Die maßlose Orgelwelt

Ich würde mal davon ausgehen, dass die Kosten einer Orgel sehr weitgehend von Lohnkosten bestimmt sind. Korrigiere mich, wenn ich mit der Annahme falsch liege. Die Lohnkosten anno 1965 betrugen durchschnittlich 4,54DM, 2018 lagen wir bei 21,92€. Wenn wir diesen Anstieg mal als Rechnungsgrundlage nehmen, kommen wir schon langsam in die Größenordnung der Schätzung. Also ich sehe da keinen "Wahnsinns"-Unterschied zwischen damals und heute.

Ich habe irgendwas im Hinterkopf von heute 70/30 (Lohn/Material) (?) Früher war das Material natürlich deutlich stärker beteiligt. (Hier wurde übrigens 1959 Metall/Kupfer/Zinn als Spenden gesammelt).
1:10 bei den Lohnkosten hätte ich jetzt nicht erwartet. Ob allerdings 2 Mio für ein Instrument dieser Größe reichen würde?
Klar, mit Warenkorbrechnungen allein kommt man dem ganzen nicht bei.
 
Ulm: da waren's nur noch 17 (,3) für diesen unglaublichen Preis.
Nie und nimmer glaube ich, dass man von einer angeblich nicht wirtschaftlichen Sanierung (mit sicher massiven klanglichen Änderungswünschen) überrascht worden wäre. Auch der OSV kam von außen, das ist gar nicht sein Gebiet. Aber was sollen Laien machen, wenn's was Neues, quasi gespendet gibt? Und die Masse der Leute zahlt wahrscheinlich wieder eifrig und kritiklos.
Anschluss an die Hauptorgel soll auch bereits zur Einweihung fertig sein. Wird wahrscheinlich eine verkappte zweite Hauptorgel (mit lauter dicken 8', wieso soll man dazu besser singen können?). Gibt halt mehr Theaterdonner (und "effektvolle" Chorbegleitung), das ist alles.
Lustig auch mal wieder der Denkmalschutz: offensichtlich nichts gegen dieses hässliche, dicke Teil, aber unbedingt müssen die vorhandenen Betonstreben verwendet werden.... Dann übrigens bauseitige Maßnahmen bei den Kosten zu betonen, ist auch nicht so ganz die feine Art.

< Die Gehäusegestaltung reflektiert den emporstrebenden Geist der wunderbaren Gotik des Münsters und fügt sich unaufdringlich in den grossartigen Chorraum ein.

Eben nicht, das Gehäuse kann nicht verbergen, dass es bis vorne hin vollgestopft ist mit fetten 8'. Ein richtiger Schandfleck für den Chorraum.

Auch in der Schweiz ist man erwartungsgemäß nicht zimperlich,

"Guillou"-Orgel von 1988!!, umgebaut bis 97, nun Neubau mit 67 Registern, umgerechnet 2,7 Mio EUR + Baumaßnahmen. Übrigens, sowohl in Ulm als auch hier ist der "Orgelsachverständige" (der ja wohl eher Konzertorganist ist) Christian Schmitt dabei.
Ich werde den Eindruck nicht los, bestimmte Leute wollen sich hier einfach nur produzieren - wie es mit Orgeln in Konzertsälen aussieht, ist ja bekannt, das ist landauf landab rausgeschmissenes Geld, erst recht, wenn man eine sehr neue, funktionsfähige und extravagante Orgel entfernt. (damalige Petition: https://www.change.org/p/an-den-sta...urch-firmen-kleuker-steinmeyer?redirect=false)

Vielleicht sollte man auch schnell die Lobpreisungen entfernen und einen der vielen professionellen Kaputtschreiber engagieren:
(Edit: ah, es ist quasi privat, bzw.vom früheren Personal.)
Gibt es in der Schweiz nicht öfter Volksbefragungen zu solchen großen Projekten? Wenn allerdings eine Stiftung alles zahlt...
Und ob eine so präsent-farbige Orgel im großen Kirchenraum (Kopers) nicht deutlich verliert?

PS Was ich übrigens so an Orgelrepertoire aus Ulm von Ferne sporadisch mitbekommen habe, war doch eher bieder, einseitig und (negativ) populär und hitbezogen. Das kannte ich von Fröschles Zeiten durchaus anders.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Zur alten Tonhallen-Orgel: man höre mal die Liszt/Stravinsky-CD des genialen Bernhard Haas - und außerdem gibt es offensichtlich genug weitere Einspielungen, die zeigen, dass die Orgel ebenso gut mit Orchester konnte und sicher wirklich was besonderes war.
Auch das finde ich nur unsäglich und verschwenderisch, auch die Begründungen wie hohe Wartungskosten (warum?), teurer Wiedereinbau, umständlich zu bedienen, etc kann ich nicht ernstnehmen.
 
In dr Schwyz isch as Galld z'huus...
 
Ulm: da waren's nur noch 17 (,3) für diesen unglaublichen Preis.
Freiburger Chororgel übrigens knapp 1 Mio, ohne Spieltisch (der neu gebaut auch mal kurz 200000 EUR gekostet hat), 25 Register.
War die Erzdiözese Freiburg nicht die, die über Jahrzehnte noch nichtmal die zahlreichen geringfügigen (Gotteslohn-)Beschäftigten ordentlich anmelden kann? Trotz der gut besoldeten zahlreichen Fachleute in ihren Glaspalästen. Woher werden eigentlich die Strafzahlungen genommen? Muss da etwa der unschuldige Kirchensteuerzahler bluten?
Bin gespannt, wann dieser höchst maßlosen Welt ihr ganzer Krempel auf die Füße fällt....

PS
Ah, ist ja interessant, in der Auenkirche stiegen die Ausgaben über Nacht fast 50 Prozent, 1, 4 Mio. Einen Wartungsstau zu provozieren kann sich also lohnen zwecks "Restaurierung und behutsame Ergänzung". Erstaunlich auch, wieviel Stiftungs-/Steuer-/Denkmalmittel da reinfließen. War bestimmt auch der mir erzählte Abgeordnete. Und natürlich wieder ein neuer Spieltisch...
 
Auenkirche Berlin:
Der jetzige 4-manualige Spieltisch ist übrigens erst von 2002, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Ich schätze auch, dass man immer noch weiter draufgesattelt hat (wie gesagt, auf der alten Seite "nur" 1 Mio), nachdem diese vielen Förderzusagen kamen. In dieser Höhe und mit Hinblick auf die Vergangenheit der Orgel m.E. nicht gerechtfertigt.
Hier noch was aus Strodthoffs Zeiten (ihm fehlte nur noch die letzte Ausbaustufe):
 
Preis nicht wirklich maßlos :) Auch nichts besonderes leider, Ladach ist voll davon.
Dann aber noch Ab- und Aufbaukosten. Geht wohl ins Ausland...

Aber der Artikel - finde ich unglücklich, hätte mir mehr Ernsthaftigkeit gewünscht. Was sollen Gags in der Kirche, ob sie zünden oder nicht?
 
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Zum Vergleich: eine komplett neue Kirche (mit Orgel) kostete hier ca 4 Mio, eine Seltenheit natürlich:

Und da wird nun für die Aufführungsbedingungen von Spezialmusik, die eigentlich kaum einer hören will oder in öfter (wenn eben instrumentengerecht) typisch größerer Komplexität kapiert (kapieren will), wie von Sinnen (Steuer-)Geld ausgegeben? Angewiesen von Laien, beraten (oder überredet) von wenigen Fachleuten? Nutznießer die paar immergleichen Orgelbaufirmen... Selbst gesammelte Mittel im höchstens 2stelligen Prozentbereich.. Sind Denkmalschutzmittel (Auenkirche Berlin: *ein* riesiger Zufluss) eigentlich dazu da, irgendwelche hypothetischen Zustände, die im gerade aktuellen Zeitgeschmack liegen, wiederherzustellen? War man vor 20, 30 Jahren eigentlich doof oder wollen sich einfach nur jetzt noch Leute die Tasche vollmachen vor einer nicht unwahrscheinlichen Abwicklung? Im übrigen ist man bei solch riesigen Vorhaben quasi festgelegt, irgendwie "zurück in die Vergangenheit" zu gehen, für Weiterentwicklungen/innovative Klangkonzepte bekäme man nie derart große Mittel von ahnungslosen Leuten fast aufwandsfrei zusammen.

Eine breitere Diskussion in der Ôffentlichkeit sehe ich in solchen Fällen so gut wie nie.

PS der aktuelle, neue Spieltisch der Auenkirche war übrigens schon vorbereitet für ein 5. Manual iirc.
 
Auenkirche: ich kenne die CD zwar nicht, aber hier eine Rezension einer Aufnahme von 2005. https://www.orgelbau-rotenburg.de/noeske.html (auch wenn ich diese "Berufsschreiberlinge" eher kritisch sehe *)
Komisch jedenfalls, was Strodthoff auf diesem "disparaten Zustand" alles spielen und aufnehmen konnte.
Ich finde, einer so "weiterentwickelten" (wie gesagt, bis "vor kurzem", als also schon jahrzehntelang "aktuelles Denkmalbewusstsein" herrschte) Orgel sollten überhaupt keine Denkmalmittel zustehen. Dann hätte sich die Sache auch ruckzuck erledigt gehabt und man hätte die hoffentlich angesparten eigenen Mittel in angemessenem Maß für eine Reparatur/Überholung einsetzen können.

Meiner Meinung wäre es allerhöchste Zeit, hier Diskussionen in Gang zu bringen, die über den Kreis von wenigen ehrenamtlichen Laien, kaum mehr zufriedenzustellenden Organisten, sich selbst verwirklichen wollenden OSVs und in vielen Zusammenhängen merkwürdig agierendem Denkmalschutz hinausgeht. Gerade auch vor dem Hintergrund der teils katastrophalen Situation der Kirchen inmitten einer (auch musikalischen) Zeitenwende.

* Man schaue auch mal in die Ars Organi, die immer überaus positiven Besprechungen von Markus Zimmermann zu Neubauten wirken immer wie von den OB bestellt....

PS Zu u.a. Ulm hatte ich kurz nach irgendwie öffentlichen Diskussionen gesucht: nichts gefunden. Wobei es bei der Zeitung (SWP) noch nicht mal Online-Leserbriefe zu geben scheint, ein Traum für geschmacksgesteuerte Geldausgeber...
 
Nutznießer die paar immergleichen Orgelbaufirmen...

Ich kann, ehrlich gesagt, Dein Dauerlamento über neugebaute Orgeln nicht verstehen.

Im Vergleich zu den 1950er bis 1970er Jahren werden heute relativ wenige neue Orgeln gebaut. Dabei hat die Anzahl der Orgelbaufirmen seither nicht abgenommen, die Firmen sind heute kleiner. Massenproduktion im damaligen Walcker-Stil gibt es nicht mehr. Und diesen Firmen gönnst Du die paar Neubauten nicht?
 
Die Situation ist doch gar nicht vergleichbar. Damals die vielen Kirchenneubauten mit Notwendigkeit von neuen Orgeln - heute Abbau und Abbruch allenthalben, nur die Orgelwelt gibt sich nicht nur unbeeindruckt, sondern legt noch eine gute Schippe drauf - ich denke, sehr bald auch zulasten der Akzeptanz. Die Gründe sind letzten Endes meist nur Geschmacksfragen, auch wenn das oft verschleiert wird.
 
Die Situation ist doch gar nicht vergleichbar. Damals die vielen Kirchenneubauten mit Notwendigkeit von neuen Orgeln
... und wie bereits erwähnt, hat man zumindest in den größeren Kirchen nahezu systematisch alle Orgeln des 19. und frühen 20. Jahrhunderts abgeholzt. Oft Orgeln, die qualitativ auf höherem Niveau standen als das, was man dann eingebaut hat.

Ich vergleiche Dein Lamento, das Du z. B. ob des Örgelchens im Ulmer Münster veranstaltest, mit der Riesensauerei, die 1967-69 im Ulmer Münster passiert ist.
 
Ach ja, Clausthal ist auch auch so eine fragwürdige Sache.

74 (!) schwyzer Register für eine Holzkirche in der Provinz. Natürlich wird betont, man ginge eben damit auf die Gegebenheiten ein, aber auch das hat seine Grenzen und nicht jedes Klangkonzept passt in jede Akustik. Den Preis habe ich vorsichtshalber nicht nachgeschaut (ja, mir sind Schweizer Lohnkosten schnuppe, weil das *hier* finanziert werden muss) auch nicht, aus welchen fantasievollen Töpfen da wieder Mittel fließen.
Auch das bezeichne ich schlicht als maßlos. (Man stelle sich auch mal einen normalen Sonntagsgottesdienst vor, 20 Omas und Opas werden von einem mehrfach millionenteuren Gerät beschallt - und keiner "merkt's")

PS Apropos Akustik: was ich von der Winterhalter in Bad Godesberg (man betonte, immer wieder den Bass aufdrehen haben zu müssen) bislang hören konnte (allerdings auch tontechnisch mies) konnte mich überhaupt nicht überzeugen.
 
Töpfe Clausthal:
nicht weniger als die Hälfte soll vom Bund getragen werden, man fasst es nicht.
Begründung? Weil der Prospekt wiederverwendet wird?
Ich fasse es nicht...
Und natürlich tauchen wieder die gewohnten Unschärfen (sehr vorsichtig ausgedrückt) auf: "Rettung der Orgel", "Erhalt der Orgel"...

Irgendwie ist die Orgelwelt zusätzlich auch noch eine recht verlogene...
 
> 2016
Die Clausthaler Marktkirchengemeinde erhielt die Zusage des Bundes, 50% der anstehenden Sanierungskosten und 50% der Kosten für den Neubau der Orgel zu tragen.

Das kann man betr. der Orgel (was ja nun wirklich gar nichts mit Sanierung zu tun hat) auch so lesen: "Kauft mal schön ein, die halbe Rechnung geht aufs Haus" (und ihre ahnungslosen Bewohner). Klar, dass man dann mit exaltierter Registergröße gerne gen Schweiz blickt. Meinte der OSV nicht irgendwo lapidar, das seien "die Besten"?
Was soll da eigentlich ein kirchendistanzierter Mensch davon halten (soweit er es überblicken kann)? Höchste Zeit für eine Entflechtung Staat/Kirche, das kostet bald noch die allerletzte Glaubwürdigkeit.
 

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