@ Fips - Die Wiener Flügel haben vorne einen schwebenden Resonanzboden und keinen Damm an dem der Resonanzboden begrenzt wird. Der Boden verhält sich anders und die Charakteristik ändert sich dahin gehend, dass solche Flügel oft sehr lange ausklingen, und besonders im Pianobereich sehr ausgeprägt und auffallend. Der Farbenreichtum wie Du ihn beschreibst kommt durch das Leder am Hammerkopf. Man muss aber anders anschlagen um ihn zur Entfaltung zu verhelfen.
Danke für deine Erklärung. Gilt das für alle Wiener Flügel, also auch für Instrumente, die schon einen Gussrahmen haben? Anders gefragt: Bringt das die Bauart der Wiener Mechanik mit sich?
Bei meinem Produktiv-Genossenschaft-Flügel (Bj. 1906) kann ich zumindest das mit dem langen Ausklingen bestätigen.
Hast Du gesehen, als MP3 Download deutlich billiger, 14 €.
Ja, hab ich gesehen. Danke für den Hinweis. Ich mag diese MP3-Downloads nicht, weil ich gerne auch bei Tonträgern reale Substanz kaufe. ;)
Ich bitte Dich und Micha darum, noch mal darüber nachzudenken, was für Klaviermusik Claude Debussy komponiert hat und welche Instrumente.
Vielleicht muss man wirklich nach Komponisten bzw. Werken differenzieren. Bei Schubert finde ich es am auffälligsten, wie viel besser seine Musik auf einem alten Flügel zur Geltung kommt, wenn sie gut gespielt ist. (Für mich ist Schubert auch der Komponist, in dessen musikalischem Kosmos am tiefsten etwas zum Ausdruck kommt, was ich als den Inbegriff von Intimität und "schutzloser Schönheit" empfinde.)
Aber dann gibt es auch andere Komponisten bzw. Werke, die den größeren Dynamikumfang modernerer Instrumente brauchen, weil sie auf starke Affekte/Effekte und wuchtige Energie hin angelegt sind oder sehr schnelle Repetitionen beinhalten, z.B. Ravels "Gaspard de la Nuit" oder Rachmaninovs Suite op. 17. In solchen Werken kommen vielleicht auch sehr intime Passagen vor, die auf einem alten Flügel besser zur Geltung kämen, aber für die wuchtigen Passagen braucht es die technischen Fähigkeiten eines modernen Flügels. Und beides zusammen geht eben nicht.
Ich persönlich kann die Faszination und die überwältigende Kraft, die durch Chopins Sonaten oder Scriabins 5. Sonate auf einem modernen Flügel zum Ausdruck kommt, gut verstehen und möchte sie nicht missen. Andererseits will ich auch nicht auf die besondere Art von innerer Berührtheit verzichten, die so scheinbar nur durch den Klang alter Instrumente hervorgerufen werden kann. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass man sich bei letzteren als Pianist stärker darauf einlassen muss, den "Klangcharakterraum" jedes Tons zu formen anstatt - wie beim modernen Flügel - auf dem Grundklang aufbauen und von dort aus Virtuosität und Ausdruckswucht entfalten zu können. Sesam hat das, glaube ich, gut beschrieben.
Und wenn ich mich entscheiden muss, dann schlägt mein Herz eindeutig für die älteren Instrumente. Wenn man nicht den Ansprüchen des professionellen Konzertbetriebs unterworfen ist - der ja auch eine Spiegelung unserer zu sehr auf Perfektion und Leistung ausgerichteten und vielfach dem Größenwahn verfallenen Gesellschaft ist -, dann kann man auch auf älteren Instrumenten virtuos genug spielen und insgesamt wunderbar musizieren.
Grüße von
Fips