Hier die Kritik des Konzertes in Köln (07.04.2014) aus der Feder von Stefan Rütter (Kölner Stadt-Anzeiger):
"Die Besuche Grigory Sikolovs in der Kölner Philharmonie haben mittlerweile den Charakter beweglicher Feiertage angenommen.
Der diesjährige war ganz dem Genius Frédéric Chopins gewidmet – und die Fangemeinde des großen russischen Pianisten hatte das Haus bis auf den letzten Platz gefüllt. Neben der Sonate h-Moll spielte Sokolov eine Auswahl Mazurken, chronologisch geordnet von der schlichten Tanzsymmetrie der frühen Nummern bis zur versponnenen Chromatik des Spätwerks. Sokolov interessierte hier nicht das Folkloristische, nicht die musikalische Abbildung der Körperbewegung. Unter seinen Händen waren es eindringlich erzählte Balladen im Dreiertakt, bei denen die tanzverhindernde Einebnung schwerer und leichter Taktzeiten Raum für eine hochdifferenzierte Deklamation der Melodielinie schuf.
Der tuberkulöse, zärtlich-fragile Chopin ist in diesen Stücken ohnehin nicht zu Hause – auch nicht in der h-moll-Sonate, die Sokolov mit großem und offenem Ton referierte, erdschwer, breit, konkret. Die strenge Rhetorik dieser Interpretation stellte das Werk deutlich in die Nachfolge Beethovens. Das ist fraglos berechtigt, aber trotzdem nur die eine Seite der Wahrheit: Den kapriziösen Übermut des Scherzos, die visionöre Entrückung des langsamen Satzes hielt Sokolov so weit auf Distanz, dass entscheidende poetische Qualitäten des Werkes verborgen blieben.
Das Konzert beendete, wie gewohnt, ein üppiges Zugabenpensum, das diesmal nahezu eine Stunde währte. Man mag kritisieren, dass derlei die innere Dramaturgie in Schieflage bringt – aber gerade hier ereignete sich der Höhepunkt des Abends: Franz Schuberts spätes Klavierstück Es-Dur D 946/2 ließ Sokolov aus lichter, terzenseliger Höhe in dunkelste Abgründe blicken, ein musikalisches Psychogramm von atemberaubender Dichte".
Einige von Euch haben das Konzert erlebt und daher hoffe ich, dass Ihr mir weiterhelfen könnt. Was mag gemeint sein mit dieser Aussage:
„... dass entscheidende poetische Qualitäten des Werkes verborgen blieben“.
Bei YT gibt es auch Einspielungen von Pogorelich, Trifonov, Gilels, Zimerman und Andsnes. Ist eine dabei welche mir die angeblich von Sokolov nicht vorgetragenen „poetischen Qualitäten“ erschließen können?