Guten Tag, opus_diaboli!
Nach den Spam-Beiträgen von Neronick (der sich wenig Mühe gibt,
nicht wie ein Troll zu wirken), ist Dein Beitrag von erfrischender Seriosität.
Trotzdem enthält er eine Reihe von Wahrnehmungs- und Argumentationsfehlern.
So, da viele hier so genüsslich Yann Tiersen bashen [...]
Du setzt schon mit einem Mißverständnis ein. Meines Wissens hat niemand
Yann Tiersen gebasht, und welchen Sinn sollte das Yann-Tiersen-Bashing haben?
Empört sich ein Literaturliebhaber über den Lore-Roman? Ein Koch über Junkfood?
Man nimmt die Massenerscheinungen schlechten oder nicht vorhandenen Geschmacks
amüsiert/achselzuckend zur Kenntnis. Widerspruch regt sich, wenn der Lore-Roman
als nobelpreiswürdig und Junkfood als Vollwertkost bezeichnet wird.
Aber zur Not kann man auch das hinnehmen, als ein soziologisch zu begreifendes Phänomen:
den Kampf der Massenkultur um Anerkennung. Liebhaber der Massenkultur verachten zwar
die sogenannte "bürgerliche Hochkultur", wollen aber die von ihnen favorisierten Produkte
mit dem Nimbus des Hochkulturellen versehen, und ein guter Mediator kann das verstehen:
Wer läßt sich schon gerne sagen, daß er Dreck frißt?
Das Problem bei der Sache: Es geht nicht um hoch oder tief, sondern um gedankliche Anstrengung
und deren Verweigerung. Heftchenromane und synthetische Volksmusik zum Mitklatschen
werden zu Entspannungszwecken konsumiert, was jedermann gegönnt sei. Es ist das gute Recht
jedes Menschen, sich gedanklicher Anstrengung zu verweigern. Aber den Nichtgebrauch seiner
Intelligenz als anerkennenswerte Leistung auszugeben?
Klassik, insbesondere klassisches Klavier, ist im Grunde tote Musik.
Geh mal ins Kino oder sieh Dir eine beliebige Schmonzette im Fernsehen an,
und Du wirst überrascht sein, wie lebendig dieses Instrument, genauer gesagt:
wie omnipräsent dort der Klavierton ist, gerne an den zentralen Stellen eines Films,
zum Beispiel der ersten Begegnung mit dem/der Geliebten. Der Klavierton im Film
steht für Zauber, Melancholie, Momente des Innehaltens, der Reflexion.
Bei klassischer Musik hört man stets dasselbe Zeug.
Wenn Du das Ganze in der 1.Person Singular wiederholst, wird vielleicht
ein richtiger Satz daraus. Du müßtest Deine Hörgewohnheiten ändern.
Wenn Du Dich mit Bach oder Schubert, Debussy, Messiaen oder Ligeti beschäftigst,
wirst Du merken, daß sich der Verlauf ihrer Musik nicht vorhersagen läßt.
Zwar ist das Repertoire recht groß, aber da die sich die meisten Komponisten
auf die bekannten Titel beschränken, ist es immer wieder alter Wein in neuen Schläuchen.
Bemerkenswert finde ich das deshalb, weil viele Klassik-Fans der Popmusik genau diesen Vorwurf machen.
Zunächst einmal vermute ich bei Dir in der ersten Zeile dieses Zitats einen Lapsus:
statt "Komponisten" meinst Du "Interpreten". Ansonsten fühle ich mich angesprochen,
da ich die 'Comptine' als Popmusik ohne Text bezeichnet habe. Ich gebe zu, daß der Vergleich
uncharmant gewesen ist, weil er die Popmusik diskriminiert. Es gibt sehr gut komponierten Pop.
Davon hat Tiersen aber nicht die blasseste Ahnung.
HG, Gomez
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