Da Du das "immer" so betonst, frag ich da doch mal nach... Wir machen das bei Töchterchen ein wenig anders. Bei ihr unbekannten Komponisten hören wir zusammen andere Werke dieser Komponisten, aber nicht das Stück, das sie spielen soll. Bei ihr bekannten Komponisten hören wir garnichts. Auch die KL spielt ihr im Unterricht nichts vor. Meinst Du, das wäre nicht die optimale Vorgehensweise?
Lieber Kalivoda,
ich finde das von eurer Seite her optimal! Zur Verdeutlichung:
Varro meint mit ihrer Forderung, neue Inhalte auditiv einzuführen, nicht komplett neue Stücke, sondern musikalische Phänomene bzw. Begriffe.
So sollte ein legato oder staccato erst einmal auditiv und spielend/spielerisch erfahren werden, bevor man den Begriff einführt und nicht umgekehrt! Erst der Klang, dann der Begriff. Erst die Praxis, dann die Theorie/Begrifflichkeit. Erst hören, dann benennen!
Was nun neue Stücke angeht, gibt es in der Instrumentalpädagogik unterschiedliche Ansätze. Suzuki zum Beispiel geht von Anfang an in die Imitation. Die Geigenschüler spielen in Gruppen das nach, was sie hören und erwerben sich durch Imitation ein Reservoir an musikalischen und technischen Fähigkeiten.
Die Jazzer scheinen das ähnlich zu sehen, s. auch
@hasenbein:
Diesen Schwachsinn habe ich schon erstaunlich oft gelesen: Dass "Klassiker" meinen, es wäre gut, das zu spielende Stück nicht anzuhören, und es wäre gut, wenn der Lehrer nichts vorspielt. Begründet wird das damit, dass der Schüler ja lernen soll, selbst aufgrund des Notentextes herauszufinden, wie das Ganze sinnvollerweise klingen könnte.
Das sehe ich allerdings anders (bin ja auch Klassiklehrerin, haha...
). Ich unterscheide zwischen "der Lehrer spielt/macht etwas vor", "der Lehrer spielt das komplette Stück vor" und "der Schüler hört sich keine Aufnahmen an, bis er von seinem Stück eine einigermaßen persönliche Interpretation im Kopf/Ohr hat".
Ersteres finde ich absolut sinnvoll, denn der Schüler lernt auch durch Imitation (Spiegelneuronen) und hört, wie viel besser etwas klingen kann, wenn der Lehrer etwas vorspielt. Auch technische Probleme können so effektiv gelöst werden. Es wäre schade und falsch, diese Kanäle des Lernens nicht zu nutzen.
Das zweite findet in der Unter- und Mittelstufe häufig dann statt, wenn der Schüler sich ein Stück aussuchen darf aus einer bereits vorher getroffenen Auswahl des Lehrers. Dazu spielt der Lehrer die Stücke vor, zumindest größtenteils. Ich möchte die sich so ergebende Motivation des Schülers nutzen, die sich daraus ergibt, dass er ein Stück unbedingt lernen will, dass er dafür "brennt".
Das dritte halte ich für sehr wichtig! Es ist aus meiner Sicht absolut unnötig, sich Aufnahmen vor oder am Anfang der Erarbeitung anzuhören. Im Gegenteil schränken solche Aufnahmen ein! Der Schüler imitiert eher als auf sich selbst zu hören und zu entdecken! Er begreift nicht den Notentext als Quelle seiner Auseinandersetzung - das Hören macht es ihm leicht. Der erste Zugang prägt sich am meisten ein und so kopiert man eher als dass man sich fragt, "was steht überhaupt im Notentext", "wie begründe ich die Entscheidungen, die ich treffe" u.v.m..
Ich halte ein entdeckendes Üben für absolut ausreichend und sinnvoll. Wenn man auf so eine Weise strukturell, z.B. stimmenweise übt, Töne weglässt, vertikal und horizontal hört und übt, den roten Faden entdeckt, das harmonische Gerüst u.v.a., gibt es ein viel besseres Endergebnis, weil man das Stück
verstanden hat. Wenn man so nicht üben kann und noch nicht einmal eine einzelne Stimme hinbekommt, ohne dass sie vorgespielt wird, hat man Lücken oder das Stück ist zu schwer. In meinem Unterricht war es noch nie nötig, dass Aufnahmen gehört werden mussten, um ein Stück zu lernen und ich selbst handhabe das auch nicht so.
Sehr sinnvoll ist die Auseinandersetzung mit Aufnahmen allerdings (und eine Auseinandersetzung sollte es sein!), wenn das Stück schon im Wesentlichen erarbeitet ist!
Liebe Grüße
chiarina