Frédéric Chopin - Préludes op. 28

Ich weiß nicht, womit du .pdfs aufmachst, aber hoffentlich geht das Speichern als Bildatei einfach unter "Datei - Speichern unter", wo du dann unter anderem den gewünschten Dateityp auswählen können solltest.
Ich öffne Pdfs mit dem Adobe Reader. Ich habe keine Option gefunden, die es zulässt, die Datei in einem anderen Format abzuspeichern :rolleyes:

Fips, ich hab kein Scanner :mad:

lg marcus
 
Ich kann kaum glauben, dass das beim Adobe Reader nicht gehen soll.

Datei - Speichern unter: dann öffnet sich ja so ein Feld, wo man im Dateibaum den Speicherort auswählen kann; drunter steht ein Eingabefeld, wie die Datei heißen soll; und unter dem sollte ein Feld mit dem Namen "Speichern als" sein, wo man dann den Dateityp auswählen kann.
 
Ich kann kaum glauben, dass das beim Adobe Reader nicht gehen soll.

Datei - Speichern unter: dann öffnet sich ja so ein Feld, wo man im Dateibaum den Speicherort auswählen kann; drunter steht ein Eingabefeld, wie die Datei heißen soll; und unter dem sollte ein Feld mit dem Namen "Speichern als" sein, wo man dann den Dateityp auswählen kann.
Dieses Eingabefeld hat wohl eher symbolischen Wert, denn das einzige, was zur "Auswahl" steht ist eben ".pdf" ;)

Inzwischen hab ich aber gelernt, wie man Screenshots macht, also sollte das gehen.

lg marcus
 
Da kann man manchmal irgendwo noch auswählen "Alle Dateitypen" oder so, dann kriegt man auch andere zur Verfügung... Bin aber nicht sicher, ob's da auch geht. Naja, Screenshots sind besser als nichts.
 
So. Ich habe mir erlaubt alle bisherigen Erkenntnisse und meine eigenen in einen kleinen Text zusammenzufassen.
Falls es dabei strittige Punkte gibt, fänd ichs super, wenn wir hier noch darüber diskutieren könnten.

Entwurf einer Analyse – Chopin Prelude Op.28 Nr.16


Das Prelude beginnt sehr spannungsgeladen mit dem Dominantseptnonakkord und ihm folgend in chromatisch absteigender Linie Modifikationen dieses Akkords. Dieser quasi „Auftakt“ gibt bereits einen Vorgeschmack auf das Stück als Ganzes. Zum einen wird die spannungsreiche Harmonik inklusive Chromatik herausgestellt, zum anderen bereits der dramatisch-heftige Gestus des Preludes.
Durch das gesamte Prelude zieht sich eine durchgängige 16-tel Bewegung, die teils Läufe teils (freie) Akkordbrechungen bilden. Die Begleitung besteht fast ausschließlich aus einem einzigen Begleitmotiv (eine Technik, die aus dem Prelude Nr.2 bereits bekannt ist). Es ist rhythmisch ebenso einfach wie genial. Zunächst erzeugt es permanente Auftaktwirkung und das nachschlagende 8tel ergänzt das Motiv zur Akkordbrechung. Dadurch ist die Begleitung einerseits Harmoniegeber und andererseits maßgeblich am „Drive“ des Stückes beteiligt.

Aufgrund der Gleichförmigkeit von Melodik und Begleitung lassen sich formale Abschnitte am besten an der Harmonik festmachen. Anfangs bleiben die Harmonien lange liegen (T.2-4 b-Moll), aber im ab Takt 10 wechseln sie halbtaktig. Deshalb kann man T.2-9 als Teil A und T.10-17 als Teil B betrachten.
Als „Ausgleich“ zum schnelleren harmonischen Rhythmus findet von T.10-14 nur Wiederholung bzw. Sequenzierung statt. Dabei entfernt sich die Harmonik erstmals von den Hauptfunktionen und geht nach c-Moll und per chromatischer Rückung nach Des-Dur.
Der Takt 17 hat hörbar (!) Überleitungscharakter, denn das Begleitmuster hört auf und bleibt auf dem Dominantseptnonakkord stehen. Rechts führt eine stark chromatisch angereicherte melodische Linie zum Teil A’.
Die ersten vier Takte werden rechts exakt wiederholt und links findet eine Intensivierung durch Oktavierung der „Auftaktstöne“ statt, sodass eben jene Auftaktwirkung gesteigert wird.
Ab Takt 22 wird der Eintritt von Des-Dur (T.25) vorbereitet, indem Chopin statt dem erwarteten es-Moll einen dominantischen Akkord setzt.
Interessanterweise sind die beiden „ff“-Vorschriften T.18 + T.22 struktureller Natur! Erstere betont die Wiederholung des A-Teils, letztere unterstreicht die Variation des Teils (,auf dass der Interpret nicht darüber hinwegspiele).
Das in Takt 25 [vom Verfasser gestrichen!] erreichte Des-Dur stellt den Anfang einer Quintfallprogression nach a-Moll dar. Chopin deutet hier enharmonisch um, da die eigentliche Fortschreitung Ges-ces-Fes-heses schlecht lesbar ist, weil sie viele Doppel-Bs enthält.
Nachfolgend beginnt erneut eine Quintfallprogression (T.30/31), diesmal extrem verdichtet auf vier Harmoniewechsel pro Takt (alla Breve Takt !).
Anschließend führt eine unisono geführte chromatische Linie zu B’’. Hier findet eine chromatische Rückung nach Ces-Dur statt, das zunächst als Tonleiter aufwärts, abwärts als Akkordbrechung auftritt.
Es schließt sich eine energische Coda an. Sie ist erneut unisono geführt, weist unzählige Chromatismen auf und durchschreitet einen gewaltigen Ambitus (Kontra-E bis f’’’’).
Betrachtet man die Töne der Hauptzählzeiten (auch Schlag 2 und 4), so ergibt sich ein Zwischendominantseptnon. Deshalb hat diese Stelle so starken Finalcharakter. Sie führt nämlich eindeutig zum abschließenden Dominantseptakkord.

Insgesamt lässt sich also feststellen, dass Chopin hier ein toccatenhaftes Prelude komponiert hat dessen Drive sich ergibt aus:
Spannungsvoller Harmonik durch Chromatik, außergewöhnlich viele Durchgangs-/Wechselnoten, Anreicherung durch Septimen, Nonen; der rhythmischen Genialität der Begleitung, den Verdichtungsprozessen im harmonischen Rhythmus und natürlich das Tempo „Presto con fuoco“.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Es ist rhythmisch ebenso einfach wie genial. Zunächst erzeugt es permanente Auftaktwirkung und das nachschlagende 8tel ergänzt das Motiv zur Akkordbrechung. Dadurch ist die Begleitung einerseits Harmoniegeber und andererseits maßgeblich am „Drive“ des Stückes beteiligt.

Gute Festellung.

Ab Takt 22 wird der Eintritt von Des-Dur (T.25) vorbereitet, indem Chopin statt dem erwarteten es-Moll einen dominantischen Akkord setzt.

Wie siehst du den Akkord, dass du ihn dominantisch nennst?

Das in Takt 25 als Trugschluss erreichte Des-Dur stellt den Anfang einer Quintfallprogression nach a-Moll.

Als Trugluss gegenüber was? Eher wird doch einen Takt später des-moll als eine Art Trugschluss (Ich glaube, im engeren Sinne würde man's nicht so nennen, oder?) gegenüber Des-Dur erreicht. Ich würde außerdem sagen, dass die Quintfallsequenz erst in Takt 27 in des-moll anfängt.

Nachfolgend beginnt erneut eine Quintfallprogression (T.30/31), diesmal extrem verdichtet auf vier Harmoniewechsel pro Takt (alla Breve Takt !).

Oh... Hehe, ja, so einfach hätte man's sagen können. Ich würde das eine diatonisch-kadenzoide Quintfallsequenz nennen. ;)

Anschließend führt eine unisono geführte chromatische Linie zu B’’. Hier findet eine chromatische Rückung nach Ces-Dur statt, das zunächst als Tonleiter aufwärts, abwärts als Akkordbrechung auftritt.
Es schließt sich eine energische Coda an. Sie ist erneut unisono geführt, weist unzählige Chromatismen auf und durchschreitet einen gewaltigen Ambitus (Kontra-E bis f’’’’).
Betrachtet die Töne der Hauptzählzeiten (auch Schlag 2 und 4), so ergibt sich ein Zwischendominantseptnon. Deshalb hat diese Stelle so starken Finalcharakter. Sie führt nämlich eindeutig zum abschließenden Dominantseptakkord.

Dem kann ich nicht folgen... Bitte um nähere Erläuterung.
 
Wie siehst du den Akkord, dass du ihn dominantisch nennst?
Akkordtöne sind mE es-ges-heses. Das ist erstmal ein verminderter Akkord. Zum Dv erweitert werden würde er durch ein c, was dann als 5.Ton kommt und als 7. kommt ein h, was als Grundton (=ces) gedeutet werden könnte. Ganz eindeutig finde ich den Akkord auch nicht, aber diese Sicht scheint mir am angemessensten.
Hast du ne Alternative?
Zitat von Kleines Cis:
Als Trugluss gegenüber was? Eher wird doch einen Takt später des-moll als eine Art Trugschluss (Ich glaube, im engeren Sinne würde man's nicht so nennen, oder?) gegenüber Des-Dur erreicht. Ich würde außerdem sagen, dass die Quintfallsequenz erst in Takt 27 in des-moll anfängt.
Trugschluss bedeutet ja, dass die Dominante nicht zur erwarteten Tonika führt, sondern zu einem anderen Akkord, der meist mit der Tonika verwandt ist. All das ist gegeben. (Dominantseptnon auf F --> Des-Dur)

Die Quintfallsequenz fängt in Takt 27 an, da hast du Recht. Aber da ist ja immer noch Des-Dur und das meinte ich. :)

Zitat von Kleines Cis:
Oh... Hehe, ja, so einfach hätte man's sagen können. Ich würde das eine diatonisch-kadenzoide Quintfallsequenz nennen. ;)
Inwiefern denn diatonisch??

Zitat von Kleines Cis:
Dem kann ich nicht folgen... Bitte um nähere Erläuterung.
Hm, dito! :D
Tja, was willst du wissen?
Was missverständlich sein könnte: das B'' heißt "der Teil B'', " also keinen Ton.
Die chromatische Rückung nach Ces-Dur ist T.39/40. Hat dich da das "hier" in die Irre geführt?

lg marcus
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

s6 in des-moll.

Trugschluss bedeutet ja, dass die Dominante nicht zur erwarteten Tonika führt, sondern zu einem anderen Akkord, der meist mit der Tonika verwandt ist. All das ist gegeben. (Dominantseptnon auf F --> Des-Dur)

Da ist aber noch ein D7 auf Des in Takt 24 dazwischen! Außerdem seh' ich überhaupt keinen Dominantseptnon auf F. Bin ich blind?

Die Quintfallsequenz fängt in Takt 27 an, da hast du Recht. Aber da ist ja immer noch Des-Dur und das meinte ich.

Nein, Takt 26 und 27 sind ganz eindeutig des-moll, da ist ein Fes im Bass. Im Übrigen sehe ich gar keinen Dominantseptnon auf F.


Die Akkorde bestehen nur aus leitereigenen Tönen.

Ah, jetzt ist mir klar, was es mit der Ces-Dur-(= Neapolitaner-)Sache auf sich hat. :)

Ich hatte auch ganz übersehen, dass Takt 42-44 perfekten Sinn als Doppeldominant-Septnon-Akkord mit tiefalterierter Quinte (= deutsche Sexte) ergeben.
 
Akkordtöne sind mE es-ges-heses. Das ist erstmal ein verminderter Akkord. Zum Dv erweitert werden würde er durch ein c, was dann als 5.Ton kommt und als 7. kommt ein h, was als Grundton (=ces) gedeutet werden könnte. Ganz eindeutig finde ich den Akkord auch nicht, aber diese Sicht scheint mir am angemessensten.
Hast du ne Alternative?
Du meinst, dass der dominantische Akkord hier auf einem Ces basiert? Also auf Ces-Dur? Für mich ergibt das keinen Sinn, vor allem weil du eine Zeile drüber den Akkord noch mit einem C zum Dv ergänzen würdest. C und Ces passen in einem dominantischen Akkord nicht zusammen. Wenn der dominantische Akkord hier tatsächlich auf Ces-Dur basieren würde, dann dürfte es kein C, sondern müsste ein Deses sein.
Ich sehe ab T. 22 auch einen dominantischen Akkord, den ich erst auf das des-Moll in T. 27 bezogen habe, den man aber gemäß der Sicht von KleinesCis vielleicht doch besser auf das Des-Dur in T. 25 bezieht. Aber die Grundlage dieses dominantischen Akkords ist As. In T. 22+23 sehe ich einen Vorhalt zu diesem Akkord, in T. 24 steht dann der eigentliche Akkord: ein As-Dur-Septakkord.
Trugschluss bedeutet ja, dass die Dominante nicht zur erwarteten Tonika führt, sondern zu einem anderen Akkord, der meist mit der Tonika verwandt ist. All das ist gegeben. (Dominantseptnon auf F --> Des-Dur)
Weil der dominantische Akkord (T. 22-24) As-Dur ist, handelt es sich in T. 25 auch nicht um einen Trugschluss, sondern um eine astreine Des-Dur-Tonika (wenn man mal von dem As-Basston absieht, den man als Orgelpunkt deuten könnte).

Es war teilweise nicht ganz leicht für mich, deiner Analyse zu folgen, weil zum einen nicht immer klar ist, auf welche Stellen zu dich beziehst, und du zum anderen manchmal etwas vage bleibst. Ein von dir beschriftetes Notenbild wäre hilfreich gewesen, aber du sagtest ja, dass du das nicht so leicht machen kannst (kein Scanner etc.). Schön finde ich, dass du ein Gesamtbild des Préludes gibst und dabei auch noch einige Dinge prägnant benannt hast (=> Quintfallsequenz). Hast du eigentlich absichtlich gar keinen Bezug zu den Analysen von KleinesCis und mir genommen? (:()

Grüße von
Fips
 
Ah, gute Deutung! Warum hast du das nicht gleich gesagt :D
Zitat von Kleines Cis:
Da ist aber noch ein D7 auf Des in Takt 24 dazwischen! Außerdem seh' ich überhaupt keinen Dominantseptnon auf F. Bin ich blind?
...ich hab keine Ahnung, wie ich da einen gesehen habe :rolleyes: In meine Noten hab ich (D7) geschrieben, ich werde alt...
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Ah, gute Deutung! Warum hast du das nicht gleich gesagt :D

Dazu muss ich jetzt aber nichts sagen... :P

An der Stelle wird's auch, glaub' ich, keinen so großen Überraschungseffekt geben: Gegenüber dem es-moll vom Anfang ist doch bloß die Quinte tiefalteriert. Das deutet zwar an, dass es woanders hingeht, aber so ein massiver Bruch ist es wohl nicht.

...ich hab keine Ahnung, wie ich da einen gesehen habe :rolleyes: In meine Noten hab ich (D7) geschrieben, ich werde alt...

Oder dir geht's wie mir und du bekommst einen Schnupfen...
 
.marcus. und ich haben uns grade im Chat über die Préludes unterhalten und uns gefragt, welches wir als nächstes analysieren sollen. Ich schlug vor: Nr. 24 in d-Moll. Als Alternative, damit es nicht so ein langes Stück ist: Nr. 18 in f-Moll. Nr. 24 empfinde ich harmonisch als leichter zu analysieren. Nr. 18 ist eine Art anarchistischer Alptraum, was sich natürlich auch auf die Harmonik bezieht. Aber spannend wäre es auf jeden Fall. Also, ich frag hier nochmal in die Runde: Welches als nächstes?

Grüße von
Fips
 
.marcus. und ich haben uns grade im Chat über die Préludes unterhalten und uns gefragt, welches wir als nächstes analysieren sollen. Ich schlug vor: Nr. 24 in d-Moll. Als Alternative, damit es nicht so ein langes Stück ist: Nr. 18 in f-Moll. Nr. 24 empfinde ich harmonisch als leichter zu analysieren. Nr. 18 ist eine Art anarchistischer Alptraum, was sich natürlich auch auf die Harmonik bezieht. Aber spannend wäre es auf jeden Fall. Also, ich frag hier nochmal in die Runde: Welches als nächstes?

Grüße von
Fips

Nr 17 As-Dur?
 
Also mich würd' schon interessieren, was man für eine Ordnung in Nr. 18 bringen kann. :)
 
Chopin - Prélude Nr. 18 in f-Moll

Also, da im Chat beim Prélude Nr. 18 schon munter drauflos analysiert wurde, hat sich die Frage, welches als nächstes drankommt, wohl erübrigt. Nr. 24 und Nr. 17 werden auf später verschoben. Ich will nun hiermit ein erstes Ergebnis meiner Analyse vorlegen und bin sehr gespannt auf die Reaktionen bzw. die Sichtweisen der anderen. Warnung: ziemlich langer Text!

Das Prélude Nr. 18 in f-Moll ist meiner Meinung nach eines der anarchischsten und im wahrsten Sinne des Wortes spannendsten Klavierstücke der Romantik. In der Harmonik steckt maximale Spannung, die sich erst im letzten Akkord löst. In der Melodik herrscht ein ruheloses Auf- und Ab- und Hin- und Hergewoge. Eigentlich gibt es in diesem Stück keine Melodik, sondern nur sich durch schnelle Läufe vollziehende „Schwünge“ zur jeweils nächsten Harmonie. Strukturell drängen sich die Harmonien immer mehr zusammen, d.h. die Häufigkeit der Harmoniewechsel steigert sich und erzeugt so ein Gefühl des Drängens bis zum Spannungshöhepunkt, der sich in den Schluss hinein entlädt.

Das ganze Stück basiert auf einer großen dominantischen Spannungskurve, die gleich zu Beginn sehr markant mit einem Dominant-Sept-Non-Akkord in C-Dur eingeleitet wird (T. 1). Die Tonika kommt zunächst überhaupt nicht vor. Das Spannungsmoment des Beginns wird durch zwei Merkmale hervorgehoben: erstens durch das Non-Intervall in der linken Hand und zweitens durch den Quartvorhalt in der rechten Hand.

Die Töne des C-Dur-Dominant-Sept-Non-Akkords finden sich dann in dem folgenden Lauf wieder, der motivisch zunächst das Eingangsmotiv fortsetzt und sequenziert. Die akkordeigenen Töne (die ich rot eingekringelt habe) werden von zusätzlichen Tönen „umlagert“. Teilweise bestehen sie aus den beiden benachbarten Halbtönen: in T. 3 z.B. gehen dem e' die benachbarten Töne f' und dis' voraus; ebenso dem g' die Töne as' und fis'. Der gesamte Lauf endet jedoch nicht in der Auflösung zur Tonika, sondern mündet direkt in die nächste Dominant-Spannung. (Ich habe mich übrigens bei den Läufen auf die Bezeichnung und Betrachtung der rechten Hand beschränkt, wenn sie oktaviert gespielt werden.)

Der Anfang des Stücks wiederholt sich sinngemäß in F-Dur (T. 5) und nach einem erneuten Lauf mit akkordeigenen (rot eingekringelt) und zusätzlichen Tönen kommt es zu einem ersten Anflug einer Spannungslösung. Der F-Dur-Sept-Non-Akkord löst sich in dem b-Moll-Akkord in T. 9 auf. Funktionsharmonisch ist das die Subdominante. Durch die Sixte-ajoutée kommt jedoch gleich wieder ein neues Spannungsmoment hinein, d.h. es kommt nur zu einer Teil-Auflösung.

Die Harmonien wechseln nun schneller, die Läufe sind kürzer. Bisher gingen die Läufe über zwei Takte, nun nur noch über gut einen halben Takt. Der Lauf in T. 9 folgt dem bisherigen Schema mit akkordeigenen und zusätzlichen Tönen. In T. 10 steht ein Dv (zweites Viertel). Der nächste Lauf mündet erstmals in die Tonika (T. 11, zweites Viertel). Die beiden hohen as'' auf dem dritten Viertel in T. 10 dienen sowohl als Vorhalte zu dem folgenden g'' als auch als Vorwegnahme der akkordeigenen As-Töne des f-Moll-Tonika-Akkords.

Der nächste Lauf (nach bekanntem Schema) mündet wieder in einen Dv (T. 12, zweites Viertel). Dieser Dv bezieht sich auf einen c-Moll-Akkord, der jedoch nicht voll eintritt. Die ersten vier Sechzehntel in T. 13 enthalten immerhin c' und es'. C-Moll entspräche der Moll-Dominante, die ich als solche in den Noten bezeichnet habe. Aber statt der wirklichen Moll-Dominante kommt die Tonika-Parallele, das ist ein As-Dur-Akkord. Hier könnte man also von einem Trugschluss sprechen (Dv führt nicht zur Moll-Dominante, sondern zur Tonika-Parallele).

Ab T. 13 drängt sich das Stück harmonisch und motivisch immer mehr zusammen. Die Läufe verkürzen sich auf ein Vier-Sechzehntel-Motiv vor jedem Harmoniewechsel (bis inkl. T. 15). Ein neues, drängendes Motiv, welches besonders durch das Eses charakerisiert ist, wird eingeführt und nimmt bereits das dominantische C der Schlussdominante vorweg bzw. betont schon hier dieses C. Die Tonika-Parallele in T. 13 führt durch halbtonweise Erhöhung der Quint (es – e – f) wieder zurück zur Tonika (T. 15, zweites Viertel). Ab T. 16 bleiben die Läufe bzw. Sechzehntel-Motive ganz aus und es folgen vier schnelle Harmoniewechsel, bevor das Stück im Akkord X (siehe unten) seinen Spannungshöhepunkt erreicht. Bemerkenswert ist die Verdichtung der Harmonien von T. 13 bis T. 16. In T. 13 und 14 wechseln die Harmonien noch taktweise, in T. 15 stehen bereits zwei, in T. 16 dann vier Harmoniewechsel.

Auf dem vierten Viertel in T. 15 steht ein Dominantseptakkord (auf der Sept), der sich auf den Tonika-Gegenklang bezieht. Der Tonika-Gegenklang folgt erst auf dem dritten Viertel in T. 16. Auf dem zweiten Viertel in T. 16 steht jedoch noch ein eingeschobener Dv, den ich in eckigen Klammern darüber geschrieben habe. Da dieser Dv hier ein bißchen „stört“, rein funktionslogisch gesehen meine ich, könnte man ihn vielleicht auch lediglich als einen Durchgangsakkord zwischen dem As-Dur-Septakkord und dem Des-Dur-Akkord sehen. Funktionsharmonisch ließe sich dies als Vorhaltakkord zum Tonika-Gegenklang erklären.

Es gibt aber auch noch folgende Möglichkeit. Man könne den As-Dur-Septakkord (ab dem vierten Viertel in T. 15) auch als nicht-dominantischen Akkord sehen. Die Sept (Ges) hätte dann keine dominantische Funktion, sondern stünde lediglich als hinzugefügter Zwischenton im Bass zwischen dem F (T. 15, zweites Viertel) und dem G (T. 16, zweites Viertel). Funktionsharmonisch wäre das dann die Tonika-Parallele mit hinzugefügter Sept. In T. 16, zweites Viertel stünde ein vollgültiger Dv, der sich allerdings nicht in die Tonika auflösen würde, sondern in einem Trugschluss in den Tonika-Gegenklang. Danach ginge es weiter wie von mir in den Noten bezeichnet.

Ab. T. 12 steht im Bass eine schön verbundene Linie: F – Es – E – F – Ges – G – As – B – Ces. Das erste F könnte man auch weglassen, dann wäre es eine (fast) durchgängig chromatisch aufsteigende Linie, die sogar noch bis zum dominantischen C am Schluss weitergedacht werden kann. Das Ges ist die oben benannte hinzugefügte Sept, deren Sinn sich aus der chromatischen Folge dieser Basslinie ergibt.
Was mir noch aufgefallen ist: Die hohen oktavierten Achtel in T. 16 (zweites, viertes, sechstes und achtes Achtel; von mir durch eine rote Linie verbunden) sind eine in die Länge gezogene Fassung des Vier-Sechzehntel-Motivs, das zuvor jeweils vor einem Harmoniewechsel aufgetreten ist bzw. überhaupt des öfteren in dem Prélude vorkommt.

So, nun zum Akkord X. Ich habe – bereits mit rauchendem Kopf über die Noten gebeugt – für diesen Akkord keine Lösung mehr gefunden. Beim Spielen am Klavier konnte ich den Sinn des Akkords aber hören, deshalb habe ich ihn kurzerhand als „Akkord X“ bezeichnet. Der Akkord steht von der Funktionslogik bzw. von der „Hörlogik“ her zwischen der Subdominante mit Sixte-ajoutée (T. 16, viertes Viertel) und einem dominantischen Quartsextakkord, der aber nicht vorkommt, sondern lediglich in dem tiefen C in T. 19 „mitgefühlt“ werden kann. Für mein Empfinden ist im Akkord X die Spannung des gesamten Stücks am Höhepunkt.
Danach rauscht ein Lauf in die Tiefe, bleibt auf dem tiefen F-Triller stehen und rasselt schließlich in den Sechzehntel-Triolen vollends hinunter zum tiefen C. Der letzte Lauf (T. 17, drittes und viertes Viertel) kommt als einziger Lauf des Stücks nur in der rechten Hand vor und folgt auch sonst nicht dem Schema der anderen Läufe. Die Spannung löst sich in den letzten beiden Akkorden des Stücks durch eine einfache Verbindung von Dominante und Tonika.

Ein Wort noch zu den anarchischen Elementen in diesem Prélude. Die ungezügelte Wildheit, die ich mit Anarchie assoziiere, kommt vor allem durch folgende Merkmale zum Ausdruck:
* Scharf dissonante Harmonien (z.B. T. 1).
* Weite Sprünge und ständige, unregelmäßige Richtungswechsel in den Läufen.
* Wucht und „Energie-Konzentration“ durch Unisono in den Läufen.
* Vollgriffige Akkorde nach Läufen immer erst auf der zweiten, normalerweise unbetonten Taktzeit.
* Praktisch völlig fehlende Melodik (und das in einem Stück der Romantik! Chopin war da schon ein Rebell, siehe auch den letzten Satz der 2. Klaviersonate).
* Das Eses-Motiv mit den folgenden C-Repetitionen. Eses nach As-Dur-Akkord, d.h. Eses nach Es und dann sogar nach E!

So, das wärs. Ich gebe zu, es war ein langer Text, hoffentlich habt ihr durchgehalten. Eine kleine Weisheit noch zum Schluss aus meinem unmittelbaren Erfahrungsschatz: Wer etwas auf dem Herd hat, sollte sich niemals ins Clavio-Forum einloggen und mit Chopin-Analysen beginnen, denn sonst raucht nicht nur der Kopf, sondern es nach einer Weile auch unangenehm aus der Küche... :| :D

Viele Grüße von
Fips
 

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Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Super Arbeit, Fips
Ich habe dabei auch noch einige Dinge selbst verstanden :D

Kleine Anmerkungen:
Die Harmoniefolge in T.16 As7 - Dv - Des mag man vlt auch als kleines Verwirrspiel betrachten. Der Dv legt nahe, dass es doch nicht wie erwartet nach Des-Dur geht, sondern am ehesten nach f-Moll, und dann haut der Chopin doch das Des-Dur rein :)
Der Akkord X ist ja ein Des7 (Es ist ein Ces nicht C, oder hast du dich bloß verschrieben?). Man könnte ihn umdeuten in den DDv mit tiefalterierter Quint. Irgendwie kommt uns der DDv5- zum Schluss eines Stückes ja irgendwie bekannt vor :floet:

Was ich noch ergänzen würde:
Im Prelude sind alle Takte außer T.3/4, 7/8, 16/17 halbtaktig gegliedert. Chopin nutzt dieses Muster, um Spannung zu erzeugen, wenn er daraus ausbricht. Durch die Einschiebung von Pausen ab T.9 wird das ganze sowieso intensiviert.
Die Bewegungsrichtung der Figuren ist auch interessant. Ab T.9 geht es tendenziell immer abwärts! Wenn dann das energische Motiv des Anfangs wieder dazukommt, kriegt diese Abwärtsbewegung einen Gegenpol.
T.13/14 halbtaktiger Wechsel aufwärts-abwärts
T.15/16 aufwärts - T.17/18 abwärts

Ich würde dem anarchisch würde ich noch archaisch hinzufügen ^^ Einerseits wegen der rohen Gewalt (fz, fff), aber auch wegen der unisono-Führung, Basstriller im Oktavabstand und z.B. dass der Schlussdominante die Terz fehlt.

Man müsste auch noch die ununterbrochene Steigerung von T.9-17. Das kann ja nicht nur über das crescendo laufen, sondern muss auch strukturell z.B. in der Bewegungsrichtung, der Harmonik etc liegen.

lg marcus, ich hoffe das Essen war noch genießbar?! Dass du überhaupt um 1:00 nachts noch was kochst ;-)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Guten Morgen!

Da scheint mir ja nicht mehr viel hinzuzufügen zu sein, nur ein paar Kleinigkeiten.
Gestern haben wir allerdings zwei Motive gefunden, die man noch herausheben sollte. Das erste sind die 4 Sechzehntel auf dem zweiten Viertel in Takt 1, die dann auch in 2 vorkommt und in 3 in der ersten Hälfte des Laufs. Später kommt das Motiv in 13,14 und 15 und irgendwie auch in 18 vor.

Das zweite Motiv wären die ersten 4 Sechzehntel in Takt 9. In Takt 10 macht er da mal was anderes - am Ende des Läufchens am Anfang von Takt 11 geht's da auch mal hinauf und nicht wieder hinunter -, aber in Takt 11 ist das Motiv wieder da, und auch am Anfang des Laufes in Takt 12. Dieses Motiv kann selbst irgendwie noch der Liste von Anarchismen hinzugefügt werden, mit seinen zwei aufsteigenden kleinen Sekunden, wo doch in Takt 9 (und in den anderen analog) des-g-as-b eine viel bravere Lösung gewesen wäre.

Apropos Takt 18, da könnte man noch erwähnen, dass dass da in halbtonschritten nach unten Sequenziert wird.

Der Dv in 16 ist wirklich komisch, da er des und nicht cis geschrieben hat. Ich bin daher für die letzte von dir genannte Möglichkeit, nämlich dass das ein Trugschluss ist und die tP da nicht dominantisch ist und die Septim nur einfach hinzugefügt ist, um die chromatische Basslinie zu ergeben.

Dem Ding in Takt 14 könnte man eventuell dominantische Geltung zusprechen, wo das davor doch schon ein Trugschluss in der Dominanten (und eben nicht in die Dominante) war.

Was haltet ihr von einer Subdominante mit kleiner None statt Grundton für den Akkord X?

PS: Oh, gleichzeitig mit marcus geschrieben. Naja, muss jetzt aber weg...
 
Der Dv in 16 ist wirklich komisch, da er des und nicht cis geschrieben hat. Ich bin daher für die letzte von dir genannte Möglichkeit, nämlich dass das ein Trugschluss ist und die tP da nicht dominantisch ist und die Septim nur einfach hinzugefügt ist, um die chromatische Basslinie zu ergeben.
Ein cis würde aber auch wenig Sinn machen, weil der Dv dann auf A aufgebaut wäre und nach D nicht Des weitergehen müsste.
Zitat von Kleines Cis:
Was haltet ihr von einer Subdominante mit kleiner None statt Grundton für den Akkord X?
Ich finde der Akkord hat dominatische Wirkung. Wohl wegen der kleinen Septim des-ces. Selbst eine None wäre ja eher der Dominante zuzuordnen als der Subdominante.
Ich plädiere für DDv5- wie im Prelude 16 in der Coda :cool:
 

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