Guten Abend!
Wie ich herauslese, wird viel spekuliert über dieses Thema "Wieviel verdient ein Pianist (Klassik)".
Das liegt natürlich am überall geltenden Gagengeheimnis.
Da man aber in diesem Forum anonym bleiben kann, erlaube ich mir, meine eigene finanzielle Situation zu schildern.
Ich bin Berufspianist (klassische Musik), bin mit Sicherheit nicht das, was man "berühmt" nennt, habe keinen "großen Namen", geschweige denn einen international bekannten. Daher denke ich, dass meine Zahlen einigermaßen repräsentativ sind.
Ich spreche hier allerdings nicht vom Klavierspielen als Liebhaberei, sondern vom Beruf des Pianisten, der studiert hat und seinen Beruf professionell betreibt.
Mein Manager handelt pro Klavierabend / Klavierkonzert 4.500 Euro zuzügl. MWSt. aus. Davon zahle ich an ihn 20% + MWSt. , verbleiben also 3600 Euro vor Steuer. In den aktivsten Jahren vermittelte er mir 40 bis 50 Auftritte pro Jahr, einmal sogar knapp 70. Da ich außerdem eine Professur an einer deutschen Musikhochschule bekleide, ging ich am Ende solcher Jahre auf dem Zahnfleisch. Wir einigten uns daher auf 25 bis maximal 30 Auftritte im Jahr. Im Durchschnitt der letzten Jahre (die Corona-Jahre 2020 und 2021 freilich ausgenommen) waren es 22 Konzerte pro Jahr.
Das klingt neben einer Professur immer noch nach ziemlich viel, ist aber bequem zu leisten, da ich in den ganzen vergangenen Jahren meistens 18 Klavierabende auf zwei Tourneen zu je +/- 9 Konzerten spielte. (Auf den Tourneen trage ich jeden Abend das selbe Programm vor). Jede Tournee dauerte 3 , manchmal 3 1/2 Wochen: Diese befinden sich in der vorlesungsfreien Zeit, lösen also kein kompliziertes Unterricht-Verschieben aus. (Das habe ich bei meinem Manager zur Bedingung gemacht nach der Erfahrung von drei Tourneen in der Vorlesungszeit. Das ist schon viele, viele Jahre her, aber diesen grauenhaften Organisationsaufwand werde ich nie vergessen....). Zusätzlich zu den zwei Tourneen spiele ich jährlich nur noch zwischen 2 und 6 einzelne Klavierabende / Klavierkonzerte.
Jedes Jahr produziere ich eine neue CD, und zwar mit dem Programm für die neue Saison. Denn die Zuhörer kaufen am liebsten eine CD mit den soeben im Konzert gehörten Kompositionen. Im Durchschnitt der letzten Jahre verkauften sich 90 CDs nach jedem Abend. Ich verkaufe für 15 Euro pro Stück. (Mengenrabatt zähle ich jetzt nicht auf, sonst wird die Rechnung hier zu detailliert). Da ich mir in meinem Haus ein eigenes Aufnahmestudio eingerichtet habe, reduzieren sich die Gesamt-Produktionskosten stark. Und da ich mein eigener Produzent mit eigenem "Privat-Label" bin, fällt der Vorsteuergewinn auch allein mir zu = +/- 25.000 Euro pro Jahr.
Das sind meine Einkommensquellen, und so dürfte es sich meiner Vorstellung nach bei allen anderen Berufspianist:Innen ebenso abspielen: Konzerte + CDs; oder Professur + (demzufolge aus Zeitgründen deutlich weniger) Konzerte + CDs.
In meinem Fall addieren sich die drei Posten auf +/- 200.000 Euro im Jahr. Ich habe so manche/n Kollegin/en an der Musikhochschule mit großem, ein paar wenige sogar mit internationalem Namen. Wir sprechen niemals über Geld, aber ich denke, dass diese großen Künstler/innen viel leichter zu managen sind als jemand Durchschnittlicher wie ich und demzufolge natürlich Gagen in einer ganz anderen Größenordnung ausgehandelt werden.
Nun gibt es zahlreiche Pianistinnen und Pianisten, die zwar ganz hervorragend spielen und vollkommen bühnentauglich und professionell auftreten können / könnten, aber kein Management haben, sondern diese Arbeit selber zu leisten versuchen, eine Arbeit, die so viel Kräfte und Zeit und Konzentration kostet (allein schon all die wichtigen Kontakte selber ausfindig machen und dann auch noch gewinnbringend knüpfen zu müssen, und und und....). Wer nicht zufällig die seltene Doppelbegabung des Künstlers + des Selbstmanagements besitzt, wird in der Regel diesen Kraftaufwand der "doppelten Berufstätigkeit" nicht lange durchhalten, oder wegen zu weniger Engagements davon vermutlich kaum leben können. Das sind zumindest meine Beobachtungen. Ich würde mich freuen, wenn mich jemand über den letzten Punkt eines Besseren belehrt.
Ich hoffe, ich konnte die "neugierige Frage", wie es ganz oben über diesem Blog so nett formuliert steht, ein wenig befriedigen, auch wenn ich vielleicht allzu ausführlich wurde.
satiata