15 Minuten, dafür effektiv jeden Tag, ist doch schon mal super. Ich übe als erwachsener Spätanfänger seit Jahren kaum mehr als 20min, manchmal 30min, manchmal 2x15min oder 2x20min am Tag und komme ordentlich voran.
Entscheidend dabei ist, dass du effizient übst.
Die grosse Fallgrube für Erwachsene ist das "Üben" von für sie zu schwierigen Stücken, durch reine Repetition/Muskelgedächtnis. Man nimmt sich einen schönen, anfängerfreundlicheren Chopin vor, fängt mit den ersten vier Takten an, zuerst die rechte, dann die linke Hand, alles Dutzende Male wiederholt, und arbeitet sich so über Wochen und Monate weiter, bis man das Stück "kann". Meistens bleibt es aber wacklig und leidlich gut, weil man keine mentale Kontrolle hat, sondern alles in den Fingern, und nur schon ein Verspieler, die leichte Änderung der Dynamik oder eines Fingersatzes an einer Stelle bringt das ganze auf brutaler Repetition aufgebaute Kartenhaus zum Einsturz. Ausserdem verlierst das Stück aus dem "Repertoire", wenn du es nicht immer wiederholst. Doch wieviel Spass macht der Chopin oder die Elise bei Wiederholung 879 noch?
Was die meisten Erwachsenen doch eigentlich wollen bzw. sich unter Klavierspielen vorstellen, ist "Sit down & play": Du hast grad Lust auf "Let it be", also besorgst du dir einen (leicht) arrangierten Notensatz und spielst "Let it be" vom Blatt. Oder bei gutem Gehör und mit etwas Begleittheorie aus dem Ohr.
Das Ziel des Übens ist also das Blattspiel zu erlernen, zuerst natürlich mit ganz einfachen Stücken. Dafür muss man die Musik jenseits einzelner Noten lesen und verstehen lernen, Klangvorstellung entwickeln, rhythmische Chunks erkennen können und natürlich die Technik für die Hände entwickeln, dass dann Umzusetzen - möglichst auch ohne immer auf die Hände zu schauen.
Das ist kein einfacher Weg, mental sehr fordernd und nach 15 Minuten Blattspiel bin ich meist schon recht ausgebrannt, weil es höchste Konzentration erfordert. Viel länger geht gar nicht, bzw. es wird dann immer ineffizienter. Aber man kommt dadurch schnell auch in eine Art Flow, es macht Spass, man spielt immer andere Musik und lernt langsam aber sicher das Klavierspiel anstatt nur ein einzelnes Stück.
Einige werden hier anderer Meinung sein, man könne auch an einem schwierigen Stück reifen usw. Ich finde, der beste Vergleich ist das Lernen einer Fremdsprache. Man gibt Englisch-Anfängern auch nicht einen Wälzer von Charles Dickens in die Finger, an dem sie mal ein Jahr üben können, sondern zuerst einfache, kurze Texte, mit denen sie Schritt für Schritt ihren Wortschatz, ihr Grammatik-Verständnis etc. erweitern können.
Probier es mal aus!