Wie oft üben?

Das mag auf euch Profis zutreffen. Ich lese jedoch keinen einzigen Takt bevor ich anfange ein Stück an den Tasten zu lernen. Ausnahme: Ich höre es auf YT an und in dem Video sind Noten unterlegt.
 
Ich wusste gar nicht, dass man beim Auto fahren immer neue kurven lernen muss. Oder dass sich an je nach Straßensituation die Pedale umkehren. Oder dass man auf manchen Wegen nur Rückwärts fahren darf.

Aber hey, vielleicht hat mein Klavierlehrer tatsächlich unrecht und man kann sich einfach auf nichts mehr verlassen.

Davon mal abgesehen geht es nach wie vor um das üben neuer Muster. Ich kann auch stundenlang Stücke spielen die ich schon kann. Genauso kann ich auch stundenlang autofahren. Später wenn die technische Finesse soweit gefestigt ist, kann das durchaus anders sein aber das Thema scheint sich nicht darum zu drehen, dass Profi A Profi B fragt wie er üben sollte.
 
Jetzt sowieso nicht mehr ;-)
Meine ursprüngliche Intention war eigentlich Folgende: Wir sind uns sicher einig, dass es eine gewisse "Gesamtzeit" braucht, um ein Stück bis zu einem bestimmten Level zu lernen. Sagen wir 20 Stunden. Wir sind uns sicher auch einig, dass
a) 3 Tage in Folge 6 2/3 Stunden nicht viel bringen.
b) 20 Tage in Folge 1 Stunde mehr bringt.
c) 40 Tage in Folge 30 Minuten: Schwer zu sagen ob es besser oder schlechter als b) ist.
d) Alle 10 Tage 1 Stunde wenig bringt.

Die Frage ist also, wie man die Zeit sinnvoll verteilt - sprich: 1. über welchen Zeitraum insgesamt und 2. täglich/jeden zweiten Tag etc. Mir ging es hier vor Allem um 2., wenn man schon ein gewisses Level (sagen wir 10 der 20 Stunden) erreicht hat.
 
Ich wusste gar nicht, dass man beim Auto fahren immer neue kurven lernen muss.
Familie Mustermann hat 15 Jahre lang sommers Urlaub an der Ostsee gemacht, immer schön mit dem Kombi vom Ruhrpott nach Fehmarn gefahren. Doch nach 15 Jahren haute Mutti Mustermann auf den Tisch und röhrte "scheiß auf die Ostsee, diesen Sommer geht´s an die Adria. peng. aus." Und Gott der Herr ließ ein Wunder geschehen, Halleluja & Hosianna, Vati Mustermann fuhr die Strecke mit nur 4 Pausen trotz Kurven in den unterwegs gelegenen Alpen, die er zuvor noch nie gesehen hatte... Und Familie Mustermann kam lebendig an die Adria und hinterdrein lebendig wieder heim. Diesen haarsträubend ungewöhnlichen Ablauf trotz neuer Kurven kann einzig ein direkt von GOtt dem HErrn bewirktes Wunder erklären! ;-)
 
Hi,

@ Autofahren : Vielleicht könnte man sagen: Jede Kurve ist anders, will anders "angefahren" werden, Bogen und Winkel sind unterschiedlich, ne lange Linkskurve ist anders als eine Haarnadelkurve,

Zitat aus https://www.heimsoeth-academy.com/w...11/Sport-Mental-Coach-Sportmentaltraining.pdf

Aus „Sportmentaltraining“, pietsch, 2015: „Rennfahrer gehen
bewusst mit ihrer Zeit um und strukturieren ihre Abläufe. Formel
1-Fahrer Fernando Alonso sagt: „Mein Raum ist voller Papiere
mit exakten Zeittabellen des Wochenendes, bis zur letzten Mi-
nute durchgeplant. Ich streiche dann alles ab, was ich erledigt
habe. Das ist mein psychologischer Countdown für das Rennen.“
(Friese, 2015). Der junge Formel 4-Fahrer Benjamin Mazatis ver-
folgt ebenfalls bereits eine Woche vor dem Rennwochenende
einen genauen Zeitplan, prüft das Equipment und legt die Stra-
tegien (offensives o. defensives Fahren) für das freie Training,
das Qualifying, den Start und das Safety Car fest. Vor dem Renn-
tag stellt er seine Ernährung komplett auf „Racing-Modus“ um.
Für den Motorsportler spielt die mentale Vorbereitung eine
große Rolle: „Anhand meiner Streckenskizze beschäftige ich
mich nochmals mit „Keywords“, „Apex“ bzw. trockener oder nas-
ser Fahrbahn. Am Abend vorher ist der „Track walk“ mit meinem
Coach oder Ingenieur. Mental werden Änderungen an der Stre-
cke aufgenommen. Ich stelle mich auf meine Startposition und
spiele den Ablauf durch.“
Die letzten 30 Minuten vor Rennbe-
ginn fokussiere er sich nur noch auf den Start, so Mazatis.
Der junge Motorsportler hat für sportliche wie schulische Prü-
fungen das gleiche Ritual: Er geht auf Toilette, wäscht seine
Hände stets am selben Waschbecken und nimmt genau vier Pa-
pierhandtücher zum Abtrocknen. Danach springt er zwei Mal in
die Luft. Damit kommt das Adrenalin ins Blut. Beim Springen
feuert er sich mit dem Wort „Vamos!“ an. Auf dem Weg zum
Auto oder zur Schulbank zupft er nochmal seine Kleidung zu-
recht, das dient seiner Beruhigung. Auf seinem Schulpult müs-
sen dann zwei Wasserflaschen korrekt vor ihm stehen, er richtet
sie exakt aus. Dann trinkt er im Wechsel zwei Schlucke von der
einen und zwei Schlucke von der anderen Flasche. Trinken ist
das Erste, was er tut, wenn er an seinen Platz zurückkehrt.“
• Stärken stärken, Ressourcen abrufen
• Mentale Rennvorb

LG, -Rev.-
 
Wir sind uns sicher auch einig, dass
a) 3 Tage in Folge 6 2/3 Stunden nicht viel bringen.
b) 20 Tage in Folge 1 Stunde mehr bringt.

c) 40 Tage in Folge 30 Minuten: Schwer zu sagen ob es besser oder schlechter als b) ist.
d) Alle 10 Tage 1 Stunde wenig bringt.
nein, nur bei d) sind wir zwei uns einig
c) kommt mir blödsinnig vor (ich rechne nie 40 Tage lang)
a) ist für mich erfahrungsgemäß weitaus besser als b) (b) ist bei mir für paar Tage bestenfalls eine Notlösung, wenn zu viel anderes gemacht werden muss)
 
Das ist dann wohl wieder ein Unterschied zwischen Amateur und Profi. Aber mal im Ernst, a) funktioniert doch nur dann, wenn man dem Stück technisch schon vollständig gewachsen ist, oder? Das ist bei mir als Amateur praktisch nie der Fall. Bei fast jedem Stück gibt es die eine oder andere Passage, die einiges an Techniktraining erfordert, und da kann ich ehrlich gesagt erst im Laufe von mehreren Tagen/Wochen signifikante Fortschritte feststellen.
 
Bei fast jedem Stück gibt es die eine oder andere Passage, die einiges an Techniktraining erfordert, und da kann ich ehrlich gesagt erst im Laufe von mehreren Tagen/Wochen signifikante Fortschritte feststellen.

Ja, dann ist das Stück für dich zu schwer ..... so einfach ist es! Lösung, 1-2 Gänge bei dem Stückauswahl zurückschalten ;-)
 
Das wirft zudem noch die Frage auf, ob man als Amateur mit einer täglichen Übezeit von 60-90 Minuten überhaupt Stücke spielen sollte, für die man 30 Stunden oder mehr (sprich 2-3 Monate, da man ja auch noch andere Stücke übt) benötigt. :konfus:
 

Aber mal im Ernst, a) funktioniert doch nur dann, wenn man dem Stück technisch schon vollständig gewachsen ist, oder?

Sachen wie Ondine, Scarbo oder Petrouchka ist man ohnehin erst dann (mehr oder weniger) vollständig gewachsen, wenn man sie gelernt hat. Dummerweise lernt man sie nie, wenn man dafür nur 1 Stunde Konzentration pro Tag aufbringen kann.
 
Diese Diskussion stellt meine Vorstellungen völlig auf den Kopf. Zu der Zeit, wo ich noch regelmäßig Unterricht genommen habe, war unter den Stücken, die ich übe, immer eine Chopin-Etude dabei. Weder meine KL noch ich haben in Frage gestellt, dass ich eben 4-8 Wochen à 20-30 Minuten pro Tag gebraucht habe, um sie halbwegs zufriedenstellend zu spielen. Mag sein, dass jede einzelne dann noch zu schwer für mich war. Aber gelernt habe ich sicherlich trotzdem einiges dabei. Man lernt nicht von Dingen, die man eigentlich schon kann.
@mick: Das ist aber auch außerhalb meiner Vorstellungskraft. Aber Werke wie die Miroirs würde ich schon ganz gerne irgendwann mal spielen und traue mir das auch zu. Ich bezweifle aber, dass ich jemals so gut sein werde, dass ich Une barque sur l'océan in einer Woche lernen könnte, selbst wenn ich jeden Tag 8 Stunden daran üben würde.
 
Zu der Zeit, wo ich noch regelmäßig Unterricht genommen habe, war unter den Stücken, die ich übe, immer eine Chopin-Etude dabei. Weder meine KL noch ich haben in Frage gestellt, dass ich eben 4-8 Wochen à 20-30 Minuten pro Tag gebraucht habe, um sie halbwegs zufriedenstellend zu spielen.
8 Wochen a tägl. 30min = 28 Stunden
=> das ist doch ok für jemanden, der wegen Schule oder Ausbildung oder Beruf nicht täglich 5-6 oder mehr Stunden am Klavier verbringen kann - jedenfalls wenn es um derart anspruchsvolle Sachen wie Chopinetüden geht*)! (ich gehe davon aus, dass das nicht nur die 3-4 leichten von den 24 waren)

ABER diese 28 Stunden passen auch locker in eine Woche (dann wären das statt tägl. 30min halt tägl. 4 Stunden, und das ist eher wenig als viel, denn ein Tag ist länger als 4 Stunden ;-) )
ZUDEM sollte man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass man Ausdauer nicht ohne Ausdauertraining erwerben kann (niemand schafft einen Marathonlauf, wenn das Lauftraining lediglich aus kleinen Einheiten a 2-3km oder so besteht) - und Ausdauer benötigt man am Klavier.

Worauf @mick schon hingewiesen hat: die Konzentration sackt nicht alle 30-45min ab - auch hier gibt genügend Ausdauer-Reserven. Zudem sind 8 Stunden Üben am Tag NICHT "10 Uhr anfangen und non stop bis 18Uhr" (das wäre Schwachsinn), sondern sie beginnen z.B. um 9 und enden um 21 Uhr (da sind dann Pausen drin)

______________
*) die fiesen Biester unter den 24 Etüden (op.10 Nr.2, op.25 Sexten und Oktaven) wird man aber nicht mit 30min täglich irgendwann ordentlich hinkriegen - es sei denn, man hat sie schon mal richtig gekonnt und verfügt längst über virtuose Technik (dann aber wäre das auch nur ein wiederaufwärmen)
 
Ich habe mal einen guten Vergleich zu der Thematik gelesen - ich glaube in "modernes Klavierspiel" von Neuhaus:

"das Wasser möglichst oft zum kochen bringen"

...heißt soviel wie: lieber eine Sache mal richtig intensiv und bis ins kleinste Detail ausarbeiten, als oberflächlich viele verschiedene Probleme anzugehen und diese nicht oder nur unzureichend lösen. Dabei hängt es natürlich stark von dem Level ab, bei dem das Werk gerade steht und auch von der Zeit, die du aufbringen möchtest.

Am Anfang - wenn der Notentext und der Verlauf des Stückes bereits verstanden ist (was für mich eines der wichtigsten Dinge ist) - kann man auch mal ein paar Tage das Gesamtwerk etwas oberflächlicher "durchgehen", um es in seiner Gesamtheit noch besser kennenzulernen und herauszufinden, um was es geht. Aber dann wirklich nur noch Details und diese sehr intensiv und möglichst fehlerfrei, was u.U. bedeutet, sehr langsam oder reduziert (Hände getrennt, Stimmen weglassen) zu üben. Dass diese Problemstellen am Anfang täglich mehrfach wiederholt werden sollten, brauche ich wohl nicht zu betonen - das hat mit der Ebbinghaus'schen Vergessenskurve zu tun. Nach ein paar Tagen "richtigen" Übens sollte sich bereits ein Erfolgserlebnis bemerkbar machen - wenn nicht, hast du was falsch gemacht. Demnach kannst du nach und nach mehr Material beim Üben überblicken.

Hast du Unterricht? Ich meine herauszuhören, dass dein musikalisches Bild von den Werken vielleicht unzureichend vorhanden ist und du deshalb nicht optimal übst.

LG, Joh
 
@rolf: op. 10 no. 2 nur relativ langsam (Viertel ~108, war aber damals auch glaub erst 16), op. 25 no. 8 habe ich erstaunlich gut hinbekommen und op. 25 no. 10 gehört zu den 4, die ich noch nicht gespielt habe :-). Was ich eben bezweifle, ist dass ich sie in 1 Woche hinbekommen hätte, selbst wenn ich die gleiche Gesamtzeit daran gearbeitet hätte. Speziell op. 10/2 ist auch eine "sportliche" Leistung, und für sportliche Leistungen braucht der Körper eine gewisse Anpassungszeit. So wie bei dem Marathonvergleich: Natürlich reichen 2-3 km-Einheiten nicht aus, aber man wird die Gesamt-Trainings-Strecke der Vorbereitung auch nicht auf ein beliebig kleines Zeitintervall komprimieren können, da der Körper Zeit zur Anpassung und Regeneration braucht (bin selbst schon Halbmarathon gelaufen ;-)).
Und was Une barque sur l'océan angeht, hast du mir Mut gemacht ;-)

@Joh: Ich hatte immer regelmäßig Unterricht bis ich 19 war (1x pro Woche), dann wieder von 21-24, allerdings nur noch alle 3-4 Wochen, und seitdem (ich bin jetzt 26) aus verschiedenen Gründen nicht mehr. Ich würde sagen, dass ich inzwischen relativ selbständig üben kann und die bekannten 80% sehr gut alleine schaffe. Nur der Feinschliff, sowohl technisch als auch musikalisch, fällt mir manchmal schwer, was ich weniger auf Verständnis sondern eher auf meine möglicherweise monotonen und wenig abwechslungsreichen Übemethoden zurückführe. Das Ergebnis ist dann häufig Stagnation, obwohl offensichtlich noch etwas mehr drin wäre. Da ich im Moment nach einer längeren Pause nicht wirklich weiß wo ich stehe, übe ich wieder an "einfacheren" Stücken, was heißen soll, Stücke, die ich vielleicht auch schon vor 5-10 Jahren gespielt hätte bzw. habe. Speziell in deiner Signatur finde ich mich oft wieder.
 
macht jeder alle 15-30min eine längere Pause, wenn er per Auto auf dem Weg zum Urlaubsziel ist?
Autsch, was ein Vergleich.
Ich habe mit 14 angefangen Autofahren zu lernen (autodidaktisch). Mit 14 und paar Tage konnte ich es. Konzentrieren musst ich mich bei der Fahrschule nie auf´s Fahren, immer nur auf den Fahrlehrer.
Klavier habe ich mit 7 oder so angefangen zu "lernen". Ähh, ja...., sind paar Tage mehr geworden und lüppt immer noch nicht. :-D
 

Zurück
Top Bottom