Ich bin echt verblüfft, wie viele Antworten meine zwei Beiträge ausgelöst haben. Und die Vergleiche, die z.B. von "Viva la musica" mit dem Keynotespeaker oder von "Andre73" mit dem Schulung-Consultant erwähnt wurden, haben mich einen Blick in andere Branchen werfen lassen. Sehr interessant! Vielen Dank!
Es gab auch die Beurteilung "schlicht unanständig" von Hasenbein (ich bin übrigens - bitte glauben Sie mir, Herr Hasenbein - überhaupt nicht gekränkt, im Gegenteil: ich lese Ihre originellen Beiträge mit Vergnügen) oder die Vermutung eines "Fakes" (Cheval blanc).
Daher erlaube ich mir an dieser Stelle, von den wirtschaftlichen Begleitumständen meiner Konzerttätigkeit ein wenig zu berichten mit dem Ziel, das vielseitige Erstaunen über meine Gagen mit ganz simplem Vorrechnen in Luft aufzulösen.
Wie schon erwähnt: Extrem entscheidend ist die Reklame, die im Vorfeld des Klavierabends vom Stapel gelassen wird. Da ist mein Manager ein Füllhorn an Ideen. Es gibt viel, viel effektivere Werbung als das teure Plakatieren in einer großen Stadt, noch dazu völlig kostenfrei. Ich zähle hier nicht diese Ideen auf, da ich es vermeiden möchte, dass so mancher schlaue Kopf in diesem Forum dahinterkommt, wer mein Manager ist; in der Folge wäre es nicht weiter schwer, herauszufinden, wer hinter "satiata" steckt - damit wäre meine schöne Anonymität perdu... Und dann müsste ich unter Umständen mit einem Mordsärger rechnen, weil ich Gagengeheimnisse ausgeplaudert habe. Darauf habe ich keine Lust.....
Eine geschickte Werbestrategie muss nicht nur möglichst viele Menschen lediglich erreichen, sondern die Menschen müssen sich angesprochen, im besten Falle wie eingeladen fühlen. Das hat bisher zuverlässig funktioniert, mal gut, mal besser, konkret in Zahlen (die mir die Veranstalter auf meine Frage hin meist bereitwillig nennen): Konzertbesucher meist zwischen 500 und 600, einmal 666 (das weiß ich noch, weil man sich Schnapszahlen leicht merken kann). Wenn also, wie "Cheval blanc" in diesem Blog schreibt, ein Künstler wie Michael Korstick vor gähnend leeren Sitzreihen spielte, so ist das einfach eine Schande! Eine Schande der verbummelten Vorab-Bewerbung für einen solchen Könner, einen solch befähigten Interpreten. Das darf einfach nicht passieren, das ist absolut unprofessionelle Organisation (für die Kollege Korstick natürlich nichts kann, denn das ist nicht sein Job!)
Die Ticketpreise für meine Klavierabende liegen in der Regel zwischen 20 und 50 Euro (womit ich für die Zuhörer kein teurer Pianist bin: man vergleiche bitte mit vielen anderen), im Durchschnitt also so um die 30 Euro.
Hinzu kommt ein Programmheft von meist 16 Seiten in DIN-A-5-Größe; auf jeder zweiten Seite steht eine Anzeige eines Geschäfts / eines Unternehmens / einer Bank aus der Stadt, in der ich auftrete. Diese Anzeigen bringen gut Geld: Abzüglich der Druckkosten dieses Programmheftes kommt allein damit schon ein Gewinn von mindestens 3000 Euro zustande.
Allein diese beiden Posten, also 500 bis 600 Konzerttickets zu durchschnittlich 30 Euro = 15.000 bis 18.000 Euro
plus das Programmheft, addieren sich auf +/- 20.000 Euro. Hinzu kommen oft noch Sponsoren, derer mehrere ein Konzertveranstalter in aller Regel zur Hand hat. Über welche Zahlen es sich dabei allerdings handelt, habe ich nicht die leiseste Ahnung. Vielleicht fließen auch keine Sponsorengelder, wenn das Konzert sich finanziell eigenständig trägt.
So, das ist die Haben-Seite. Nun zur Soll-Seite:
Saalmiete (freilich sehr unterschiedlich von Saal zu Saal), Flügelstimmung, Versicherungen, Garderobenhelfer, Reklame etc. etc.... alles zusammen meist etwas mehr als 6000 Euro.
Meine Gage incl. Mehrwertsteuer + Fahrtkosten + 2 Hotelübernachtungen: etwas weniger als 6000 Euro.
Zusammen also rund 12.000 Euro (können auch mal 13.000 Euro sein, je nach Saalmiete). Das sind die Gesamtkosten eines Klavierabends mit mir.
Sie sehen also: Der Veranstalter kann den größeren Gewinn machen. Dafür trägt er auch das Risiko, dass die Rechnung trotz professionellster Vorab-Bemühungen mal nicht aufgeht. Wenn das Konzert aber gut besucht ist, trägt er mühelos das Doppelte von meinen 3.600 brutto heim. Das finde ich auch völlig okay, trage ich doch an einem Konzertabend kein finanzielles Risiko, dafür das künstlerische - aber dieses kann man nun mal nicht in Zahlen ausdrücken.
Das ist das Ziel des "Miteinander" von Publikum, Musiker, Manager und Veranstalter: Alle sollen am Ende zufrieden sein. Ein wunderbares Beispiel einer solchen Win-win-Situation für alle Beteiligten gab in diesem Blog "hyp408" mit seinem köstlichen Bericht aus seiner Studienzeit. Großartig!
Angebote für Tourneen durch deutsche Städte, wie ich sie früher mehrfach hatte, erlebe ich schon seit Jahren nicht mehr. Die Tourneeangebote, die ich in den letzten Jahren erhielt, kamen allesamt aus Ostasien. Dort (v. a. in China) sind die Konzertsäle in den meisten Fällen für eine viel zahlreichere Zuhörerschaft gebaut. Ich konnte es von der Bühne immer nur abschätzen: aber im Vergleich mit dem Bild von 500 - 600 Zuhörern in Deutschland sah es immer nach deutlich mehr Publikum aus. Was mich überrascht hatte, waren die Eintrittspreise: Die hinteren Plätze kosteten überall zwar nur 100 CNY (12-13 Euro), aber die besten Plätze waren unglaublich teuer - ich habe vergessen, wie viel genau, aber ich war fast erschrocken und fragte mich, wer so viel Geld zahlen würde. Am Abend sah ich von der Bühne diese teuren Plätze samt und sonders besetzt! Vielleicht gehört in Ostasien das Herunterhandeln von Preisen zum Alltag, ich weiß es nicht. Aber ich weiß, oder besser gesagt: ich ahne, dass für den chinesischen oder den koreanischen Veranstalter meine übliche Gage ein eher untergeordneter Posten gewesen sein dürfte.....
So, ich hoffe, dass nun niemand mehr erstaunt sein muss. Für mich selber wäre es ein hässliches Gefühl, wenn ich wüsste, jemand muss drauflegen, wenn ich einen Klavierabend gebe. Auch der Gedanke, meine Gage wäre nur dank der Subventionierung durch die öffentliche Hand bezahlbar, würde sich nicht besser anfühlen.
satiata