann fixieren und nachträglich mit Harmonien versehen?
Falls ich das richtig verstanden habe, wird das "letztendlich" keinen Sinn machen. Wenn Du nicht auf demselben Level weitermachen willst, sondern Fortschritte erzielen willst, mußt Du die grundlegende Problematik angehen und Dein harmonisches Denken schulen.

Du bist völlig auf dem Holzweg. Man kann nicht irgendwelche Töne schreiben, nachträglich überlegen, in welchen Akkord sie passen könnten und dann denken, dass diese Akkorde eine bestimmte Funktionen annehmen. Damit sukzessive erklingende Töne den Eindruck einer harmonischen Funktion erzeugen, reicht es nicht, dass die einzelnen Töne an sich vorhanden sind. Ganz entscheidend ist auch die Gewichtung dieser Töne im metrischen Ablauf, die vertikale Position dieser Töne, deren Stimmführung und Aufmerksamkeit auf das, was harmonisch vorher und nachher da ist. Deine Probleme fangen schon damit an, dass die Melodie über weiteste Strecken überhaupt keine Harmonie impliziert, sondern mehr oder weniger willkürlich Töne aneinanderreiht.
...
Bevor du weiter an dem verkorksten Stück herummachst, fang doch lieber mal klein an. Nimm eine bewährte Kadenzfolge aus vier (oder höchstens acht) Akkorden und erfinde dann eine Melodie, die diese Kadenzfolge quasi "erzwingt".*) Das ist viel schwieriger, als du denkst und trotzdem nur ein allererster Schritt zu einer stimmigen Komposition. Allein an so einer kleinen Melodie kann man viele Stunden lang herumbasteln. Anschließend kannst du dich dann eine Weile mit Kontrapunkt beschäftigen, um eine sinnvolle Basslinie zu finden. Wenn dir das zunehmend gelingt, ist es an der Zeit, dich ausgiebig mit Harmonielehre vertraut zu machen, um allmählich von vorgegebenen Kadenzen wegzukommen und eigene Harmoniefolgen zu entwerfen. Dann kannst du ach den umgekehrten Weg gehen: eine Melodie (die aber harmonisch nicht allzu eindeutig sein darf) neu harmonisieren. Und all diese Sachen nicht ein- oder zweimal, sondern mindestens hundertmal!
 
man hört G-Dur nie als neue Tonart, da sie nie durch eine Kadenz bestätigt wird.
Interessanter Punkt. Ich habe das Kreuz eigentlich nur gesetzt, weil die Wiederholung eines vorherigen Teils eine Note höher dann besser lesbar wird. Bin nicht sicher, ob die "Bestätigung als Tonart" wirklich notwendig ist. Muss ich darüber nachdenken und "hörend" (nur das zählt) ausprobieren. Die "Optik" ist uninteressant. Genau wie in der Fotografie: Nur das Bild zählt und die subjektive Meinung des Betrachters.

Du willst eine Melodie improvisieren, die Improvisation dann fixieren und nachträglich mit Harmonien versehen?
Deine Probleme fangen schon damit an, dass die Melodie über weiteste Strecken überhaupt keine Harmonie impliziert, sondern mehr oder weniger willkürlich Töne aneinanderreiht.

Ich versuche ab jetzt parallel vorzugehen, die Melodie als wichtige Führungsgröße verwenden, damit die Harmonien wirklich impliziert werden. Bisher habe ich das eher intuitiv beim Improvisieren mit den Händen auf den Tasten gemacht, bei der Weiterentwicklung jedoch zu stark auf die Harmonien geachtet und von dort aus gelenkt. Die Melodie ist jeodch eindeutig das Wichtigste. Menschen, die sich etwas merken, summen die Melodie, nicht die begleitenden Harmonien. Es geht eigentlich darum, etwas zu schaffen, das man sich "merken" kann, das "bemerkenswert" ist, oder noch besser: das zu Herzen geht, zu Tränen rührt, das schön ist. Davon bin ich, zumindest bei komplexeren Stücken, meilenweit weg, kann man nirgends wirklich lesen/lernen, nur fühlen.

Das ist mir beim Werk von Rheinkultur, das er mir als Beispiel gegeben hat, klar geworden. Dort führt ganz klar die Melodie.

Ich bin dabei, braucht Zeit. In der Literatur findet man auch viele Widersprüche, je nach Sichtweise des Autors. Erst kommen (im Grundsatz) unverständliche Regeln, danach der Hinweis, dass man ruhig gegen diese verstoßen soll, um kreativ zu sein, also Neues zu schaffen. Ich muss vor allem lernen, bewusst dagegen zu verstoßen. Dazu muss man sie erstmal kennen. :party:
 
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Das ist mir beim Werk von Rheinkultur, das er mir als Beispiel gegeben hat, klar geworden. Dort führt ganz klar die Melodie.
Soweit ich sehe, gehen die Vorschläge vont @Rheinkultur und @mick in dieselbe Richtung wie meine.
Ich empfehle diese Beiträge:
https://www.clavio.de/threads/kleine-komposition.23275/page-10#post-562319
https://www.clavio.de/threads/kleine-komposition.23275/page-10#post-562321


Auf welches "Werk" beziehst Du Dich? Das hier verlinkte?
https://www.clavio.de/threads/kleine-komposition.23275/page-11#post-562354
Da folgt die Melodie ganz klar dem harmonischen Konzept.
 
Auf welches "Werk" beziehst Du Dich? Das hier verlinkte?
https://www.clavio.de/threads/kleine-komposition.23275/page-11#post-562354
Da folgt die Melodie ganz klar dem harmonischen Konzept.

Ja, genau. Wie erkennst Du, ob Melodie oder Harmonie die Führung übernimmt bzw. zuerst da war? Nimm mal Auftakt und die ersten vier Takte als Beispiel. Takt 1 und 2 sehe ich F-Dur, sowohl im Bass (f,c,a,f und f,a,c,f) als auch in der Melodie (betonte Noten auf f,a,c. Sehr schön umspielt mit der Terz im Mittelpunkt).
 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, genau. Wie erkennst Du, ob Melodie oder Harmonie die Führung übernimmt bzw. zuerst da war? Nimm mal Auftakt und die ersten vier Takte als Beispiel. Takt 1 und 2 sehe ich F-Dur, sowohl im Bass (f,c,a,f und f,a,c,f) als auch in der Melodie (betonte Noten auf f,a,c. Sehr schön umspielt mit der Terz im Mittelpunkt).

Natürlich sind Melodie und Baß so gestaltet, daß beide zum gleichen Akkord passen. Das ist der Unterschied zu Deiner Komposition. Da setzt die Melodie z. B. in Takt 3 auf Schlag 4 mit einem C-Dur-Dreiklang ein. Dieser dissoniert jedoch mit dem Baß, der auf dem d liegenbleibt.* Rheinkultur hat seine Melodie so gestaltet, daß sie punktgenau mit dem Akkordwechsel auf Schlag 1 harmoniert. Das heißt, er hatte beim Schreiben der Melodie bereits ein harmonisches Konzept im Kopf.

Ob Rheinkultur zuerst die Melodie von Anfang bis Schluß hingeschrieben hat und dann den Baß, oder ob er an beidem parallel geschrieben hat, weiß ich natürlich nicht. Aber wenn er zuerst die Melodie geschrieben hat, hatte er im inneren Ohr bereits die Harmonien mitgehört und wußte im voraus ganz genau, daß er z. B. in Takt 4 auf Schlag 1 in der Dominante landen würde (und in Takt 6 auf Schlag 1 in der Parallele etc.)




* Im nächsten Takt passiert Dir das dann dasselbe, nur umgekehrt: Auf Schlag 4 beginnt die Melodie einen d-moll-Dreiklang, während der Baß auf dem c' liegenbleibt. Das melodische d-moll wird diesmal von der Begleitung völlig ignoriert.
 
@Pedall: ich habe die letzten Achtel in Takt 3 und 4 (u.ä.) auf dem unbetonten Beat als inneren "Auftakt" gesehen für die nachfolgende Harmonie (und mich daher eher danach gerichtet). Interessanter Punkt. Muss mir das mal an verschiedenen fremden Vorbildern mit solchen "Auftakten" ansehen, wie andere das harmonisch angleichen. Streng gesehen hast Du jedoch recht. Klanglich hat es mich bisher allerdings nicht irritiert. Daher habe ich diese "Auftakt-Achtel" noch nicht an den Bass im Takt, in dem sie wirklich stehen, angepasst.
 
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@Pedall: ich habe die letzten Achtel in Takt 3 und 4 (u.ä.) auf dem unbetonten Beat als inneren "Auftakt" gesehen für die nachfolgende Harmonie (und mich daher eher danach gerichtet). Interessanter Punkt. Muss mir das mal an verschiedenen fremden Vorbildern mit solchen "Auftakten" ansehen, wie andere das harmonisch angleichen.
Es bleibt der Eindruck, daß Dein Baß den "Auftakt" nicht mitbekommen hat. Wie man das eleganter lösen kann, zeigt das Beispiel von @Rheinkultur. Da wird die Auftaktwirkung öfter mal durch eine Zwischendominante unterstrichen.
 
Beim Üben der Regeln des Vierstimmigen Tonsatzes habe ich mir folgende Frage gestellt:

Gibt es Programme, die bei eingegebenen Noten die Tonsatz-/Stimmführungs-Regeln (je nach Vorgabe der Strenge) überprüfen und entsprechende Meldungen ausgeben, also sozusagen eine Korrekturfunktion. Das könnte direkt in einem Notensatz-Programm stattfinden oder nach Export in ein Midi- oder MusicXML-File durch Analyse dieses Files erfolgen.

Diese mühsame Aufgabe schreit doch nach einer Softwarelösung.
Könnt ihr mir hier weiterhelfen?
 
Mir ist kein solches Programm bekannt. Es wäre sicher möglich zu programmieren, aber der Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Es gibt ja nicht den einen, allzeit gültigen vierstimmigen Satz, sondern sehr viele Stile, die man berücksichtigen müsste und die sich in ihren Regeln allemal unterscheiden.

Davon abgesehen, wäre der tatsächliche Nutzen einer solchen Software gering. Ein Satz, der gegen keine Regeln verstößt, kann trotzdem hundsmiserabel schlecht sein - das kann ein Programm aber kaum bewerten. Ein guter Tonsatzlehrer sieht die Mängel mit einem Blick und kann auch Hilfestellung zur Lösung geben. Guter Tonsatz ist weit mehr als das Vermeiden von Parallelen etc.!
 
In "tonica fugata 12.0" von a-capella (nicht sehr ansprechende Trial-Version. midi-Import aus einem Forte 9 Export klappte nicht, daher das einfach Bsp. unten) habe ich eine "Analyse" gefunden. Diese sucht nach offenen und verdeckten Parallelen. Das war es auch schon. Besser als nichts, aber viel zu wenig.

TonicaFugata12.png
 
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Ach ja: Schach könnte man sichert analog lernen und Fritz hätte wahrscheinlich keine Chance, weil das Neuronale Netz Strategien findet, welche über die von Menschen gefundenen Strategien hinausreichen - also die Strategien, die in den Berwertungsfunktionen von Fritz drinstecken, welche durch Schach-Experten und Entwickler dort hinterlegt wurden.

Just 4 Info für Interessierte...

Die Jungs sind schneller als ich dachte, schon hat sich zumindest diese Prophezeiung von mir bewahrheitet:

AlphaGo lernt Schach nur durch Selbstspielen und entdecken - in 4h von "zufällige Züge setzen" zu "schlägt die besten Schach-Engines der Welt 100:0" (gegen die auch schon kein Mensch den Hauch einer Chance hatte).

https://arxiv.org/pdf/1712.01815.pdf


View: https://www.youtube.com/watch?v=lb3_eRNoH_w
 
Danke für diesen hochinteressanten Link. Echt verblüffend in welchem Tempo sich das bewegt. Der Damm ist gebrochen. Nun wird es spannend, auch für die Musik. Die Musik hat den Vorteil, dass das Empfinden für schön nicht leicht messbar ist und auch historischen und kulturellen Schwankungen unterworfen ist. Dennoch wäre so ein "Kompositions- und Textassistent" sehr sehr hilfreich.
 

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