Hasenbein sagt es richtig, freies Spiel meint für jeden Unbedarften vor sich hin fantasieren auf den Tasten, mit Potential von Akkorden, Läufen und Rhythmen und ad hoc Melodien kann das jeder, sicher in verschiedenen Maßen, je nach bereits vorhandener Klaviertechnik und gelernten Mustern.
Liebe Ellizza,
zwischen "nach Noten einen vorgegebenen Notentext interpretieren" und damit Werktreue hochzuhalten (Kreativität zeigt sich in der Interpretion bzw. Vielfalt der möglichen Deutungen eines Werks) und vollkommen "frei ohne jegliche Vorgabe" Klavier zu spielen (Kreativität zeigt sich in der Zusammenstellung der Töne) ist ein riesiger Spielraum.
Wie man "freies Spiel" definiert, ist Verhandlungssache und wird unterschiedlich beantwortet werden. Ob nun damit gemeint ist, dass es gar keinen Notentext oder ein Leadsheet gibt, dass der Klavierspieler frei mit 88 Klaviertönen oder einem begrenzten Tonvorrat oder.... oder...umgeht - es ist alles frei, nur mehr oder weniger. Da aber in jedem dieser Fälle eine freie und unvorhersehbare Tonschöpfung kreiiert wird (
https://www.wortbedeutung.info/Improvisation/), hat der Ausdruck "freies Spiel" in all diesen Möglichkeiten seine Berechtigung.
Schon Mozart und Beethoven haben "fantasiert", gerne nach einem Thema, das sie variiert haben und daraus Variationen und sogar Fugen geschöpft haben. Gabriela Montero improvisiert über vorgegebene Themen aus dem Publikum, Keith Jarrett nahm als Inspiration und Intro zum Köln Concert den Kölner Pausengong, soweit ich weiß.
Improvisation und freies Spiel kann eben auch bedeuten, frei mit einem bestimmten Material umzugehen, das einen natürlich in der Wahl der Möglichkeiten einschränkt. Man hat aber immer eine Einschränkung und wenn es das eigene Instrument ist, das einschränkt (Tonvorrat einer Violine beispielsweise).
In der Klavierpädagogik ist es absolut sinnvoll, erst einmal die Anzahl der Möglichkeiten einzugrenzen und dem Schüler Muster auf den Weg zu geben (s. Stilblüte). Auf der anderen Seite ist aber auch die Herangehensweise von hasenbein wertvoll:
Ja, , nach wenigen Minuten, richtig - WEIL man es nämlich auch ohne Lehrer sofort kann. Einzige Voraussetzung: dass man sich erlaubt, ohne Vorgabe und ohne sich für "falsch Klingendes" zu geißeln, probierend hinzusetzen und zu hören, was herauskommt. So wie ein Kind einen Stift nimmt und versucht, etwas zu malen.
Diese Unbefangenheit, einfach etwas auszuprobieren ohne es zu bewerten ist zum Improvisieren sehr kostbar! Dazu gehört, das Kindliche in sich zu behalten und sich zu freuen, dass man etwas zum Klingen gebracht hat.
Das schließt aber nicht aus, dass man (als Schüler) auch nach Vorgaben improvisiert, die, wie ich in meinem letzten Post geschrieben habe, die Möglichkeiten eingrenzen. Das kann sehr motivieren, weil es sofort gut klingt. Der Schüler bekommt Ideen an die Hand, die er weiter entwickeln und variieren kann und so immer freier wird.
Es gibt auch in der Improvisation nicht nur eine Herangehensweise!
Liebe Grüße
chiarina