Auf der Stelle treten?

Im Gegensatz zu anderen Lernprozessen finden wir beim Klavierüben keine „Lernkurve“ , sondern "Lernstufen" vor (kann mich leider nicht mehr an die mathematische Bezeichnung erinnern). Das heißt, es geht mal eine Zeit lang (trotz Übens) nichts bis wenig weiter, und dann plötzlich wieder mehr als gewöhnlich.
Wie schon erwähnt macht es durchaus Sinn, Stücke zwischendurch länger wegzulegen und später wieder aufzuwärmen, da das Lösen von (nicht nur technischen) Problemen auch im Unterbewusstsein weiter erfolgt:
Es kommt zum „Reminiszenz-Effekt“, wobei man Stücke plötzlich besser spielen kann als vorher, obwohl man sie längere Zeit nicht geübt hat.
 
Das wird auch als "Plateau-Effekt" bezeichnet und tritt sicher bei allen langwährenden Lernprozessen auf. Dazu gibt's ein schönes Buch von George Leonard: "Der längere Atem. Die Meisterung des Alltäglichen." (Hat wohl neuerdings einen neuen, etwas marktschreierischen Titel.)
 
@ pianomobile:

Den Eindruck hatte ich auch, habe ich ja versucht, durch meine "Stockwerke" zum Ausdruck zu bringen. Ich dachte aber eigentlich, dass das nur eine theoretische Überlegung von mir sei.

Ich denke mal, am Anfang überwindet man in relativ kurzer Zeit viele dieser "Lernstufen", so wie man nach einem Jahr Sprache-lernen auch schon einiges kann (ich finde diesen Vergleich einfach sehr passend).
Je länger man spielt und weiter man kommt, desto schwieriger wird es wohl sein, die nächsthörere Stufe zu erreichen.

Die philosophische oder praktische Frage ist nun, ob die Intervalle zwischen den "Aufstiegen" proportional zur Übezeit sind, oder sozusagen immer eine gewisse, für jeden einzeln festgelegte, zeitliche Distanz zwischen sich haben. Vermutlich ist wie immer beides zu Teilen mit ausschlaggebend.

Heißt Begabung dann übersetzt, möglichst wenig Stufen "nach oben" zu benötigen bzw. mit kurzen Zeitabständen dazwischen auszukommen?

Ganz schön kompliziert...

beste Grüße,
Stilblüte


@ der.unvollendete

Was du beschreibst, ist einleuchtend, geht aber eher auf die Art und Weise ein, ein neues, unbekanntes Stück zu üben.
Ich bin mit meinem langweiligen von-hinten-nach-vorne-Üben eigentlich sehr zufrieden, die angesprochenen Probleme beziehen sich eher auf den Übeabschnitt, der erfolgt, sobald man die Töne beherrscht.
 
Heißt Begabung dann übersetzt, möglichst wenig Stufen "nach oben" zu benötigen bzw. mit kurzen Zeitabständen dazwischen auszukommen?

Ich denke letzteres. Begabung könnte aber auch einfach Glück bedeuten: Das Glück, schnell die effektivsten Methoden zum Fortschreiten auf den Stufen zu finden.

Ich denke darauf kommt es wesentlich eher an als auf die Übezeit.
 
Die philosophische oder praktische Frage ist nun, ob die Intervalle zwischen den "Aufstiegen" proportional zur Übezeit sind, oder sozusagen immer eine gewisse, für jeden einzeln festgelegte, zeitliche Distanz zwischen sich haben. Vermutlich ist wie immer beides zu Teilen mit ausschlaggebend.

Keine Ahnung, ob es dafür eine wissenschaftliche Formel gibt. Ich würde sagen, jeder braucht eine gewisse Phase um Geübtes zu verarbeiten, bevor wieder "was weitergeht". Diese Phase dürfte sehr individuell sein, da ja dem Einen andere Dinge schwer fallen als dem Anderen.
Vielleicht sollte man sich aber auch gar nicht so viele Gedanken zu diesem Phänomen machen, sondern einfach üben worauf man gerade Lust hat. Oder Stücke, bei denen man das Gefühl hat, dass gerade wieder was weiter gehen könnte...
 

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