Hallo KleinesCis,
habe mir deine Analyse angeschaut und dabei gemerkt, dass ich an einigen Stellen die Harmonien anders bezeichnen würde. Deshalb habe ich mir erlaubt, davon meine eigene Version zu machen. Die Stellen, bei denen ich mit dir übereinstimme, sind nicht bezeichnet (eh die meisten). Das heißt, ich habe nur die Stellen mit Funktionssymbolen überschrieben, die ich anders sehe (nicht GANZ konsequent, ein paar Überschneidungen gibt es). Außerdem habe ich ein paar Notizen mit reingeschrieben. Das soll jetzt hier keine umfassende Analyse werden, sondern in erster Linie eine Betrachtung der Harmonien.
1.) Zur Erklärung: Die Orgelpunkte sind Quasi-Orgelpunkte, bei denen ein Ton im Bass über ein gewisse Strecke hinweg beherrschend bleibt.
2.) Du hast an einigen Stellen neue Tonarten hingeschrieben, ohne die Modulation zu beschreiben. Dies habe ich an einigen Stellen übernommen. Allerdings bin ich kein Harmonielehre-Experte und habe mir deshalb die "Modulation" jweils mit Rückungen erklärt. Die erste solche Stelle ist in T. 11/12 (an der Taktgrenze von 11 nach 12). Hier rückt Chopin aus meiner Sicht von b-Moll nach c-Moll, also einen Ganzton nach oben, und macht dann einfach nahtlos weiter. Auch in T. 13/14 sehe ich so eine Rückung. Ich habe diese aber hier von Akkord zu Akkord bezeichnet, nicht von Tonart zu Tonart. Also: die Tonart geht von c-Moll wieder zurück nach b-Moll; aber der Akkord geht von c-Moll nach Des-Dur. Deshalb hier eine Rückung um einen Halbton nach oben.
Besonders auffällig sind die Rückungen in T. 27/28, 28/29 und 29/30. In Takt 27 drittel Viertel ist der Akkord des-Moll. Dann geht es zur Tonart h-Moll (eigentlich ces-Moll, was aber als h-Moll geschrieben ist, um es lesbar zu halten). Hier ist die Rückung ein Ganzton nach unten, von des zu h/ces. Von ces-Moll/h-Moll geht es weiter nach heses-Moll/a-Moll, also wieder eine Rückung um einen Ganzton nach unten. In T. 30 kommt wieder b-Moll, also eine Rückung um einen Halbton nach oben.
(Ich merke gerade, dass ich beim Übergang von T. 27 zu T. 28 wohl einen Fehler mache, wenn ich dies als Rückung um einen Ganzton nach unten bezeichne, weil ich dann die Akkord-Rückung mit der Tonart-Rückung vermische.)
Auffällig ist aber in jedem Fall die Verbindung der Akkorde von T. 27 drittel Viertel bis T. 29 viertes Viertel. Es geht von des-Moll über Ges-Dur/Fis-Dur über ces-Moll/h-Moll über Fes-Dur/E-Dur nach heses-Moll/a-Moll. Also:
Des <=> Ges <=> Ces <=> Fes <=> Heses
bzw. enharmonisch verwechselt:
Cis <=> Fis <=> H <=> E <=> A
Diese Akkordgrundtöne haben eine unmittelbare Quint-Verwandschaft. Bei Heses/A angekommen macht Chopin eine Rückung um einen Halbton nach oben und schon ist er wieder in der Grundtonart b-Moll.
(Hinweis zu meinen Eintragungen: R. heißt Rückung)
3.) Zum Schluss noch ein paar Stellen, wo ich nicht mit deiner Bezeichnung übereinstimme:
*** In T. 12 würde ich das c-Moll schon am Anfang des Taktes beginnen lassen. Dann kannst du dir die Klammer um das Dv-Zeichen sparen.
*** In T. 14 drittel Viertel stimmt die Klammer um das Dv-Zeichen aus meiner Sicht nicht. Wenn sich der Dv auf das folgende Des-Dur (tP) beziehen würde, dann müsste es ein As-Dur-Sept-Non-Akkord ohne Grundton As sein. Da hier aber A und nicht Heses steht, kann das nicht sein. Hier steht ein F-Dur-Sept-Non-Akkord ohne Grundton (wenn man das f''' in der rechten Hand vernachlässigt), der Dv bezieht sich also auf die Grundtonart b-Moll. Nur dass dann nicht die Tonika kommt, sondern die Tonika-Parallele (also eine Art Trugschluss).
*** T. 22 und 23 würde ich vollständig als Vorhalt zu T. 24 sehen. Das Heses im Bass ist ein Non-Vorhalt zu As und führt zu dem As-Dur-Septakkord in T. 24. Diesen As-Dur-Septakkord sehe ich im folgenden als Dominante zu des-Moll in T. 27 drittel Viertel. Alles was dazwischen liegt sind wieder Vorhalte zu dem As-Dur-Septakkord. Das heißt, ich würde hier keine anderen Funktionssymbole verwenden als immer nur D mit entsprechenden Zusätzen. So sehe ich z.B. den Akkord in T. 25 erstes Viertel als Quartsextakkord (das + nach der 6 bezieht sich darauf, dass hier die große Sexte steht, obwohl der Bezug später zu des-MOLL ist, was die kleine Sexte bedeuten würde).
Nochmal als Zusammenfassung: Die Dominante, die sich in T. 27 drittes Viertel letzlich auf des-Moll bezieht, fängt in T. 22 mit dem Non-Vorhalt zu As-Dur an und endet vor dem Des-Moll-Akkord in T. 27 drittes Viertel. Die Klammer ist entsprechend gesetzt.
*** T. 29 sehe ich in eigener Tonart stehen, nämlich hier a-Moll/heses-Moll (ähnlich wie h-Moll/ces-Moll in T. 28 ).
*** T. 31 sehe ich auch leicht anders als du.
*** In T. 36 sehe ich auf dem dritten Viertel nicht die Tonika, sondern einen Quartsext-Vorhalt zur Dominante.
Ist jetzt doch ein ganz schön langer Text geworden. Es würde mich interessieren, was du und andere hier im Forum zu den Unterschieden in der Analyse sagen. Insbesondere bei den oben beschriebenen Rückungen bin ich mir nicht sicher, ob das wirklich stichhaltig ist. Vielleicht hat jemand eine Erklärung.
Viele Grüße von
Fips
Übrigens:
Fasse die Tatsache, dass ich einen Rot-Stift verwendet habe, bitte nicht als Korrektur auf, so als ob ein Lehrer seinem Schüler die Fehler anschreibt. Ich habe den Stift nur verwendet, um es gut sichtbar zu machen.