So, alles gelesen.
(Die Geschichte mit den tschetschenischen Flüchtlingen macht einen wirklich fassungslos.)
Ich bin ebenfalls dankbar für diesen Thread, da er zum Nachdenken anregt.
Zur Ursprungsidee: Aus "erster Hand" weiß ich, dass ältere Jugendliche und Erwachsene, die sich nicht mehr in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, manchmal etwas komisch fühlen, wenn sie wie Kleinkinder für Ausflüge oder Aktivitäten rumhampeln sollen, obwohl sie doch gerne lernen oder arbeiten würden. Vor allem unbegleitete Minderjährige, die monatelang extreme Strapazen, wochenlange Fußmärsche und Gewalt erlebt haben, können sich nicht immer für solche Aktionen erwärmen und können dabei auch (noch?) nicht viel Spaß empfinden. (Ich hatte vor einigen Jahren mit minderjährigen Flüchtlingen aus Afghanistan/Irak zu tun.)
Die Idee, es mit Musik zu versuchen, finde ich daher tatsächlich interessant - weil es nicht so sehr um das von außen beschäftigt werden, sondern um das Erkunden des Instruments und der Musik geht.
Heute habe ich in der U-Bahn eine ausländische Familie, womöglich Flüchtlinge*, gesehen, deren kleine Kinder mit so großen, interessierten Augen und mit so viel Freude eine Rolltreppe begutachtet und sehr zaghaft bespielt haben; da würde mich wirklich sehr interessieren, wie diese Kinder auf ein Klavier reagieren würden. Mein Interesse am Thread-Projekt wäre also nicht so uneigennützig, wie viele das bei solchen Motivationen vermuten würden. Generell hat der Helfer sicher immer auch einen Gewinn am Helfen. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass ein solches Unterfangen recht anstrengend werden kann; vor allem, wenn man nicht wie Romeo einen Garten o. ä. als Warteraum hat und über Spielpartner im eigenen Haus verfügt.
Reizvoll fände ich folgendes Szenario: Ein Gnadenbrot-Klavier wird zu einer Flüchtlingseinrichtung gefahren, dort kann man, wie in zahlreichen youtube-Videos in der Fußgängerzone etc., Klavier spielen und wer großes Interesse am Instrument zeigt, kann dann Klavier"unterricht" haben. Aber vermutlich geht das eh nicht, weil Anwohner sich durch das Geklimper gestört fühlen.
Ich persönlich werde mich vermutlich nicht diesbezüglich engagieren, da mir die regelmäßige Zeit dafür fehlt. Einmalige Aktivitäten kämen eher in Frage, und vermutlich auch ohne Instrument und als Klavierlehrer sehe ich mich auch nicht. Ehrlicherweise würde ich einfach gerne in einer Unterbringung vorbeischauen und mir selbst ein Bild machen; es reden immer alle mit, mich eingeschlossen, aber vor Ort sind wenige.
Wenn ich Aussagen wie die von Styx oder Rudl lese, frage ich mich manchmal, wie ich (oder die beiden) es finden würden, wenn ich auf der Flucht wäre, weil hier bei mir Krieg ist und ich in einem Land ankomme und meine Unterbringung angezündet wird oder mir Leute sagen, ich solle doch noch ein paar Monate und Kilometer über das Meer in die USA weiterflüchten (!); oder was ich als Flüchtling während dem 2. Weltkrieg gemacht hätte, wenn ich auf Menschen wie euch getroffen hätte. Unfassbar.
Hier ein schönes Zitat von Farin Urlaub:
"Solange es Leute gibt, die nichts können, nichts wissen und nichts geleistet haben, wird es auch Rassismus geben. Denn auch diese Leute wollen sich gut fühlen und auf irgendwas stolz sein. Also suchen sie sich jemanden aus, der anders ist als sie, und halten sich für besser. Oder sie sind bekloppterweise stolz darauf, deutsch zu sein, wozu keinerlei Leistung ihrerseits nötig war." "Ich habe jegliche Geduld mit diesen Arschgeigen verloren, wenn ich erleben muss, dass hierzulande hilfesuchende Menschen der notdürftige Wohnraum angezündet wird, weil 'die uns ja etwas wegnehmen wollen', dann schäme ich mich dafür, Deutsch zu sein."
Auf dieser Internetseite kann man sich verschiedenen Projekten einfach anschließen, z.B. in München:
http://www.gute-tat.de/helfen/ehrenamtliches-engagement/projekte-muenchen/
Ich bin dort auch Helfer. Aber mittlerweile eher eine Karteileiche.
* Ich gehe davon aus, dass die meisten Kinder Rolltreppen total super finden, wenn sie sie noch nicht kennen und die erste Scheu überwunden haben. Aber diese Faszination dieser beiden Kinder ließ mich einfach schließen, dass die ganze Familie noch nicht allzu oft eine Rolltreppe gesehen hat. Ob sie deshalb Flüchtlinge sein müssen oder schon seit Jahrzehnten im Land wohnen und nur ausnahmsweise aus einem Vorort zu Besuch in der Stadt waren, weiß ich natürlich nicht - ist auch für die weitere Betrachtung egal.