Ich habe Rubato und "präzise nach Metronom" gegenübergestellt (...)
und daran ist auch gar nichts falsches zu sehen!
wer sich über "Rubato", über "atmendes Musizieren" etc Gedanken macht, sollte sich primär mal eine ganz naive Grundlage der Notation in Notenwerten klarmachen: diese sind prinzipell Brüche - also ein wenig Mathe (ganz, halb, viertel usw.). In der Mathematik sind Zahlen eindeutige Größen (man erspare mir pi und imaginäre Zahlen, denn hier geht es nur um einfache Brüche), wenn ich zu vier gleichen Sachen eine fünfte oder zu sieben gleichen Sachen eine achte hinzuaddiere, dann ist das, was ich da addiere, immer gleich groß - an einer Referenzgröße wie "eins" ändert sich nichts! Indem die Brüche Notenwerte in der Zeit in Relation zu einer wiederkehrenden gleichen Anzahl (Taktlänge) eindeutig - also zeigt der als Gerüst oder Konstruktionsplan notierte Notentext
als Orientierung (!!!) absolut eindeutige Größen im Sinne der mathematisch ganz exakt als Bruchzahlen transkribierten Notenwerte. Wo eindeutig von diesen exakten Relationen abgewichen werden soll, verwenden die Komponisten entsprechende Anweisungen (acc., rit., morendo, fermate usw.).
abstrakte Zahlenwerte und -relationen für Zeitverhältnisse lassen sich nun mal am besten mit einer Zeitmessung wahrnehmbar machen, und um sich die exakten Relationen
auch und gerade für unterschiedliche Referenzwerte wahrnehmbar zu machen, ist Mälzels Metreonom eine wirklich sinnvolle Erfindung - es nicht mal polemisch oder sonstwas, wenn ich auf die Metronomangaben der Komponisten verweise (die, wie z.B. Beethoven, nicht immer mit den sehr unscharfen traditionellen Tempocharakterbegriffen wie "andante, allegro" etc. so ganz einverstanden waren).
so ganz von alleine oder aus dem Bauch heraus kann niemand ohne Metronom und Uhr 140 mal gleichmäßig in der Minute klatschen - man braucht kleinere Einteilungen, um das zu praktizieren.
...wer immer auf der edlen Suche nach dem Willen der Komponisten ist, sollte sich manche Realien der Transkription ihres Willens, ihrer Absichten bewußt sein - und das sind ganz an der Basis: Zahlen und Zahlenrelationen.
ohne das Verständnis erstens des
theoretisch-mathematisch notierten Metrums sowie des jeweiligen Rhythmus (welcher sich analog zu Sprachrhythmen erklären läßt, vgl. Werner, Marek etc.), wird sich keine
Grundlage für weiteres musialisches Arbeiten erzielen lassen. Man muss nunmal auch die Rhythmen (vereinfacht: Betonungen) primär in ihrer metrischen Regelmäßigkeit (sic)
begreifen und
ausführen können, ehe man auf edleres Wild zielt...
hierfür ist das Metronom als
Übersetzungshilfe vom verstehen ins bewegen ein bewährtes Hilfsmittel.
nachdem eine metrische und rhythmische Basis hergestellt wurde, kann man über musikalisch sinnvolle
Abweichungen nachdenken - manche sind musikalische Tradition (z.B. ein leichtes verlangsamen am Ende von größeren Abschnitten usw.), manche sind ohnedies vorgeschrieben (rit., rall, acc.,
a tempo [eine sehr verräterische Anweisung]etc), manche sind laut Übereinkunft mehr oder weniger stilistisch implizit (das viel erwähnte "
Rubato in der romantischen Klaviermusik - erstaunlicherweise weniger präsent in der Orchestermusik dieser "Epoche"...)
ohne Kenntnis der eindeutigen Grundverhältnisse und ohne das Vermögen, diese auch immer wieder produzieren zu können, ist "Rubato" ein völlig willkürliches herumeiern und damit wenig erbaulich... es muss als charakteristische
Abweichung wahrnehmbar gemacht werden!
kurzum: das Metronom in Bausch und Bogen zu verketzern, ist wenig zweckdienlich.
in diesem Sinne stimme ich Guendola komplett zu.
und mit Musik hat das "zerhacken" (sagen wir lieber: erkennbar regelmäßig einteilen und organisieren!!!) der Zeit sehr wohl zu tun, und das gleich an der Basis: der Notation.
Gruß, Rolf
ps.: sehr schön ist Liszts Beschreibung des Chopinschen Rubato in seinem Chopinbuch (das berühmte Bild vom Baum, an dessen Ästen die Blätter sich zwar bewegen, dessen Stamm aber seine Form beibehält - die l.H. ist der Kapellmeister usw.), ebenso die Beschreibungen bzgl. des Mozartschen überwiegend im Takt bleiben (was damals manchem auffiel, oho!), wobei wir im 1. Satz der Sonate KV 330 ein schönes Exempel von Rubatospielweise ausnotiert finden)
und nochwas: da wir Menschen sind, werden wir ganz gewiss nie 1000%ig exakt "metronomisch" spielen - aber um der Wahllosigkeit zu entgehen, hilft es, mit dem Metronom als Hilfe eine ungefähre Regelmäßigkeit herzustellen