(1) Kreativität ist ein Geschenk. Jeder bekommt es in die Wiege gelegt, aber in unterschiedlicher Ausprägung: ...
(2)Wer kreativ tätig ist, wird seiner Grenzen innewerden, die jeder Mensch hat. ... Es bleibt einem nichts übrig, als die eigenen Grenzen zu akzeptieren.
(3)Man kann also Kreativität nicht lernen. Nur für deren Entfaltung kann man etwas tun.
Lieber Gomez,
ein sehr schöner Beitrag! Ich möchte noch ein paar Ergänzungen vornehmen - vielleicht widerspreche ich dir auch. Mal sehen.
(1) Davon gehen wir mal aus. Jeder Mensch ist unterschiedlich - warum also auch nicht das Wesen der Kreativität.
(2) Ich bin nicht ganz sicher, wie du das meinst, weil du sehr allgemein formulierst. Was ist denn eine Grenze, und woran merkt man, dass man sie erreicht hat? Ich glaube ehrlich gesagt nicht an "harte" bzw. "absolute" Grenzen. Sondern ich stelle sie mir vor, wie das Weltall:
Nach unserer bescheidenen Vorstellung muss das irgendwo aufhören, so ganz grundsätzlich. Fliegen wir aber in eine Richtung, kommen wir an dieser Grenze nie an.
Das ist ein Paradox - und genauso sehe ich es mit der Kreativität! Die wenigsten unter uns werden eine Kreativität und Schöpfungsgabe besitzen, die der eines Monet oder Van Gogh, Rachmaninov oder Debussy gleichkommt. In diesem Punkt gibt es also eine Grenze, die uns in bescheidenerem Rahmen hält.
(3) Gleichzeitig, und hier bin ich beim dritten Punkt, erlebe ich aber, dass man üben kann, kreativ zu sein. "Kreativität lernen" - falls du damit neu erwerben meinst - vielleicht nicht. "Lernen" per se im Sinne von "aneignen einer Fertigkeit" kann man sie sich auch nicht. Aber je öfter man dem Gehirn kreative Aufgaben gibt, desto lieber, selbstverständlicher und öfter - auch ganz unerwartet - wird es sie lösen. Wenn wir uns einen Kreis vorstellen, in dessen Mitte wir stehen, wird der Radius also immer größer. Das, was nah bei uns ist, ist dort immer, aber es kommt mehr und mehr dazu.
Stellt euch vor, ihr würdet von nun an eine Kolumne über verärgerte Radfahrer schreiben. Bei der ersten, zweiten, vielleicht dritten, müsstet ihr überlegen, planen, worüber man da schreiben könnte. Aber wenn das Gehirn mal verstanden hat, dass alles, was mit "Radfahren, Ärger" zu tun hat, interessant ist, wird es mit der Zeit ständig neue Ideen dazu ausspucken. Auf dem Weg zum Einkaufen fällt euch plötzlich die nicht abgesenkte Bürgersteigkante auf. Die Straßenbahnschienen, in denen man festhängen kann. Die Autos, die nicht blinken, obwohl sie euch gesehen haben. Der Mangel an Fahradständern, blablabla.
Genauso ist es auch mit dem Ausdenken von Melodien, dem Sehen von Fotomotiven, dem entwerfen von Gegenständen,...
In diesem Sinne kann Kreativität also doch als Fähigkeit "erworben" (?) oder zumindest gestärkt werden. Ob sie nun schon schlummerte und nun frei wird, oder ob tatsächlich etwas Neues entsteht, spielt gar nicht so eine Rolle.