Betonung von Synkopen und begriffliche Abgrenzung zu anderen Bindungen

Es können alle möglichen Grooves überzeugend im Computer zusammengebastelt werden.

Nur manche eben nicht - dazu gehören u.a. (Jazz-)Swing oder auch vieles aus Brasilien.
Die müssen nach wie vor von einem Menschen gespielt werden, der diese "Sprache wirklich spricht".
 
Apropos Swing, hat jemand das Konzert der Berliner Philharmoniker auf der Waldbühne verfolgt? Da hat man das schön gesehen bzw gehört, dass sie halt bei allem Können keine Big Band sind. Alles sehr exakt gespielt, aber wenig Groove.
Erwartet aber bitte nicht von mir, dass ich das austheoretisiere. ;-)
Ein gutes Konzert war es übrigens trotzdem.

Ist die Eingangsfrage eigentlich beantwortet?
 
Und unabhängig vom Swing-Feeling des Art Tatum, das sich eben nur erspüren und nicht errechnen lässt, klingt die Aufnahme von Yuja Wang auch deshalb steril, weil die eigentlich improvisierte Musik hier nach Noten gespielt wird.
 
Solche Vergleiche sollte man im Blindtest bei möglichst gleicher Aufnahmequalität durchführen. Ob da die Urteile immer noch so eindeutig wären?

Und unabhängig vom Swing-Feeling des Art Tatum, das sich eben nur erspüren und nicht errechnen lässt, klingt die Aufnahme von Yuja Wang auch deshalb steril, weil die eigentlich improvisierte Musik hier nach Noten gespielt wird.
Spielt Art Tatum nicht „nach Noten“, oder wurde das Notenmaterial erst auf der Grundlage dieser Aufnahme/„Improvisation“ erstellt?
Fragt sich
cb, die bekennt, von Swing, Groove etc. keine Ahnung zu haben.
 
@Cheval blanc
Art Tatum hat als Jazzmusiker improvisiert. Es gibt einige Improvisationen, die nachträglich als Noten veröffentlicht worden sind, z.B. von Oscar Peterson und Keith Jarrett.
 
Tasteur, noch viel falscher - im Jazz wird nicht auf 2 und 4 betont. Wo hast Du all den Unsinn her?
So falsch ist das nicht. Bei Swing ist der Beat in der Regel auf 2 und 4, wenn du das Betonung nennst ist die Grundaussage richtig.
Jedenfalls wird das bei meinen Instrument dem Bass so gelehrt, so kann man ein Metronom zum swingen bringen:
 
Nein, ist nicht richtig. Man betont beim Walking Bass nicht die 2 und 4.

Ob etwas swingt, ist auch nicht davon abhängig, ob auf 2 und 4 betont wird.

Zweifelsohne gibt es natürlich einzelne Phänomene wie z.B. die häufig gespielte Hi-Hat auf 2 und 4 oder das manchmal (!) zu hörende Betonen der nachschlagenden Akkorde beim Stride Piano, aber als allgemeine Aussage ist das schlicht nicht richtig.

Lässt sich ja auch einfach nachprüfen, indem man sich anhört, wie die echten "Chefs" so spielen.

Einzelne Bandmitglieder - insbesondere Drummer - spielen, jedenfalls in bestimmten Stilistiken/Grooves, zwar immer mal wieder deutlich betonte 2 und 4; man nennt das dann bekanntlich "back beat". Dies bedeutet aber keineswegs, dass andere, z.B. auch Bassisten oder Pianisten, diesen back beat auch mitbetonen in ihren Lines!

Metronom auf 2 und 4 (oder z.B. nur auf 4) darf NICHT dazu führen, dass man die Metronomschläge mitbetont! Sehr wichtig! Man übt lediglich deswegen so, weil man a) ein "Zwischenkontrollmetronom" haben will und b) einem 1-und-3-Betonen (das sowohl in Jazz als auch in Klassik Zeichen von Anfängerspiel ist) entgegenwirken will.
 
Deswegen habe ich davon gesprochen, dass man hier, damit es richtig ist „Betonung“ mit Beat übersetzen muss. Betont im Sinne von lauter oder akzentuierter wird die einzelne Stimme tatsächlich nicht (unbedingt). Aber der Beat 2-4 muss immer zu fühlen sein, das ist auch eine Art Betonung.
 
Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Musiktheorie die musikalischen Phänomene zu erklären versucht, sie aber nie komplett erfassen oder gar ersetzen kann.
Ich habe auch nicht behauptet, dass mathematische Modelle das "Swing-Feeling" erklären könnten.
Sie erklären allenfalls die Grundstruktur, auf der dieses Feeling dann stattfinden kann.

Um diese theoretische Grundstruktur ging es mir, und ich wette, dass ihr alle bei beiden Aufnahmen von "Tea for Two" eine triolische Struktur gehört habt ... die steckt nämlich in beiden Aufnahmen (und das ist genau dei Grundstruktur, von der ich rede). Bei der ersten ist einfach nur der Sound grottig und die Dame hat eben auch nicht wirklich den Swing eines Art Tatum.
Mit der rhythmischen Grundstruktur hat dieser Unterschied nur einfach nichts zu tun, denn die ist in beiden mathematisch korrekt umgesetzt. Die Dame hat halt nur kein Feeling (ob das am Blattspiel liegt, kann ich nicht beurteilen ... manche versauen das auch bei Impros).

@hasenbein:
Endlich mal ein Beitrag, aus dem einem auch ein bisschen Ahnung entgegenkommt. Danke.

Backbeat zu hören, spüren oder zu denken, kann aber dabei helfen, dass es auch swingt ... dazu muss man ihn nicht mitspielen, sondern nur "mental präsent haben". Das versetzt dich unter Umständen in eine ähnliche Innere Spannung, wie wenn da ein Drummer spielt, der immer mal wieder den Backbeat betont (oder ostinat die Hi-Hat auf 2 und 4 tritt).
Versuch mal Gospel ohne das Klatschen im Offbeat ... das ist am Ende auch nichts anderes und es klingt ohne auch einfach nicht so recht nach Gospel.

Der Backbeat gehört zur nordamerikanischen Musikkultur genauso dazu, wie die Dreierverschiebungen zur latein- und südamerikanischen oder Marsch und Walzer zur deutschsprachigen.
 
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Oh, beim Walzer fällt mir noch ein:

Die Musik ist kein Wiener Walzer, das tut mir zumindest weh. Da fehlt komplett das, was einen Winer Walzer ausmacht. Ausser das es 'iregndwas mit drei' ist.

Grüße
Häretiker
 

@Häretiker
Ganz allgemein ist doch dem "Pöbel" nicht so recht bekannt, welche Unterschiede es zwischen "Ländler", "Walzer" und "Wiener Walzer" gibt.

Walzer ist halt nicht einfach "Humtata".
Mir sind diese Unterschiede allerdings auch nicht mehr hinreichend bekannt, als dass ich sie einem Laien erklären könnte. Das überlasse ich Tanzlehrkräften.

Ich spiele "joao e Maria" (Chico Buarque), und das ist auch ein Dreivierteltakt ... aber es ist eben kein Walzer (obwohl ich bei Konzerten schon erlebt habe, dass man dazu Walzer tanzen kann, wenn man dringend will ... wenn ich das sehe, dann weiß ich, dass die "Manöverkritik" danach lautet "das war zu schnell").

Ausserdem ist "let's dance" ja auch nicht unbedingt eine Show für Musiker oder Klassik-Begeisterte.
Da sollte man eventuell schon froh sein, wenn das Publikum "Cha Cha Cha" und "Rumba" auseinanderhalten kann.
 
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Lise da la Salle hat auf ihrem neuen Album übrigens auch eine Aufnahme dieser Transkription:


"Das zickt!", würde der Leiter der Big Band sagen, bei der ich mal einige Zeit mitgespielt habe.
Und was soll das Subkontra B am Schluss? Wird schon keiner hören, oder wie? Hätte sie mal einen Bösendofer Imperial genommen, der das Subkontra As draufhat, oder zumindest das Subkontra A einen Halbton tiefer stimmen lassen.
 
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Nur manche eben nicht - dazu gehören u.a. (Jazz-)Swing oder auch vieles aus Brasilien.
Das auszurechnen, der Unkenrufe zum Trotz, reizt meinen Ehrgeiz. Aber das hat Zeit, noch ist die Realisierung von Synkopen mit ihrem metrischen Vorzug wichtiger. Fälschlicherweise schleppen Synkopen die Metrik nach statt sie vorzuziehen. Von mir für mich und etwaige Interessenten wird das zu zeigen sein, die ggf. per privater Unterhaltung mit mir Kontakt aufnehmen mögen, um Interesse zu bekunden. Es gehört nicht hierher.

Ist die Eingangsfrage eigentlich beantwortet?
Ja, gelernt habe ich dank des Threads: Synkopen übernehmen die Betonung der nächsten Zählzeit, in die sie "hineindauern".
Beginnt etwa eine kombinierte Ganze, wenn ich so eine Überbindung von Einzelnoten mit der Gesamtdauer einer Ganzen nennen darf, bei Zz. 2 in einem normalen 4/4-Takt und endet sie ebenso bei Zz. 2 im nächsten, so wird sie halbschwer betont, nicht schwer (entgegen meiner Annahme), da die Drei vor der Eins kommt.

Selbiges gilt dann womöglich auch für die Zählzeiten ihrerseits, wenn man diese für sich genommen als "Untertakte" begreift.
Auf den Gedanken mit dem Untertakt bin ich gekommen bei meiner Beschäftigung mit Polyrhythmik und Polymetrik, die dasselbe sind, nur dass sich die eine auf den Takt und die andere auf den Untertakt/Zählzeit bezieht. Oder war es umgekehrt? Egal, wird eh grundsätzlich bestritten werden unter Verweis darauf, dass das, was ein Anfänger am Klavier sagt oder denkt, allermeist, so auch hier, auf Irrtümern beruht.

Jedenfalls hat das meine Überzeugung gestärkt, dass Musik ein fraktales Wesen hat.
Ein Polyrhythmus zum Beispiel, bestehend aus Klicks mit jeweils gleichen Abständen, wird bei extremer Temposteigerung zu einem Akkord, der entweder konsonant ist bei kleinzahligen Abstandsverhältnissen der enthaltenen Grundpulse, oder dissonant bei größerzahligen Verhältnissen. Und wer nicht wahrhaben mag, dass Computer mit fraktalen Strukturen sehr gut rechnen können, sei auf Mandelbrotmengen verwiesen, als ein Beispiel von vielen, googelt selbst.

Zudem scheint mir, könnte man Swing und Shuffle, und wie die ganzen erwähnten Rhythmusvariationen heißen mögen, als Synkopierungen innerhalb von Untertakten/Zählzeiten begreifen.
Wer sich über diese Untertakte noch frei definierte Accelerandi oder Retardandi gelegt denkt, die sich von einem zum anderen kontinuierlich, und zwar nicht unbedingt linear-kontinuierlich, sondern n-gradig polynomiell verstärken oder abschwächen, bekommt vielleicht eine Ahnung, dass der eine oder andere Killerphraser hier sich eines Tages wundern wird.

Der Irrtum, dass Computer nur gerade Rhythmen können, kommt einfach daher, dass viel Potenzial lange ungenutzt blieb, oder besser gesagt, zugunsten der Latenzgarantie, der Echtzeitfähigkeit aufgegeben werden musste.
Es gab Synthesizer und MIDI und der Mensch spielte selbst mit all seinem vom Lehrer zum Schüler tradierten, mehr oder weniger fundierten Rhythmusgefühl. Und dann gab es Techno und DAWs und Konsorten, und die Menschen haben sich an gerade Rhythmen gewöhnt, genau wie sie sich an rechte Winkel und ebene Flächen gewöhnt haben ... echte Musiker haben aufgeatmet, denn "Computer können sich nicht rhythmische Freiheiten nehmen wie der Mensch". Klar, bisher hat sich womöglich niemand die Mühe gemacht, Rhythmus in all seinen Facetten aus mathematischer Sicht zu begreifen.

Ich glaube aber lieber weder, dass ich der erste bin, der das versucht, noch, dass ich garantiert Erfolg haben werde. Noch nicht mal bin ich mir sicher, dass sich die KI-Apologeten, von deren anti-humanistischer Ideologie ich mich als Determinist ausdrücklich distanziere, sich ewig daran die Zähne ausbeißen, mein Programm für sich nutzbar zu machen. Musik kopieren, nachahmen, heuristisch zusammenwürfeln können sie ja schon, mit Verstehen hat das alles nix zu tun, am wenigsten verstehen sie das, was ihre Maschinen "lernen".
 
Hier kommt noch eine fehlerhafte Transkription hinzu:

 
Ist es nicht so dass man bei vielen Swing- oder Jazz-Stücken automatisch eher auf 2 und 4 mitschnipsen will? Woher kommt das?
Das ist das, was ich meinte mit „Betonung“ im Sinne von „Beat“. Es muss nicht unbedingt ein Ton auf 2 und 4 gespielt werden, aber trotzdem müssen diese Zählzeiten fühlbar gemacht werden. Wenn ich es beschreiben müsste, sind diese Zeiten die Ankerpunkte, die vergleichsweise Präzise eingehalten werden müssen.
 
Hahaha, Ihr seid schon echt lustig... es müssen alle Zählzeiten, allen voran die 1 (!), "präzise eingehalten" werden - allerdings bedeutet das nicht, dass diese notwendigerweise auch genau verklanglicht werden. Jeder Musiker muss den Beat sehr präzise in sich durchlaufend fühlen und die gespielten Noten alle in bezug darauf empfinden - entweder genau "drauf", etwas "laid back" (Dexter Gordon, rechte Hand von Erroll Garner), gelegentlich auch mal etwas vorneweg (Junior Mance, manchmal McCoy Tyner). Das kann auch innerhalb eines Stückes oder eines Solos immer wieder situationsabhängig wechseln; manche Phrasen verlangen nach dem einen oder dem anderen.

Immer genau auf dem Beat zu spielen ist Zeichen eines schlechten Musikers.
 

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