Vergleiche zu anderen Lehrkräften scheitern bereits daran, dass die Unterrichtssituation (genaue Unterrichtsdauer, Unterrichtsfrequenz, Ferienzeiten, vorhandenes Instrument und die damit verbundenen Kosten, öffentliche Förderung, etc.) oft sehr unterschiedlich ist und daran, dass Angebot und Nachfrage je nach Ort, Art Berufsausübung (Angestellter, Selbständiger, Professor), Berufserfahrung der Lehrkraft, etc. sehr unterschiedlich sein können.
Entscheidend ist der individuell unterschiedliche Konkurrenzdruck auch durch Faktoren, die mit der freiberuflichen Tätigkeit als Lehrkraft nicht einmal direkt zusammenhängen müssen. Erzielt die Lehrkraft weitere Einkünfte durch andere Formen der Berufstätigkeit (etwa eine hauptamtliche Position, auch in einer anderen Branche) oder lebt sie weitgehend vom Unterrichten auf selbständiger Basis? Stehen arbeitsunabhängige Einnahmequellen zur Verfügung (gut verdienender Partner, ererbtes Vermögen)? Muss mit den erwirtschafteten Honoraren eine Familie ernährt werden? Sind zur Berufsausübung größere Investitionen zeitnah zu tätigen, ist beispielsweise neu angeschafftes Instrumentarium abzuzahlen? Diese Faktoren sind außerordentlich verschieden im Zusammenwirken, so dass ein tariflicher Mindestlohn hier gar nicht ermittelbar ist. Bei Arbeitnehmern sieht die Situation anders aus, da die zur Ausübung der Tätigkeit anfallenden Betriebskosten vom Arbeitgeber zu tragen sind. Ein ganz problematischer Faktor ist, dass die gleiche Tätigkeit (das Erteilen von Instrumentalunterricht) auf unterschiedliche Weise erfolgen kann und diese Angebote miteinander konkurrieren: Hauptamtliche Position oder Lehrauftrag auf Honorarbasis? Wird die Kultureinrichtung subventioniert oder nicht? Ist die Lehrkraft in der Branche bekannt/gut vernetzt oder nicht? Werden die entstehenden Kosten weitgehend oder komplett an den Kunden weitergegeben, weil andere Geldquellen fehlen, sind die Preise logischerweise höher zu kalkulieren. Da kann die freiberufliche Lehrkraft nur hoffen, dass der Kunde nicht grundsätzlich lediglich den billigsten Anbieter wählt.
Ich arbeite auch in einem Berufsstand, in dem immer händeringend neue Leute gesucht werden. Das Einkommen der Leute, die so händeringend suchen, ist wahrscheinlich wesentlich stärker gestiegen als mein Gehalt, der angeblich so gesucht wird. Komische Welt.
Gar nicht so komisch, sondern durchaus erklärbar. Auch in Krisensituationen haben sehr leistungsfähige Arbeitskräfte ihren Marktwert und ihren Preis. Wer diesen nicht zahlen will, muss eben auf unter Druck handelnde Dienstleister warten, die den Job für noch weniger Kohle anzunehmen bereit sind. Vor diesem Hintergrund kann die Mitgliedschaft in einem Berufsverband eine Überlegung wert sein. Solche Verbände können einem zwar keine neuen Aufträge besorgen und einem das Verhandeln nicht abnehmen - aber die Mitglieder haben die Möglichkeit, sich auf ein bestimmtes Preis-Leistungs-Gefüge zu einigen und bei Unterschreiten in der ganzen Region eben entsprechende Aufträge abzulehnen. Dann steht keiner mehr zur Verfügung, der für immer noch weniger Geld zum Unterrichten und/oder Musizieren bereit ist.
Deutsche "Geiz ist geil" Kultur eben... Hauptsache, einen SUV vor der Haustüre haben, aber der KL, die Pflegekraft und das Essen darf dann nichts kosten.
Eine Kultur ist das keine, eher eine Unart. Das dicke Auto taugt zur Repräsentation - und dafür muss eben Geld da sein. Wenn Konditionen unabhängig von Tarifbindungen aushandelbar sind, wird natürlich härter verhandelt. Das dürftige Entlohnen mancher Tätigkeiten hat vorrangig mit geringer Wertschätzung der angebotenen Dienstleistung zu tun: Künstler haben sowieso nur ihr Hobby zum Beruf gemacht und in Pflegeberufen gelten viele Tätigkeiten als alltäglich und mit wenig besonderer Qualifikation verbunden. Putzen, Essen aufwärmen, mit den Leuten reden und dergleichen macht zwar nicht jeder gerne, aber viele sind der Auffassung, man müsse dazu nicht viel können, wenig Denkleistung aufbringen und besonders produktiv seien diese Tätigkeiten ohnehin nicht. Wenn dann vor dem Hintergrund geringer Wertschätzung so mancher die Arbeit lieblos und mehr schlecht als recht nach dem Motto "Null Bock und Null Ahnung" erledigt, schließt sich ganz schnell mal ein Teufelskreis. Aber es hilft nichts: Man kann nur mit professioneller Einstellung und einem langen Atem das Ansehen und die Wertschätzung entsprechender Dienstleistungen zum Besseren verändern und sich dabei innerhalb der Branche bestmöglich vernetzen. Beim Kunden hat die Botschaft anzukommen, man erhalte eine exzellente und engagiert erbrachte Dienstleistung, die nun mal den Preis X wert sei - und die seriös am Markt agierenden Fachkollegen unter den Anbietern teilen diese Ansicht. Kein leichter und bequemer Weg, aber es ist nicht unmöglich, diesen auf lange Sicht erfolgreich zu beschreiten.
Ein Suchergebnis zur Ausgangsfrage aus verbandlicher Sicht:
https://www.nmz.de/artikel/ergebnisse-der-honorarumfrage-des-dtkv-nrw
Wichtig ist es freilich, nicht nur Zahlen aufzulisten, sondern auch einige Hintergründe zu kennen. So geht zum Beispiel so mancher Freiberufler mit seiner Honorarvorgabe in die Dimensionen dessen runter, was an der kommunalen Musikschule vom Schüler zu zahlen ist, um konkurrenzfähig zu sein. Während letzterer eine wirtschaftliche Grundlage aus Zuwendungen der Gemeinde zuteil wird, muss sich die freiberuflich tätige Lehrkraft selbst subventionieren. Fragt sich leider nur wovon.
LG von Rheinkultur