In dem Musikhaus, wo ich meine Lehre gemacht habe, wurde auch Keyboard unterrichtet. Als ein Lehrer wegfiel, wurde ich gefragt. Und was soll ich sagen: ich hab ja gesagt - ich war jung und brauchte das (ziemlich gute) Geld. Da waren dann ca. 6 Schüler, alle mit Kopfhörer.
Ach Du heilige Sch***e! Das erinnert mich an meine allerersten musikalischen Anfänge mitten in den 1970ern! Mein Vater war als Schulleiter in einer kleinen süddeutschen Dorfgrundschule tätig, wo es für den Musikunterricht eine Kofferorgel gab, auf der ich mir autodidaktisch ein paar Grundfertigkeiten aneignen konnte. Da sich im Schulhaus auch die von uns bewohnte Lehrerwohnung befand, konnte man auf die im Schulhaus befindlichen Apparaturen (z.B. ein Tonbandgerät der Marke Telefunken) schon mal nach Unterrichtsende zurückgreifen.
Irgendwann geriet die Musikalität in den Blickwinkel meiner Eltern und ich wurde im katholischen Kinder- und Jugendchor sowie in einer "Heimorgelschule" der nahegelegenen Kreisstadt angemeldet. In letzterer spielte sich genau dieses beschriebene Szenario ab: In einem Unterrichtsraum standen links und rechts von einem Mittelgang jeweils drei von den damals zeittypischen zweimanualigen Heimorgeln mit dreizehntönigem Stummelpedal und Begleitautomatik. Mit einem Mitglied beschäftigte sich die Lehrkraft persönlich und die anderen waren mit aufgesetzten Kopfhörern sich selbst überlassen. Unterrichtet wurden alle nach einer Heimorgelschule in mehreren Heften, die ich bereits nach nicht allzu vielen Wochen komplett durchgearbeitet hatte. Dazu gab es zwei oder drei Bände einfacher Spielliteratur, darunter simpel gesetzte Klassiker. Als ich selbst mal Noten mitbrachte, die ich gerne im Unterricht gespielt hätte, sagte der Lehrer, das könne er selber nicht mehr spielen, geschweige denn unterrichten. Zu schwer, kann ich nicht. Schon bald legte die Schulleitung meinen Eltern nahe, einen anspruchsvollen Einzelunterricht andernorts für den begabten Sohn zu organisieren, den man leider selber nicht im Angebot habe.
Also gab mir der den Kinderchor leitende Bezirkskantor ein wenig musikalisches Rüstzeug mit auf den Weg, ließ mich zur Begleitung des Chores selbst ans Instrument ran und ich bekam privaten Klavierunterricht bei einem extrem jähzornigen alten Kapellmeister, der einst unter Karl Böhm an der Dresdener Staatsoper gearbeitet hatte und sich nach seiner Flucht in den Westen mit Klavierstunden und als Leiter diverser Gesangvereine mehr schlecht als recht über Wasser hielt.
Wer also in solchen Schulen Heimorgel oder Keyboard unterrichtete, dürfte seinerzeit kaum eine klassische Ausbildung oder gar ein Hochschulstudium absolviert haben, möglicherweise Amateure mit Besuch diverser Lehrgänge, um Anfängerunterricht mit bescheidenem Anspruch erteilen zu dürfen plus Spielpraxis als Alleinunterhalter oder Tanzmusiker in Amateurbands. Allerdings dürfte es in diesem Bereich vor vierzig Jahren oder mehr kaum ein richtiges Ausbildungswesen gegeben haben, was man den Lehrkräften ja nun nicht zum Vorwurf machen darf.
LG von Rheinkultur