Damit habe ich nicht gerechnet

  • Ersteller des Themas Clavica
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"Bezwingen" hört sich fies an. Ich glaube das ist hier das falsche Wort


Wenn Du es so siehst....nur sehe ich den Menschen dem Instrument nicht unterlegen an. Ein Klavier/Flügel hat nun mal für mich nicht einfach mal einen eigenen Charakter den man hinnehmen muß, die Kunst des Klavierbaus und der pianistischen Interpretation ist hier einfach mal primär.
LG
Alb
 
Hallo Clavica,
stellt sich mir die Frage, ob Du Deine Gedanken schon mit Deinem Lehrer besprochen hast. Worauf legst Du Wert? Fingerfertigkeit ("Virtuosität), möglichst viele Stücke in kurzer Zeit - oder eher Klang, Gestaltung und geistige Durchdringung (was auch bei "Anfänger"-Literatur durchaus möglich und sinnvoll ist)? Und worauf legt Dein Lehrer Wert? Vielleicht müßt Ihr Eure Erwartungen und Ansprüche (aneinander und an die Musik) klären. Motivation, Ehrgeiz und guter Willen ist ja per se etwas Gutes, können aber auch zum Hemmschuh werden, wenn sie in die falsche Richtung weisen.
 
Das Instrument lernen zu Beherrschen fände ich richtig
 
sorry, aber das mit dem "Bezwingen" und "Beherrschen" ist überhaupt nicht mein Ding. Das Klavier ist kein Gegner, sondern mein Freund, mein Partner. Und ich möchte keinen Freund bezwingen oder beherrschen. Ich sehe mich als einen Teil eines Zweier-Teams. Der andere Team-Partner ist das Klavier. Nur im optimalen Zusammenspiel beider Partner wird sich der gewünschte Erfolg einstellen.

Andererseits falle ich auch nicht voller Demut vor meinem Klavier auf die Knie. Was soll das? Ohne mich gibt das Ding nämlich nicht einen einzigen Ton von sich.

Eine Partnerschaft beschreibt das Gefühl und die Ebene der Kommunikation sehr gut. Zumindest für mich.
 
@thinman Bei zwei völlig gleichberechtigten Partnern, so wie Du es beschreibst und ich Dich verstehe, besteht die Gefahr, dass die gemeinsame Richtung nicht eindeutig ist. Ich bespiele das Klavier, ich bestimme was das Klavier tun soll, dabei höre ich wie das Klavier reagiert. Daraufhin passe ich mein Spiel an, um ein für mich gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Es ist ein Regelprozess.

Bezwingen, Beherrschen sind martialisch.....trotzdem bin ich als Spieler der, der führt. Wie beim Tanzen. Wenn nicht geklärt ist wer führt wird das nix.
 

@thinman Bei zwei völlig gleichberechtigten Partnern, so wie Du es beschreibst und ich Dich verstehe, besteht die Gefahr, dass die gemeinsame Richtung nicht eindeutig ist. Ich bespiele das Klavier, ich bestimme was das Klavier tun soll, dabei höre ich wie das Klavier reagiert. Daraufhin passe ich mein Spiel an, um ein für mich gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Es ist ein Regelprozess.

Bezwingen, Beherrschen sind martialisch.....trotzdem bin ich als Spieler der, der führt. Wie beim Tanzen. Wenn nicht geklärt ist wer führt wird das nix.

ja, Deine Meinung kann ich schon nachempfinden. Vielleicht komme ich auch noch irgendwann einmal auf einen level, wo ich sagen kann, ich führe.
Aber führen kann nur der, ders kann. ;-)
Davon bin ich aber noch meilenweit entfernt. Derzeit freue ich mich wirklich jeden Tag auf diese eine Stunde des Übens. Und da komme ich relativ schnell an den Punkt, wo nicht ich führe, sondern mein Klavier. Es sagt mir: "Junge, das war ja mal wieder richtig ärschlings." Oder: "Musst du eigentlich auf meinem Pedal übernachten Kerl?" Also muss ich nochmal an die Stelle ran. Und je öfter ich eine bestimmte Stelle, oder ein bestimmtes Stück übe und dann auch einen Übe-Effekt spüre, umso mehr höre ich mein Klavier sagen: "Na also, Du Nase, geht doch." Und dann sind wir Partner. So sehe ich das halt.
 
@thinman Deine Tanzpartnerin gibt Dir auch Feedback: "Musst du eigentlich auf meinem Fuß übernachten Kerl?" *lach*
 
Nachdem ich eingangs etwas grob mit (sinngemäß) "Dann lass es doch!" geantwortet hatte, melde ich mich noch mal zurück.

Ich finde, @sail67 hat mit der Partnerschaft zwischen Musiker und Instrument ein sehr schönes Bild gezeichnet, welcher Zustand eigentlich anzustreben ist. Eben so hilfreich finde ich die Sichtweise, dass unser Hobby Klavierüben ist und nicht Klavierspielen.

Der Eröffnungsbeitrag des TE ließ ja eher vermuten, dass hier jemand mit dem Kopf durch die Wand will, dass jemand Klavierspielen können möchte und nun enttäuscht ist, dass er dieses Können nicht erreicht, was er als Scheitern interpretiert.

Es ist eine Kopfsache, und wenn man möchte, kann man seine Einstellung zum Klavierspiel ändern, in Richtung Partnerschaft und der Weg ist das Ziel. @rolf 's Vorschlag, ein relativ leichtes Stück herzunehmen, wäre ein Schritt in diese Richtung. Er vermeidet, dass das Klavier einen beherrscht, was ja genauso wenig partnerschaftlich ist wie eine Bezwing-Attitüde seitens des Pianisten. Da der TE ja offenbar länglich Unterricht hatte, kann ich mir auch gar nicht vorstellen, dass er/sie ein einfaches Stück nicht schön hinbekommt, dass er nicht eine Melodielinie kantabel herausarbeiten und ihr verzückt hinterherlauschen kann, so dass er/sie eigentlich kurzfristig Freude am Üben entwickeln kann.

Allerdings muss man sich fragen, warum man seine Einstellung zum Klavierspiel verändern muss. Wenn die ursprüngliche Motivation nicht darin bestand, mit dem Instrument interagieren zu wollen, sondern darin, anderen etwas Anspruchsvolles vorspielen zu wollen, und dieses Ziel sich als unrealistisch erwiesen hat - warum sollte man dann das Ziel umdefinieren? Das neue Ziel mag realistischer zu erreichen sein, aber es ist doch gar nicht mehr das intrinsische Ziel, mit dem man mal losgelaufen ist? Es ist doch völlig ok, unrealistische Ziele auch mal aufzugeben. Insofern ist mein "Dann lass es doch!" nicht als Aufforderung zu verstehen, sondern als Hinweis auf eine mögliche Konsequenz aus dem Frust.

Ciao
- Kasten
 
Was ist ein Ziel? Diese Diskussion muss ich immer bei Zielvereinbarungen im Job führen. Zum einem muss es durch einen selbst erreichbar sein. Es muss in einer Form messbar sein (Das müssen nicht Zahlen sein) und die Zielvorgabe muss konkret sein.

Und jetzt kommt der Knackpunkt. Ziele dürfen, ja müssen auch angepasst werden. Das muss genau dann geschehen, wenn die Rahmenbedingungen sich ändern, oder nicht verantwortete Störfaktoren die Zielerreichung unmöglich machen.

Es ist recht schwierig nach guten Kriterien Ziele zu definieren. Hier scheitert die Zielerreichung häufig von Anfang an, weil das Ziel unkonkret oder völlig überzogen ist.

Ziele aufgeben ist der einfache Weg. Ziele anpassen ist erlaubt, jedoch bitte nicht Ziele dauernd nach unten schrauben bis kein Ziel mehr vorhanden ist.

Beispiel eines Anfänger: Ziel: Ich will in 5 Jahren virtuos spielen.

1.) Das Ziel ist nicht kronkret. Wie qualifiziere ich virtuos?
2.) Die Zeitspanne für das Ziel ist viel zu lang.
3.) Die Formulierung "Ich will" ist für ein Ziel ziemlich ungeeignet.

Enttäuschungen beginnen schon ganz am Anfang. Ich zementiere Enttäuschungen mit falschen Zielen.
 
Was ist ein Ziel? Diese Diskussion muss ich immer bei Zielvereinbarungen im Job führen. Zum einem muss es durch einen selbst erreichbar sein. Es muss in einer Form messbar sein (Das müssen nicht Zahlen sein) und die Zielvorgabe muss konkret sein.
Der Vergleich mit Mitarbeitergesprächen hinkt.

Im Job geht es darum, ein wie auch immer definiertes, unverhandelbares Firmenziel auf den Mitarbeiter herunterzubrechen. Nichts anderes. Da der Mitarbeiter aber keine Maschine ist, wird man natürlich seine persönlichen Ziele berücksichtigen. Dabei geht es aber primär darum, aus der Motivation für die persönlichen Ziele ein Momentum für die Erreichung des Firmenziels zu generieren. Entweder indirekt über Provisionsregelungen (was nicht besonders gut funktioniert) oder direkt, indem man Aufgaben findet, die der Mitarbeiter gerne macht und die gleichzeitig der Firma nutzen.

Beim Hobby sind die Ziele eben nicht "von oben" vorgegeben. Man steckt sie selbst und ist auch nur sich selbst Rechenschaft über die Zielerreichung schuldig. Damit stehen sie jederzeit zur Disposition. Wenn man nun zwischen tausend täglich wechselnden Pseudozielen gleichsam ziellos durchs Leben schwankt, ist das schade und ergibt keinen interessanten Menschen. Wenn man ein Ziel stur verfolgt, nur weil man es irgendwann mal aufgestellt hat (in Unkenntnis der Konsequenzen), ist das aber auch ziemlich dämlich.

Wenn man gerne andere mit einem locker hingelegten Boogie-Woogie beeindrucken möchte, ist das ein Ziel (wenn auch vielleicht ein narzisstisches und damit gesellschaftlich weniger akzeptiertes). Wenn man unmusikalisch ist oder zu wenig Zeit hat, wird man es nicht erreichen. Es nutzt nichts, das Ziel umzudefinieren, das ist dann nicht mehr das ursprüngliche Ziel, auch wenn es immer noch mit Klavier zu tun hat. Es ist ein neues Ziel und damit genauso gut wie jedes andere, etwa "ich möchte einen Segelschein machen". Ab und zu sollte man natürlich einen Realitäts-Check vornehmen. Wenn man im Jahr 10 Ziele verschlissen hat, macht man sicher was falsch mit seinen Zielen.

Ciao
- Karsten
 
@dilettant Da bin ich anderer Meinung. Mechanismen zu Zielen, deren Definition und Zielerreichung sind unabhängig davon in welchem Gebiet ich Ziele anwende. Die Konsequenzen aus einem verfehlten Ziel mögen unterschiedlich sein. Im Job bekomme ich vielleicht meine Tantieme nicht voll ausgezahlt, im Hobby droht mir selten eine materielle Konsequenz.

Das Mitarbeitergespräch hinkt insofern nicht, als das ich damit die Mechanismen von Zielen erläutert habe.
 
@sail67 Nee, ich kann Dir nicht folgen.

Für mich sollten private Ziele intrinsisch sein. Welchen Sinn sollte ein nicht-intrinsisches privates Ziel haben? Sich was beweisen? Ok, dann ist aber das Sich-etwas-beweisen-wollen das eigentliche Ziel und das, was man konkret macht, schon nur noch Mittel zum Zweck. Es-schaffen-können, Durchhaltevermögen, das kann man sich gleichermaßen mit einem Marathon unter 3 Stunden oder mit dem Erlernen des C-Dur-Präludiums ohne Vorkenntnisse beweisen. Viel größer ist doch aber die Gefahr, einem Ziel hinterherzulaufen, das gar nicht intrinsisch ist, das man also nur zu haben glaubt, weil man durch seine Umwelt bedingt meint, dieses Ziel haben zu müssen.

Jobziele hingegen sind zunächst erstmal artifiziell und damit nicht per se intrinsisch. Sie kommen nicht "aus einem selbst". Es kommt halt darauf an, sie so zu definieren, dass der Mitarbeiter sich mit ihnen identifiziert, sei es aus Einsicht in Notwendigkeiten oder aus einer großen Überlappung mit seinen persönlichen Zielen.

Ich sags mal so: Seine privaten Ziele muss nicht definieren, sondern finden (was u. U. gar nicht so einfach ist). Jobziele hingegen muss man aus Firmen- und privaten Zielen ableiten.


Edit:
Diese Frage (aus einem Faden hier im Forum) illustriert, was ich meine. Jemand mag keinen Bach. Er glaubt nun, man müsse Bach mögen, weil ja scheinbar alle das tun. Und schon wird "Ich möchte Bach mögen" zum (vermeintlichen) Ziel.
 
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