Du Spaßvogel, selbst für einen nur wenig praktizierenden Katholiken war die Sequenz so bekannt wie ein Gassenhauer: als fester Bestandteil der vorkonziliaren 'Missa pro defunctis'. Angesichts der hohen (Kinder-)Sterblichkeit und des engeren großfamiliären und nachbarschaftlichen Zusammenhalts hatte man wohl -zig Mal im Jahr das Vergnügen, sie zu hören.
wie schön, der Berlioz konnte sich also darauf verlassen, dass das Publikum - zumindest dessen katholische Anteile - diese Melodie samt sakral-funebrer Konnotation kannte
Aber die Frage war doch, ob der Text und die Melodie im nichtromanischen/nicht-katholisch-slawischen Kulturraum zum protestantischen Bildungsgut gehörten, vor 1830 - und zwar so, daß ein Komponist auf die Idee kommen konnte, sich ihrer Semantik als eines Verständigungsmittels zu bedienen. Da habe ich begründete Zweifel (siehe oben) und Du bis jetzt keinen Beleg (...) wie konfessionell-eingeigelt die Kirchenmusik im krähwinkligen präcaecilianistischen Deutschland gewesen ist.
Warum sollten die Protestanten dergleichen nicht gewußt haben?
Waren die allesamt so stramm engstirnig in ihrer pietistischen Krähwinkligkeit, dass die z.B. beim shopping angesichts eines Freiburger oder Kölner Münsters sich aus Angst vorm papistischen Antichrist umgehend entleibten? Goethes Faust I,
Dom. Amt, Orgel und Gesang. Gretchen unter vielem Volke. Böser Geist hinter Gretchen. Da kommt dann einiger lateinischer Text... das kapierten die Protestanten nicht?
...vor ein paar Beiträgen hast du ausführlich dargelegt, dass Clara & Robert protestantisch waren. Wenn ich deine weitschweifigen Erläuterungen richtig verstehe, attestierst du den Protestanten Krähwinkligkeit, vermutest, dass sie aufgrund konfessioneller Scheuklappen weder Text noch alte Melodie der Totenmesse kannten. Und dann lesen wir beim Protestanten Robert, dass der a) das Zeugs wohl doch kannte und b) kein großes Geschrei deswegen veranstaltet. Stattdessen schreibt der Robert einiges sehr vernünftige über die Berliozsche Sinfonie und demonstriert, dass er keine Mühe hat, diese aus dem Lisztschen Klavierauszug zu verstehen.
Ich weiß immer noch nicht, was ich sonderlich zu beweisen hätte... Es sieht so aus, als hätte das Publikum dort, wo die fantastische Sinfonie gespielt bzw. rezipiert wurde, keine Mühe damit gehabt, im 5.Satz das dies irae Thema samt seiner funeber-sakralen Konnotation wahrzunehmen.
Immer noch solide am Thema vorbeigedacht. Darum geht und ging es nicht. Es ging um die Frage, ob das 'dies irae'-Thema als musikalische Chiffre für Sterblichkeit/Vergänglichkeit (also ganz unschauerromantisch) auch schon vor Berlioz' in Gebrauch gewesen ist.
Wer sagt hier, worum es geht? ... laut Überschrift geht´s hier um das dies irae Thema...
Möglicherweise Haydns 103. Sinfonie (obwohl ich da etwas dran zweifle)
Notabene verharrt die Verwendung des Themas nach Berlioz nicht in der burlesken Parodie, nicht im Umfeld von Hexensabbat und schwarzer Messe, sondern wird oft genug als Chiffre für Sterblichkeit/Vergänglichkeit verwendet, sogar von einem orthodoxen der zu Hollywood ansässig wurde...
Allerdings scheint der Berlioz diesen Stein so richtig ins rollen gebracht zu haben.
Wie sieht es denn bei diversen Versuchen aus, den Faust zu vertonen? Da taucht der lat. Text auf, sodass sich die Verwendung der Melodie anböte. (Spohrs Faust kenne ich nicht, kann nichts dazu sagen)