historische Fluegel u. Franzoesische Pianisten

Lieber Destenay,

das ist wirklich ein sehr interessanter Faden!!! Danke!

Ich habe ja, wie ihr schon wisst, nie auf solch einem alten, gut restaurierten Erard oder Pleyel gespielt. Deswegen bin ich vorwiegend neugierig.

Bei den Aufnahmen geht es mir so, dass mir manche sehr, manche gar nicht gefallen. Mir gefällt sehr gut das Nocturne von M. Boegner, auch der Mozart auf dem Pleyel. Während ich den Klang des Pleyels bei Chopins Cellosonate gar nicht mag, auch nicht Chaimovichs Nocturne auf dem Erard.

Sehr gefällt mir dagegen der Anfang von folgendem Video:

http://www.youtube.com/watch?v=EN7LbF7DHb8&feature=related

Was ein Klang!

Diese Unterschiedlichkeit gibt es aber doch auch bei heutigen Flügeln. Ich finde gar nicht, dass es da einen Einheitsbrei gibt. Da gibt es doch dermaßene Unterschiede - auf was für Instrumenten ich schon im Lauf meines Lebens spielen musste....! Klar, ich weiß, was ihr meint. In den großen Konzertsälen, in denen ich nun mal nicht spiele :p, stehen hauptsächlich Steinways. Und solch einen Klang, wie oben im von mir verlinkten Video zu hören ist, gibt es auf einem Steinway nicht.

Aber unzählige andere! Seitdem ich meinen B-Steinway habe, bin ich damit beschäftigt, all die millionenfachen Nuancen auszuprobieren, zu hören, zu erfahren. Wenn ich mal alle gespielt habe, lade ich das ganze Forum ein auf eine Reise in die Karibik! :D

Von Einheitsbrei kann ich da nichts entdecken, im Gegenteil finde ich, dass ein solcher Flügel große Herausforderungen an den Spieler stellt. Bei schlechten Spielern klingt der auch schlecht.

Insofern ist ein Steinway und ähnliche moderne Instrumente doch eine absolute Klangerweiterung, allerdings auf Kosten des typischen "ursprünglichen" Klangs. Man kann leider nicht alles haben.

Deshalb bin ich froh, dass es diese ursprünglichen Instrumente gibt und hoffe, dass ich irgendwann mal auf einem spielen kann!

Liebe Grüße

chiarina

P.S.: Auf einem Clavichord und Hammerflügel habe ich ab und zu gespielt. Nicht im Konzert :p !Das ist wirklich faszinierend - man muss ganz anders spielen. Da bräuchte ich ein ganzes Leben, um das gut zu lernen. Aber der Klang ist wunderschön!
 
Guten Abend!

Ich äußere mich nur ungern, wenn mir Kenntnisse fehlen -
in diesem Fall instrumentenkundliche und -bautechnische.
Aber ich möchte etwas zur Diskussion beitragen, aus dem einfachen Grund,
weil es bisher unerwähnt geblieben ist: die Musik selbst.

Zunächst ein kleiner Seitenhieb, den mir Destenay hoffentlich verzeihen wird.
Immerhin hat er mich hier schon als eine Art gußeisernen Dogmatiker hingestellt.
Es entbehrt nicht der Ironie, daß Du, lieber Destenay, Treue zum Notentext
als entbehrlich empfindest, in der Wertschätzung der originalen Musikinstrumente
aber ganz puristisch wirkst. Wie reimt sich das zusammen? Man darf Mozart
zwar mit Unterarmclustern spielen, aber - bitteschön - nur auf einem alten Clavichord?

Jetzt zum ernsten Teil meiner Ausführungen. Die hier stattfindende
Beschäftigung mit historischen Flügeln wirkt auf mich sehr abstrakt.
Sinnvoll wird sie doch erst im Hinblick auf die an ihnen entstandenen Werke
bestimmter Komponisten - oder?

Nehmen wir Faurés und Ravels Lieblingsinstrument: den Erard.
Dazu ein Bericht über die Pianistin Gwendolyn Mok:

Mok understands that the instrument a composer plays is part
and parcel of the music he or she creates
. A specialist in the piano music
of Maurice Ravel, Mok never quite got Ravel until 1994 when she visited
the late composer’s house outside Paris and had a chance to play
his French-built Erard grand piano, sitting forlornly in a dusty parlor corner.
She began to play his “Alborada del gracioso” and “just freaked out,”
she says, because the instrument, built in 1909, sounded almost guitar-like
— and Ravel’s piece, a real finger buster, is supposed to conjure
the sound of a Spanish guitar. The Erard produces a range of colors
and a clarity of tone, to each note, that she never had encountered on a modern instrument.

“I realized,” Mok says, “that the composer had the sound of the instrument in his ears..."

Zu dem Instrument gibt es übrigens widersprüchliche Angaben.
Benjamin Ivry schreibt in "Maurice Ravel. A Life":

Ravel always referred to 1820 as his ideal historical period,
and he would later own an Erard piano made in that year, with a dry,
hard tone that doubtless influenced the works he wrote on it
.

Aber beide stimmen überein, daß der Klangcharakter des Instruments
das Komponieren beeinflußt hat. Ausführlichere Angaben gibt es zu Debussy,
seinem Instrument wie zu seinem darauf erfolgenden Spiel eigener Werke:

Debussy composed at a Pleyel upright and concertized on an Erard grand,
but often with the top closed., According to Loius Laloy he made use
of a „delicate touch“ and maintained a „fluid transparency“.
Debussy did not believe in imposing his own fingerings,
since he recognized that each pianist's hand differed.

Debussy purchased a Blüthner grand piano in 1904, the tone of which particularly
pleased him, according to Dolly Bardac, Debussy's stepdaughter.
This piano survives in the Musée Labenche in Brive-la-Gaillard.
It is characterized especially by addional unstruck strings,
positioned from g' upwards to the top of the piano range.
Forming unisions with their struck equivalents, they vibrate sympathetically
and reinforce the higher harmonies.

Roland Jackson: „Performance Practice“

Zu Debussys Spielweise ein Bericht des franko-amerikanischen Pianisten
E.Robert Schmitz, abgedruckt unter dem Titel "A Plea for the real Debussy",
erschienen in "The Etude", 1937, mir nur in deutscher Übersetzung zugänglich:

Debussy betrachtete das Klavier so wie balinesische Musiker ihr Gamelan-Orchester.
Er interessierte sich nicht so sehr für den einzelnen Ton, den man klar beim Anschlag vernahm,
sondern vielmehr für den Resonanzbogen, den ein Ton um sich herum errichtet.
Viele seiner Stücke bauen vollständig auf dieser klavierakustischen Besonderheit auf.
Schlecht gespielt, ohne Rücksicht auf den zarten, fast unhörbaren Hintergrund der Obertöne,
wirkt die Musik wie ein großes Skelett.

Mit Hilfe von starkem überschwenglichen Pedalgebrauch läßt sich dieses Manko nicht ausgleichen.
[...] Man muß einfach lernen, die Musik so zu spielen, wie Debussy selbst es getan hat:
jeden Ton wie eine Glocke anzuschlagen und der jeden Ton umschwirrenden
Gruppe von mitschwingenden Ober- und Untertönen nachzulauschen.

Ich plädiere gar nicht dafür, Fauré, Ravel oder Debussy nur auf alten Instrumenten zu spielen.
Aber wer Musik der genannten Herren auf einem modernen Steinway spielt,
sollte sich der Differenzen bewußt sein und sie in seinem Spiel hörbar zu machen -
sich darüberhinaus der Tatsache bewußt sein, daß ein Großteil der französischen Klaviermusik
des späten 19. und frühen 20.Jahrhunderts für den Vortrag in Salons konzipiert war,
also für einen intimeren Rahmen - und nicht für die Carnegie-Hall.

Gruß, Gomez

.
 
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Lieber Destenay,

das ist wirklich ein sehr interessanter Faden!!! Danke!

Ich habe ja, wie ihr schon wisst, nie auf solch einem alten, gut restaurierten Erard oder Pleyel gespielt. Deswegen bin ich vorwiegend neugierig.

Bei den Aufnahmen geht es mir so, dass mir manche sehr, manche gar nicht gefallen. Mir gefällt sehr gut das Nocturne von M. Boegner, auch der Mozart auf dem Pleyel. Während ich den Klang des Pleyels bei Chopins Cellosonate gar nicht mag, auch nicht Chaimovichs Nocturne auf dem Erard.

Sehr gefällt mir dagegen der Anfang von folgendem Video:

http://www.youtube.com/watch?v=EN7LbF7DHb8&feature=related

Was ein Klang!

Diese Unterschiedlichkeit gibt es aber doch auch bei heutigen Flügeln. Ich finde gar nicht, dass es da einen Einheitsbrei gibt. Da gibt es doch dermaßene Unterschiede - auf was für Instrumenten ich schon im Lauf meines Lebens spielen musste....! Klar, ich weiß, was ihr meint. In den großen Konzertsälen, in denen ich nun mal nicht spiele :p, stehen hauptsächlich Steinways. Und solch einen Klang, wie oben im von mir verlinkten Video zu hören ist, gibt es auf einem Steinway nicht.

Aber unzählige andere! Seitdem ich meinen B-Steinway habe, bin ich damit beschäftigt, all die millionenfachen Nuancen auszuprobieren, zu hören, zu erfahren. Wenn ich mal alle gespielt habe, lade ich das ganze Forum ein auf eine Reise in die Karibik! :D

Von Einheitsbrei kann ich da nichts entdecken, im Gegenteil finde ich, dass ein solcher Flügel große Herausforderungen an den Spieler stellt. Bei schlechten Spielern klingt der auch schlecht.

Insofern ist ein Steinway und ähnliche moderne Instrumente doch eine absolute Klangerweiterung, allerdings auf Kosten des typischen "ursprünglichen" Klangs. Man kann leider nicht alles haben.

Deshalb bin ich froh, dass es diese ursprünglichen Instrumente gibt und hoffe, dass ich irgendwann mal auf einem spielen kann!

Liebe Grüße

chiarina

P.S.: Auf einem Clavichord und Hammerflügel habe ich ab und zu gespielt. Nicht im Konzert :p !Das ist wirklich faszinierend - man muss ganz anders spielen. Da bräuchte ich ein ganzes Leben, um das gut zu lernen. Aber der Klang ist wunderschön!

Liebe Chiarina,

ich habe wie Du vielleicht gemerkt hast " bewusst " verschiedene Aufnahmen gewaehlt, eines wuerde mich interessieren was gefaellt Dir nicht an Chaimovischs Nocturnes ? Der Klang des Pleyel bei der Cellosonate ist Geschmackssache gebe ich zu , gewohnheitsbeduerftig
Dein Tip wollte ich auch nehmen, dachte das Franzoesisch verstehen wahrscheinlich nicht alle .

Cordialement
Destenay
 
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Als kleine Gehässigkeit am Rande - hier noch eine Geschichte
für alle, denen Treue zum Notentext als überflüssige Pedanterie erscheint.

Marguerite Long erzählt sie in dem Bericht "At the Piano with Debussy"
(London 1972):

Einmal kam ein Pianist zu ihm und spielte mehrere seiner Stücke vor.
Mitten in einer Passage brach er plötzlich ab und sagte. "Maestro,
ich bin der Meinung, daß dies 'frei' gespielt werden müßte.
Die Erzählung dieses Vorfalls schloß Debussy ab mit der Bemerkung:
"Es gibt diejenigen, die Musik schreiben, und diejenigen, die sie verlegen,
und dann gibt es noch diesen Herrn, der nur macht, was ihm paßt."

Ich fragte ihn, was er damals denn geantwortet habe. Er sagte verächtlich:
"Oh nichts. Ich schaute bloß auf den Teppich, aber er wird ihn niemals wieder
betreten."
 
...super Stichwort... :D
der Salon, für den Gaspard de la Nuit oder feu d´artifice komponiert wurden (um nur je ein Opus von R. und D. aus Frankreich zu nennen), wird die Größe einer Halle brauchen und das entsprechende Instrument...
...auch die flirrenden Obertönchen bei etlichen rasantesten Passagen von Debussy... also so schnell bimmeln keine Glöckchen!
Die Musik ernst nehmen - da bin ich immer dafür, besonders bei Klaviermusik. Und ob diese von Chopin bis Ravel einzig für schwächliche, leise, gitarren- oder harfenartige und obendrein betagte Instrumente komponiert war, daran habe ich mit Blick in die Noten ganz erhebliche Zweifel (die ich jetzt nicht zum fünften mal wiederholen will). Genährt werden diese Zweifel u.a. auch von Aufnahmen einiger Komponisten selber, welche für diese ganz und gar keine altersschwachen Klapperkisten gewählt hatten. Zudem ist aufschlußreich, sich die Ähnlichkeiten des Klaviersatzes von Debussy und Ravel mit dem von Liszt anzuschauen.
...wenn das so weitergeht, wird noch propagiert, man möge Strawinskis Petrouchka auf dem Spinett... ... ;) :D
 

ich muss diese prima Stichwort nochmal aufgrifen, als Motto qausi:

die gelegentlich angedeutete Annahme, dass sanftere (leisere, langsamere, leichtere und mittlere) Klaviermusik für andere Instrumente komponiert sei, als die virtuosen Klaviersachen... sowas ist indiskutabel (Nachweis: wer wollte erklären, gar beweisen, dass Chopins op.25 wechselweise auf verschiedenen Klavieren gespielt werden sollte, z.B. Nr.7 auf einem sanften leisen ehrwürdigen, Nr.10 hingegen auf einem bösen modernen...) :D:D
 
Lieber Rolf,

...wenn das so weitergeht, wird noch propagiert, man möge Strawinskis Petrouchka auf dem Spinett...

"Petruschka" wird darunter weniger leiden als das arme Spinett.

Im Übrigen hilft wieder einmal Dein anderen gern erteilter Rat (Lesen, Vorteil etc.).
Ich sprach dezidiert nicht davon, Fauré, Ravel und Debussy auf den alten Kästen
spielen zu müssen. Ich sprach davon, sich der von einer spezifischen Klanglichkeit
geprägten Vorstellungen Faurés, Ravels und Debussys bewußt zu sein,
sich über bestimmte, von ihnen überlieferte Spielweisen Rechenschaft abzulegen -
und all das in seinem Spiel auf einem ganz anders gearteten Instrument zu berücksichtigen.
Ist das in Deinen Augen (oder Ohren) schon grundfalsch?

Ferner bedienst Du Dich in Deiner Replik zwar keines rhetorischen Tricks,
dafür aber des bei Dir nun schon häufiger anzutreffenden Versuchs,
Regeln durch Erwähnung von Ausnahmen außer Kraft zu setzen.
Kraftmeiereien à la "Scarbo" und "Feu d'artifice" sind nur eine Facette
im Schaffen Ravels und Debussys - keineswegs die dominierende.
Und auch die Lärmentfaltung ihrer wilderen Stücke dürfte Ravel und Debussy
oder Künstlern wie Ricardo Vines gefallen haben - dann konnten die eitlen
Damen und Herren in den Salons nicht mehr weiterschwafeln, sondern mußten -
endlich einmal! - zuhören.

Herzliche Grüße,

Gomez
 
Und auch die Lärmentfaltung ihrer wilderen Stücke dürfte Ravel und Debussy
oder Künstlern wie Ricardo Vines gefallen haben - dann konnten die eitlen
Damen und Herren in den Salons nicht mehr weiterschwafeln, sondern mußten -
endlich einmal! - zuhören.

...ein erheiternder Aspekt :D:D:D:D

nebenbei: ist die Ondine auch Kraftmeierei?

schön, dass wir uns einig sind, dass D. und R.für keine untauglichen Klaviere Klaviermusik komponiert hatten.
 
Ich sprach davon, sich der von einer spezifischen Klanglichkeit
geprägten Vorstellungen Faurés, Ravels und Debussys bewußt zu sein,
sich über bestimmte, von ihnen überlieferte Spielweisen Rechenschaft abzulegen -
und all das in seinem Spiel auf einem ganz anders gearteten Instrument zu berücksichtigen.
Ist das in Deinen Augen (oder Ohren) schon grundfalsch?

absolut nicht falsch, solange klar ist, dass das Instrument zur Realisierung nichts anderes als ein dafür tauglicher (moderner) Flügel ist (((schreibt Debussy nicht oft genug das 3. Pedal vor??? tut er - und warum? erraten!!)))
 
Nebenbei: Ist die Ondine auch Kraftmeierei?

Natürlich nicht, aber es gibt ein paar Abschnitte,
die das Kraftmeierische streifen - leider, ich wünschte,
Ravel hätte die Kraft gehabt, auf sie zu verzichten.

Dasselbe gilt für "Oiseaux tristes" - ein unfaßbar schönes Stück -,
und auch die Kadenz in den "Jeux d'eau" ist für mich nicht gerade
der Abschnitt, um dessentwillen ich das Stück liebe.

Ansonsten empfinden wir wohl gleich - daß die "Ondine"
eines der Klavier-Poèmes schlechthin ist. Das Alprazolam wirkt,
ich nehme "Ondine" jetzt in Gedanken mit als Einschlafmusik.

Guts Nächtle!

Gomez

.
 
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Destenay, erstmal vielen, vielen Dank auch von mir, dass du uns die historischen Kostbarkeiten in Bildern und Tonlinks vorstellst!!!

Gut erhaltene 100jährige Flügel mit Wiener Mechanik klingen oft besser und "gesanglicher" als heutige Instrumente gleicher Größe. Von der Wiener Mechanik abgesehen haben sie aber bereits das moderne Konstruktionsprinzip. Da frage ich mich immer: Wie kommt es, dass diese Instrumente so viel schöner klingen? Sind sie einfach mit mehr Sorgfalt gebaut worden? Hat man sich bei der Auswahl der Materialien mehr Zeit gelassen? Ist das Wissen über guten Klavierbau zum Teil schon verloren gegangen?

Meine Privattheorie ist, dass alte Resonanzböden freier schwingen können als neue, weil das Harz herausgebröselt ist und dadurch das Holz leichter geworden ist und besser schwingen kann, also ähnlicher Effekt wie bei anderen alten Holzinstrumenten. Möglicherweise ergibt sich dadurch - von perfekter Holzauswahl und Konstruktionsdingen ganz abgesehen - der hörbare Effekt, dass die Töne bei alten Flügel so wunderbar lange ausklingen können, wodurch es "gesanglicher" klingt?

...Repetitionsmechanik, doppelte Auslösung, gußeiserner Rahmen, große Stückzahlen - da steckt wohl mehr industrielle Revolution dahinter als unterschiedliche romantische Klangvorstellungen... Und bzgl. des Klavierklangs sind sich die Romantiker gar nicht so furchtbar unähnlich! Weder in den zarten, noch in den monumentalen Stücken (und jeder davon hat solche geschaffen). Muss ich die Entstehungszeit von 2 mal 12 Etüden, symphonischen Etüden, Berlioztranskription wirklich nochmal erwähnen und gar erklären, was die Sachen von Instrument und Spieler verlangen?? 1820-50 war im Klavierbau deshalb so bunt, weil zahlreiche Hersteller dynamisch und mechanisch immer bessere Instrumente bauen wollten (das verlangte vermutlich "der Markt")

... aber lästigerweise haben besagte Etüden den Vorteil, als revolutionär in Sachen Klavierspiel betrachtet zu werden - und den Nachteil, dass sie nicht zu allen Instrumenten passen... hm... ein wunderliches Dilemma: wie konnte der Frederic nur auf die Idee kommen, solche Teufelsstücke (und spätere andere noch schlimmere) zu schreiben?

Ich frage mich die ganze Zeit, warum denn die Chopin-Etüden auf einem alten Pleyel-Flügel nicht auch wunderbar klingen können - vielleicht sogar noch schöner? Zum einen gibt es sowieso dermaßen lyrische Stücke wie z.B. 10/3 oder 25/1 oder alle Nouvelle Etudes. Zum anderen ist es ja eine Eigenheit dieser Flügel, dass sie sehr leichtgängig sind. Wenn ich dazu die von vielen als übertrieben angesehenen Tempoangaben der Etüden von Chopin betrachte, die vielleicht auf dieser leichtgängigen Tastatur mglw. einfacher zu realisieren ist (auch ohne Repetitionsmechanik)-
also ich würde SEHR gerne mal die Etüden gespielt hören auf so einem Pleyel-Flügel.
Die Chancen stehen gut, dass die Chopin-Etüden,, auf so einem Pleyel-Flügel gespielt, eine gern gehörte Alternative wären als auf einem modernen Konzertflügel gespielt.
 
Und ob diese von Chopin bis Ravel einzig für schwächliche, leise, gitarren- oder harfenartige und obendrein betagte Instrumente komponiert war, daran habe ich mit Blick in die Noten ganz erhebliche Zweifel (die ich jetzt nicht zum fünften mal wiederholen will). Genährt werden diese Zweifel u.a. auch von Aufnahmen einiger Komponisten selber, welche für diese ganz und gar keine altersschwachen Klapperkisten gewählt hatten.
Da habe ich auch so meine Zweifel! Es ist eine Schande, solche Musik auf altersschwachen Klapperkisten zu spielen. Was Destaney hier vorgestellt hat, ist aber was anderes. Es ist der neueste Schrei von 1836. Ein kleines Flügerl mit 6,5 Oktaven. Ich glaube nicht, dass Ravel damit was komponiert hat - höchsten im Fasching. Steven Jobs läuft heute auch nicht mit einem Apple2 herum und schwört darauf, dass er seine Produkte darauf entwickelt hat. :D ...wobei wie kams zum iPhone?:rolleyes:

Um diese Dinge (historische Aufführungspraxis) im Kontext zu sehen (zu hören) bedarf es sehr viel Einfühlungsvermögen und eine gehörige Portion Differenziertheit. Natürlich ist auf dem Pleyel Flügel von 1836 ein Beethoven oder Schubert wesentlich authentischer vorzutragen als auf einem Steinway D von 2010 - und natürlich auch ein Chopin! - einfach auf Grund der zeitlichen Nähe - vorausgesetzt natürlich, er ist gut in Schuss bzw. ein Nachbau mit viel Wissen in der Materie erstellt.

LG
Michael
 
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[...] was klavierbaufachliches bzgl. 1830-50 (Chopin uns so) :D:D

Auf der Internetseite pian-e-forte.de findet man einiges über die Geschichte des Klavierbaues. Auch über die Zeit zwischen 1830 und 1850, allerdings sehr wenig.

  • 1821: Sebastian Erard → Repetitionsmechanik
  • 1823: Tonumfang erstmals 85 Töne von A2 bis a''''
  • 1825: A. Babcock → Eisenrahmen für Tafelklaviere
  • 1826: Pape → Filz für die Hammerköpfe
    Wornum → verbesserte Mechanik für upright piano
  • 1829: Rawler → Klavier mit Unterdämpfung
    „„„„„„„„„„„„„„„„„„„„„„„„
  • 1834: Webster → Gußstahldraht
  • 1840: Henri Herz verbessert noch einmal die Flügelmechanik
  • Bis ca. 1850 zählt man im Klavierbau bereits mehr als tausend Patente.

1833 veröffentlicht Frédéric Chopin als sein Opus 10 den ersten Band seiner Etüden (s. unter Noten). Ludwig Rellstab urteilt, »... daß, wer verrenkte Finger hat, sie an diesen Etüden vielleicht wieder ins Gerade bringt, wer nicht, sich aber sehr davor hüten und sie nicht spielen muß, ohne Herrn von Gräfe oder Diefenbach in der Nähe zu haben«. Gräfe und Diefenbach sind zwei Berliner Ärzte, »die überhaupt, wenn diese Art Klavierspiel in Mode kommt, als Assistenten berühmter Klavierlehrer vielleicht eine ganz neue Praxis bekommen könnten.«
In den Jahren 1838 bis 1847 gibt Franz Liszt etwa dreitausend Konzerte in Europa. Er füllt die Säle wie nie ein einzelner Musiker vor ihm und erspielt sich ein Vermögen. »Ich bin in Mode... In 24 Stunden sind fünfzig Exemplare meines Porträts verkauft worden«, schreibt er an Marie d’Agoult. Der Starkult ist ohne weiteres mit dem vergleichbar, den Popmusiker im 20. Jahrhundert auslösen: Auch bei Liszts Konzerten fallen begeisterte Damen bisweilen in Ohnmacht.
Das bedeutet für mich, dass es auch zu dieser Zeit mit den vorhandenen Instrumenten möglich war, zu musizieren. Allerdings gab es auch Beschwerden bezüglich der Haltbarkeit der Instrumente.
Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Bechstein:
Bülow hatte sich immer wieder – auch gegenüber seinem ehemaligen Lehrer Franz Liszt – über die Qualität der damals gebauten Flügel beschwert. Nicht selten kam es vor, dass die herkömmlichen Instrumente den Anforderungen der romantischen Klaviermusik und der damit einhergehenden Anschlagskultur von Pianisten wie Bülow oder Liszt nicht gewachsen waren. Das Material ermüdete zu schnell oder ging im Wortsinn in die Brüche. Bechstein baute einen Konzertflügel, der von Bülow am 22. Januar 1857 mit der Klaviersonate in h-Moll von Franz Liszt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Der Auftritt war eine Sensation; schnell war das Instrument verkauft.

@rolf: Was meinst Du mit modernen Flügeln, ab welcher Bauweise oder Bauzeit gelten sie als modern?

Grüße
Thomas
 
Hallo Thomas,

Diese Jahreszahlen sind etwas mit Vorsicht zu bewerten. Das Giraffenklavier von Bernhard ist von 1820 und geht von C2 bis c''''' :p - hat also schon volle 7 Oktaven. Auch muss man sagen, dass eine Erfindung bis zu dem Zeitpunkt wo sie allgemeinen Einzug hielt sicher viel länger dauerte als heute.
giraffe.jpg


LG
Michael
 
interessant auch die Tonumfänge (höchster-tiefster notierter Ton):
Beethoven op.57, op.111
Chopin op.10, op.49
Liszt Berlioztranskr. Normaremin. Sonate

ob bei etwas weniger Tastentiefgang und ggf etwas leichterer Klaviatur sich Berlioztranskr. und Chopinetüden angenehmer spielen, ist fraglich, ebenso wie das bei weniger verläßlicher Repetitionsfähigkeit des Instruments ist.
 
interessant auch die Tonumfänge (höchster-tiefster notierter Ton):
Beethoven op.57, op.111
Chopin op.10, op.49
Liszt Berlioztranskr. Normaremin. Sonate
Öhm - hab grad die Partituren nicht beider Hand...
Was sind denn da die tiefsten und höchsten Töne?

Bei Mozart weiß ich, dass er sein dreigestrichenes f besonders oft verwendete. :D

LG
Michael
 
Als kleine Gehässigkeit am Rande - hier noch eine Geschichte
für alle, denen Treue zum Notentext als überflüssige Pedanterie erscheint.

Marguerite Long erzählt sie in dem Bericht "At the Piano with Debussy"
(London 1972):

Da kann ich nur sagen , was fuer ein Trottel von einem Pianisten, er sass doch an der Quelle . Es waehre interessant was der Pianist sich dabei dachte an einem Meisterkurs haette man darueber diskutiert
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Als kleine Gehässigkeit am Rande - hier noch eine Geschichte
für alle, denen Treue zum Notentext als überflüssige Pedanterie erscheint.

Marguerite Long erzählt sie in dem Bericht "At the Piano with Debussy"
(London 1972):

Da kann ich nur sagen , was fuer ein Trottel von einem Pianisten, er sass doch an der Quelle . Es waehre aber, interessant zu Wissen was der Pianist sich dabei dachte. In einem Meisterkurs haette man darueber diskutiert.
 

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