Weil ich aus andernorts genannten Gründen meinen Spitznamen ändern mußte, war auch mein alter Beitrag in diesem Faden obsolet und soll damit durch den folgenden ersetzt sein. Vielleicht provoziert das Wiedererscheinen dieses leider untergegangenen hübschen Fadens dann auch noch ein paar andere "Nick-Präsentationen".
Im Gegensatz zu meinem vorigen hat das jetzige Pseudonym eine leichte autobiographische Konnotation, wie es ja sein soll oder kann: Vor zwei Jahren ließ ich mir an einem gutgelaunten Abend mit nicht wenig und nicht schlechtem Wein eine Arbeit im Rahmen eines Projekts aufschwätzen (»Du gehst doch jetzt bald in Pension und hast dann Zeit«), für die ich eigentlich gar nicht so recht qualifiziert war, die aber irgendwie eine nostalgische Rückkehr zu meinen beruflichen Anfängen bedeutete. Es gibt da eine Reihe von Leuten, die vergessene spätantike Autoren neu herausgeben, übersetzen und kommentieren, und einen von denen haben sie mir aufgetischt. Ich hab angebissen, weil der Mensch ein Kuriosum ist. Er ist eigentlich das, was der große Humanist Justus Scaliger einmal »ein Schaf mit goldener Wolle« genannt hat, also jemand, der viel Material liefert ohne das Gelieferte selber so recht kapiert zu haben. Aber das Mittelalter hat vor allem aus ihm das astronomische Weltbild Platons und Ptolemäus' kennengelernt und die französischen Scholastiker haben kurioserweise auf seinen völlig unkatholischen Ansichten über die Struktur des Göttlichen ihre Spekulationen über die christliche Trinität aufgebaut.
Nach einem halben Jahr fand ich das alles für meinen Geschmack zu arkan, zu unklar und zu verstiegen und hatte eigentlich keine Lust mehr. Aber da fiel mir just ein Buch eines amerikanischen Historikers über die Zeit des Schafskopfs in die Hände, eines Historikers, der, wie so viele anglosächsischen Wissenschaftler über die Gabe verfügt, komplexe Dinge einfach und klar darzustellen. Und das hat mir meinen absonderlichen Autor erst richtig nahegebracht. Er hockt da um das Jahr 440 in Ravenna, der einzige Stadt Italiens, die zu jener Zeit von den Goten noch nicht erobert und gebrandschatzt ist, und wenn er über die Mauer schaut, kann er sozusagen das Römische Reich untergehen sehen. Er ist vom Titel her ein hohes Viech, eine Kombination von Finanz- und Innenminister, was aber keine praktische Bedeutung mehr hat, weil er sein Amt kaum mehr ausüben kann. Und er hat einen Sohn im, naja, Gymnasialschüleralter, so um die 17, der, wenn alles gut geht, mal nach Rom gehen und studieren soll. Aber in Ravenna gibt es kein gescheites »Gymnasium« mehr, das der Bub besuchen könnte, und so setzt Papa, einer der letzten im Lande, die noch richtig gut Griechisch können, sich selber hin und schreibt seinem Sohn aus den Beständen seiner offenbar noch ganz brauchbaren philosophischen Bibliothek ein Kompendium zusammen zu den Fächern des sog. »Quadriviums« (Arithemtik, Musik, Geographie, Astronomie). Er tut es, so gut er kann und so schlecht, wie er angesichts der Umstände und seiner bescheidenen Gaben muß. Als mir letzteres klar war, hab ich den Seelenverwandten in ihm erkannt und weitergemacht, und letzte Woche »hatte ich fertig« mit ihm.
Nun sind Nicknames für Foren etwas, das ich mir notorisch schlecht merken kann, und so hab ich mir kurzerhand seinen Namen von ihm geborgt, denn den werd ich so schnell sicher nicht vergessen. Aber damit er mich nicht für anmaßend hält, sollte er wirklich, wie er hoffte, im Paradies der Platoniker auf der Milchstraße sitzen und von dort auf meine Tastatur herabschauen, hab ich seinen Namen durch Germanisierung ein bisserl verfremdet. Er heißt Ambrosius (Theodosius) Macrobius, was unweigerlich zu der Version Ambros Langleb führt. Ich dachte, damit könnte er einverstanden sein, denn Ihm als mäßig talentierten Musikwissenschaftler hätte es auf Clavio sicher gut gefallen.