Was erwarten eure Lehrer (im Amateurbereich) von euch?

Wenn ich im Unterricht etwas Geübtes vorspiele, dann sagt mein Lehrer häufig direkt danach: "Du hast schon viel gut gemacht, aber darüber reden wir wie immer nicht."
Und dann geht es im Unterricht nur um die Sachen, die ich besser machen sollte
Ich finde diese Art des Unterrichtens mangel-haft im ursprünglichen Wortsinn. Es ist für den Schüler wichtig zu wissen und zu verstehen, was gut war, und warum es gut war. Dabei gibt es natürlich vielfältige Art der Rückmeldung, z.B. "Es hat mir gefallen" oder "es hat mich berührt, ich habe gerne zugehört", oder "das war schon besser als vorher". So eine Rückmeldung ist wichtig und besser als nichts, aber sie ist trotzdem unvollständig. Was genau war denn besser? "Ich habe jetzt besser verstanden, wie du diese Stelle denkst, weil deine Dynamik deutlicher war" oder "Deine Klangbalance im Stück war durchweg schöner und musikalisch sinnvoller als noch letzte Woche, da hast du sicher viel Zeit investiert".

Thomas Bernhard schreibt in "Der Untergeher" Glenn Gould habe seinen durchschnittlichen Salzburger Hochschullehrer durch sein geniales Schüler sein zu einem großartigen Lehrer gemacht.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas tatsächlich passiert. Oder sagen wir - ein gewisses Mindestmaß an musikalischen und pädagogischen Fähigkeiten sollte vorhanden sein, damit ein Lehrer an seinen Schülern wirklich sinnvoll wachsen kann.


Zu mir: bei mir wurde von ein paar Jahren eine leichte Form des Asperger-Syndroms festgestellt worden. Ich habe da sehr viel dran gearbeitet und im Großen und Ganzen fällt das kaum mehr auf.
Ist denn das Ziel wirklich, dass es kaum mehr auffällt? Oder meintest du, dass du besser im Alltag damit zurechtkommst? So wie es da steht klingt es für mich, als wäre es eine Art nervige Behinderung, die du dir abtrainieren wolltest. Das stimmt doch sicher nicht?

"Also bleibt meine Ursprungsfrage: kann man im Amateurbereich erwarten, dass man in einem Stück nicht mal was übersieht, also böse gesagt "drüber schludert"? "

Selbstverständlich! Sogar bei Musikstudenten ist das manchmal so.
"Manchmal" ist gut... Ich denke, die Regel ist, dass man auch Musikstudenten erst einmal beibringen muss, den Notentext wirklich zu lesen, zu verstehen und daraus Schlüsse zu ziehen (ich war keine Ausnahme!). Das fängt schon dabei an, die Notwendigkeit für Urtext bewusst zu machen. Glaub bloß nicht, dass die Musikstudenten plötzlich alle Bögen, Punkte, Dynamikangaben und sonstige Spielangaben beachten und ausführen, nur weil sie plötzlich in einer staatlich anerkanten Studienanstalt Klavierspielen... :003:

Ich vermute, dass zwei Dinge dich beschäftigen:
1) Der Ärger über dich selbst, dass du etwas noch nicht so ausgeführt hast, wie du wolltest
2) Die Sorge, dass du deinen Lehrer enttäuschst oder gar verärgerst

Zu 1) Das hört nie mehr auf. Das ist Teil des Wesens des Musizierens. Je erfahrener man wird, desto treffsicherer kann man vorausahnen, ob es so klingen wird, wie man wollte. Aber es gibt niemanden, dem das immer gelingt. Und in den Noten kann man auch nach Jahrzehnten noch tolle Entdeckungen machen. Es bringt gar nichts sich beim Üben oder Spielen über sich in dieser Hinsicht aufzuregen.

Zu 2) Es ist die Aufgabe des Lehrers, nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Dass der Schüler Fehler macht ist für den Lehrer so, wie für den Bäcker Brötchen zu backen. Ein Vorwurf hat im gewöhnlichen Unterrichtskontext nichts zu suchen. Wenn man doch mal einen wahrnimmt, liegt das entweder an der Kommunikationsweise des Lehrers (man kann sich u.U. mal in Rage reden) und war gar keiner, oder es war allerhöchstens ein fachlicher Vorwurf. Persönliche, menschliche Enttäuschung ist beim Unterricht mit Erwachsenen völlig fehl am Platz.
 
Wenn ich im Unterricht etwas Geübtes vorspiele, dann sagt mein Lehrer häufig direkt danach: "Du hast schon viel gut gemacht, aber darüber reden wir wie immer nicht."
Und dann geht es im Unterricht nur um die Sachen, die ich besser machen sollte, und sein Anspruch ist hoch. Am Ende sagt er manchmal, dass ich schnell Fortschritte mache, etc.
Positive Kritik (Lob) beflügelt, motiviert und bewirkt manchmal sogar Wunder. Negative Kritik demotiviert, frustriert und führt auf Dauer über Selbstzweifel zur Aufgabe.
Ein geschickter Lehrer lobt zunächst alle gelungen Aspekte überdeutlich und versteckt die Kritik am Verbesserüngswürdigem dahinter. In der Regel sind Klavierschüler solche jüngeren Alters mit nicht ausgereifter Persönlichkeit. Da sie das pädagogische Konzept dahinter nicht erkennen, bewirkt die austarierte Dosierung von Lob und Kritik und deren Reihenfolge (!) wahre Wunder. Letztendlich gilt das prinzipiell auch für alle anderen Altersgruppen.
Ich bin kein Pädagoge, ziehe meine Schlüsse aber aus meinen Erfahrungen aus dem Vorgehen unterschiedlicher Hochschullehrer in Workshops (Demo-Unterricht) bzw. bei mir selbst.
 
Ich denke, über Lob, Tadel, Kritik und Verbesserungsvorschläge, und wie man das alles pädagogisch verpackt, gibt es viele verschiedene Theorien. Vermutlich kann man das auch nicht absolut festsetzen, sondern es hängt sowohl mit der Persönlichkeit des Lehrers, als auch der des Schülers zusammen. Und natürlich auch mit Alter und Umfeld.

Dass positive Erungenschaften benannt werden sollten, um Fortschritt wahrzunehmen und anzuerkennen, eine ausgeglichene Rückmeldung zu geben und auch die Eigenwahrnehmung des Schülers nicht schief werden zu lassen, halte ich aber für wirklich wichtig.
 
Ist denn das Ziel wirklich, dass es kaum mehr auffällt? Oder meintest du, dass du besser im Alltag damit zurechtkommst? So wie es da steht klingt es für mich, als wäre es eine Art nervige Behinderung, die du dir abtrainieren wolltest. Das stimmt doch sicher nicht?
Die Crux ist, dass diese Störung mehr ein Problem für meine Umwelt als für mich ist. Ich bin früher schon recht komisch rüber gekommen, wenn man mich nicht gekannt hat. Ich hab Probleme das was andere sagen richtig einzuschätzen, Ironie geht gar nicht. Das hatte zur Folge, dass ich nicht immer angemessen reagiert/geantwortet habe. Vieles kann man lernen (wenn jemand so und so guckt und vielleicht noch lacht, dann..), gerade der erste Punkt ist und bleibt aber eben ein Problem.
Und vor allem hab ich ehrlich gesagt keine Lust damit hausieren zu gehen. Dann kommen nur gut gemeinte Lösungsvorschläge für das Problem oder so was wie " da hab ich letztens eine Doku gesehen,....". Dann doch lieber nicht auffallen.

Übrigens, als ich mit 8/9 Jahren das erste Mal Mozart gehört habe, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl dass ich endlich mal was verstehe. Endlich hab ich eine Sprache gefunden. War großartig!

Ansonsten vielen Dank euch allen. Gerade @Stilblüte hat mir den Druck und die Angst zu schlecht zu sein genommen ("Das hört nie mehr auf. Das ist Teil des Wesens des Musizierens. Je erfahrener man wird, desto treffsicherer kann man vorausahnen, ob es so klingen wird, wie man wollte. Aber es gibt niemanden, dem das immer gelingt. Und in den Noten kann man auch nach Jahrzehnten noch tolle Entdeckungen machen. Es bringt gar nichts sich beim Üben oder Spielen über sich in dieser Hinsicht aufzuregen.")
 
Ich finde auch die Erkenntnis ganz heilsam, dass andere Menschen viel weniger über einen nachdenken, als man das so vermutet. Musste spontan an einen "Dinosandcomic" denken, falls du die kennst (könnten dir gefallen):


Was das "Schlechtsein" betrifft, kann man auch nochmal differenzieren zwischen

1) Mir ist es wurst, ob ich schlecht bin oder nicht, mir macht das einfach Spaß
2) Ich bin nicht schlecht, denn ich kann schon ziemlich viel und verbessere mich auch stetig
3) Wenn ich besser wäre, gäbe es immernoch gefühlt genauso viele andere, die weiterhin besser wären als ich

Es ist ein gewisser Trugschluss, dem man beim Thema "Schlechtsein" aufsitzt. Solange man mit dem "Gutsein" kein Geld verdienen muss, ist das hauptsächlich ein innerer Konflikt.
 
Ich bin entsetzt, was hier für ein Bohei um nichts gemacht wird.

Eine Schülerin ist von sachlichen, berechtigten Bemerkungen gleich so aufgewühlt, dass sie aus einer Mücke einen Elefanten macht und sogar meint, das hier groß ausbreiten zu müssen. Gegen eventuelle Kritik wappnet sich diese Schülerin dann noch durch die Behauptung, sie habe "Asperger" (man übersetze: "ich kann nichts für mein Verhalten, außerdem muss man mich besonders und mit Samthandschuhen behandeln").

Generation Snowflake. Es ist natürlich überhaupt nichts Signifikantes passiert.

Ein erwachsener Mensch hat zu lernen, sich so weit reflektieren zu können, dass er merkt, wann seine starke emotionale Reaktion nur mit ihm und seinen Komplexen, Traumata etc. zu tun hat.
 
Darum gehts auch nicht, sondern einfach darum, dass ich, und das ist einfach nur mein persönliches Gefühl, ihn ständig enttäusche. Also dass er einfach mehr erwartet.
Das klingt für mich nicht nach einem gedeihlichen Unterrichtsklima.
Weiß Dein Lehrer, dass Du das Asperger Syndrom hast und klare Srukturen bei der Kommunikation brauchst?
 
Mich interessiert dabei, ob du deine Empfindungen mal mit deinem Lehrer besprochen hast. Es ist nämlich ein Riesenunterschied, ob man
1. versucht hat, eine Situation zu ändern, mit der man nicht gut klarkommt,
2. es ergebnislos versucht hat, sich aber dann doch entscheidet, bei dem Lehrer zu bleiben, weil man die vielen Vorteile seines Unterrichts nicht missen möchte
3. oder ob man gar nichts versucht.
Danke für deine Gedanken, chiarina. Du hast recht, alles hängt mit allem zusammen; wie wir uns zueinander verhalten, formt die Bilder, die wir voneinander haben und prägt die Zukunft. Was abgeklopft ist vom Stein, bleibt abgeklopft. Gutes und Schlechtes führt den Meißel, und auch das Vermeiden von Gutem und Schlechtem, und von Konflikten.
Das Forum ist ein universelles Beispiel: Ein einzelner unflätiger Beitrag und der Status des Narren ist nicht mehr zu ändern. Man begegnet der Person höflich wie einem Kind, kann sie aber nicht mehr ernst nehmen.

Bei meinem Lehrer standen die Sterne günstiger. Was ich über ihn schrieb, klingt vielleicht überzogen, manchmal juckt mir der Schreibfinger. Wir verstanden uns ausgesprochen gut, legten von Anfang an Ziele und Wünsche fest, und wenn es Schwierigkeiten gab, sprachen wir darüber. Diese Gespräche waren immer höflich und geprägt von gegenseitigem Verständnis, letztendlich aber nicht immer fruchtbar, was ich auf den langjährig etablierten und wohl selten modifizierten Unterrichtsstil des älteren Herren zurückführe, der sich in unserer gemeinsamen Zeit zwar bewegte, aber innerhalb enger Grenzen. Vielleicht war auch ich der Unflexible, bilde mir aber ein, reflektiert und viel geändert zu haben, mir dahingehend Mühe gegeben zu haben. Und so etablierte sich die beschriebene Situation - ein großartiger Pianist, von dem ich enorm profitierte, den besten Zugang zu den Schätzen aber erst nach einer Weile entdeckte. Da gab es keine Bitternis oder Enttäuschung, es war ein Unterricht, der meine Wünsche erfüllte, der mich weiterbrachte und meinen Lehrer und mich froh machte, fast jede Woche.
So gesehen hat aus deinem Modell etwas zwischen den Punkten 1 und 2 stattgefunden.

Ich beschäftige mich gerne mit Kommunikation, es gibt ja ein Füllhorn an Theorien und Ideen. Das meiste liest sich interessant, gerade wenn man Struktur und Ordnung mag, und läßt sich auf viele Fächer oder Interessensgebiete übertragen. Es gibt immer einen gewissen Kern, der unbedingt wahr ist, die darum konstruierten bzw. rationalisierten Mechanismen erscheinen mir aber oft zu analytisch, vielleicht ein Einfluß der Angelsachsen. In meinem Beruf, und das ist in vielen anderen sicher ähnlich - Fortbildungen, Kongresse, Messen - begegneten mir immer wieder Menschen, die in diesem Bereich anscheinend geschult worden waren. Ein ganz eigener Duktus, bedachtsames Sprechen, Reflektion und Analyse. Vieles davon funktionierte, manche Projektionen oder Erwartungen liefen aber ins Leere, und der Gesamteindruck blieb immer unnatürlich, zu wenig - kontinental. Ein echtes Gespräch enthält so viele unnennbare Affekte, Schwingungen, Obertöne wie ein Musikstück, das in Skalen und Raster zu zergliedern ebenso schlecht möglich wäre. Die Kommunikationstheorien bieten Ansatzpunkte, am Ende ist jedoch immer das Gefühl entscheidend (Hören! ;-)), die Empathie (Musikalität), und die Freude am Mitmenschen (Improvisation). Ist man da nicht ganz blank, kann man nicht viel falsch machen.
 
Hallo an alle,

genau das Thema beschäftigt mich auch seit der letzten Stunde, deshalb ist der Thread sehr interessant für mich. Es war die vierte Stunde beim neuen KL und besonders in der letzten ist mir aufgefallen, dass er nur kritisiert. Beim Vortragen der HA, beim Vorspiel eines bereits früher erlernten Stückes, an dem wir weiter arbeiten wollen und - hier für mich nachvollziehbar - an einem komplett neuen.

Es gab kein Lob für nix. Das hat mich verunsichert und deprimiert.

Ich weiß nicht, ob ich ihn nerve? Weil ich davor bei einem anderen KL vieles anders lernte, weil ich Einschränkungen wegen Arthrose habe, weil ich mich in seinen Augen ev. überschätze? (Mein letzter KL sagte, ich sei seine beste Schülerin. Da merke ich jetzt nix davon.)

Ich weiß nicht, ob ich das, was er kritisiert, alles schon wissen sollte und er deshalb gereizt ist?

Oder will er mich einfach fordern und ihm ist nicht bewusst, dass ich diese ständige Kritik so auffasse?

Ich werde darüber mit ihm nächstes Mal auf jeden Fall sprechen. Ich hab keine Lust, nach einer Klavierstunde deprimiert zu sein und rumzurätseln, was ich von den Rückmeldungen halten soll.

Dir, @Muck , würde ich das auch raten, auch wenn du dein Problem eher bei dir verortest und das schon "spielerisch" angesprochen hast. Was spricht dagegen, sich auch mehrfach rückzuversichern, wenn man wissen möchte, wo man steht oder wie jemand etwas meint.

@Felix Das, was du beschreibst, dass einmal an einer Stelle etwas verlangt wird und in der nächsten Stunde was anderes kenne ich auch gut.
Beim alten KL: Da fand ich es nervig, dass er nach mehreren Wochen erst bemerkt, dass ich z.B. einen anderen Fingersatz verwenden soll!
Beim jetzigen auch teilweise, so wie wenn ihm ständig was Neues einfallen würde.
Vielleicht ist das auch normal, es ist eben Musik und keine Rechenaufgabe?
 
Hier herrscht offensichtlich das große Mimimi! (Novemberblues?)

Das Leben als Klavierspieler*in ist halt kein Ponyhof! Für kleine Kinder ist es ganz normal hinzufallen und sich blutige Knie zu holen. Normal, daß Erwachsene glauben, alles besser zu wissen. Die ach so armen Kleinen haben offensichtlich ein dickeres Fell als die sensiblen Erwachsenen, deren Frustrationstoleranz gegen Null geht. Wer Klavier spielt, macht zwangsläufig Fehler. Wer keine Fehler machen möchte, sollte vom Klavierspiel tunlichst die Finger lassen. Aber es ist Augenwischerei, Fehler oder Unvermögen als „Andersbegabung“ zu deklarieren. Und wenn etwas Sch… klingt, sollte man das auch Sch… nennen dürfen. Deswegen geht die Welt nicht unter. Also: Aufstehen, Krönchen geraderücken und weitermachen! - Gegebenenfalls auch mal den Mund aufmachen (im Unterricht! Nicht hier!) und nach mehr Zuckerbrot statt Peitsche verlangen! Vielleicht hilft‘s dem armen gebeutelten Seelchen. Aber ob‘s auch dem pianistischen Fortkommen dient?
 

Ich finde auch die Erkenntnis ganz heilsam, dass andere Menschen viel weniger über einen nachdenken, als man das so vermutet.
Vor allem sehr unterschiedlich.
Ach ja, Selbst- und Fremdwahrnehmung können mitunter entgegengesetzter nicht sein, wobei letztere selbst sehr unterschiedlich ausfällt.
Ein Freund von mir hat mal ein Experiment gemacht und ehrliche Einschätzungen aus verschiedenen Umfeldern (Familie, Arbeit, Verein, engster Freundeskreis) eingefordert (was für das Umfeld deutlich schwieriger war). Je nach Umfeld gab es ganz unterschiedliche Wahrnehmungen.
 
Ach ja, Selbst- und Fremdwahrnehmung können mitunter entgegengesetzter nicht sein, wobei letztere selbst sehr unterschiedlich ausfällt.
Ein Freund von mir hat mal ein Experiment gemacht und ehrliche Einschätzungen aus verschiedenen Umfeldern
Ich habe auch mal im Studienkontext eine (kurze) Rückmeldung bekommen, wie ich auf andere Wirke - da war die Überraschung in mancherlei Hinsicht groß :lol: (das war eine Info, die weder positiv noch negativ war, sondern quasi qualitativ, und ich fand sie gleichermaßen lustig wie erstaunlich)
 
@Felix Was diese analytische "angelsächsische" Grundhaltung angeht: die ist nicht nur "kontinental" (super, Du hast da auch viele Erfahrungen!). Diese strukturiert-durchanalytischen Persönlichkeiten gibts auch bei den Franzosen, aber hallo! :-D
 
Die Gedankengänge hier finde ich teilweise etwas übertrieben. Es geht um Klavierunterricht, nicht mehr, nicht weniger!
Klar ist ein gutes Verhältnis wichtig, gegenseitiger Respekt, auf den Schüler eingehen und so.
Aber ich bin als KL nicht die Psychologin des Schülers. Ich kann "Mimimis" mal auffangen, aber ich bin nicht in der Pflicht, schlechtes Selbstbewußtsein zu stärken oder ähnliches.
Ich bin immer offen und sage auch, dass bei Problemen mit dem Unterricht jederzeit mit mir geredet werden kann, weil es vielleicht auch mal zu Missverständnissen kommt, oder Erwartungen auseinander gehen (oder ähnliches).
Natürlich gehe ich auf Schüler ein, denn jeder Schüler braucht andere Anreize, anderen Umgang. Manche brauchen eher sachlichen Umgang, mit anderen kann man Spaß machen, und viel dazwischen. Bei manchen muss man den Ehrgeiz rauskitzeln, andere etwas bremsen, und viel dazwischen.

Aber ich bin keine Psychologin und kann und will im Rahmen meiner Möglichkeiten (die zur Zeit sehr limitiert sind) nur auf die Probleme, die sich mit dem Klavierspiel/Unterricht bilden, eingehen.

Ich respektiere und beachte es, wenn jemand aufgrund äußerlicher Umstände (welcher Art auch immer) nicht üben kann / will, und gehe darauf auch ein. Klar.
 
Gegebenenfalls auch mal den Mund aufmachen (im Unterricht! Nicht hier!) und nach mehr Zuckerbrot statt Peitsche verlangen! Vielleicht hilft‘s dem armen gebeutelten Seelchen. Aber ob‘s auch dem pianistischen Fortkommen dient?
Was mich angeht, ist nix Mimimi. Genau das, was du spöttisch wiederholst, habe ich sachlich bereits eine Stunde vor dir geschrieben, auch als Empfehlung für den Threadersteller.
 
Aber ich bin als KL nicht die Psychologin des Schülers. Ich kann "Mimimis" mal auffangen, aber ich bin nicht in der Pflicht, schlechtes Selbstbewußtsein zu stärken oder ähnliches.
Was man als fachliche, pädagogische, zwischenmenschliche oder dem Gewissen anhängige Pflicht ansieht und was nicht, mag jeder etwas anders definieren. Ich sehe es auch nicht als Pflicht, irgendjemandem Klavierspielen beizubringen. Wenn ich keine Lust mehr habe, kann ich jeden einfach rauswerfen, so einfach ist das. In der Praxis kommt das aber äußerst selten vor ("rausgeworfen" habe ich ein einziges Mal einen Schüler, und das auch nur in Anführungszeichen... mir war klar, dass er einen anderen Lehrer braucht und wir nicht weiterkommen).
Ich freue mich, wenn ich den Leuten um mich herum (und meinen Schülern im Besonderen) möglichst viel Positives mit auf den Weg geben kann. Und schon wenn man ganz durchschnittliche Fachliteratur zum Thema Klavierspielen oder Klavierunterrichten liest wird klar, dass man das Musizieren nicht so genau vom Leben abgrenzen kann, wie es in deinem Beitrag @antje2410 klingt. So wie auch @chiarina schreibt: Das momentane Befinden, Freude oder Ängste, körperliche Verspannung etc. etc. haben alle Einfluss auf das unmittelbare Musizieren und auch das Gelingen des Unterrichts. Dennoch habe ich als Lehrer eine große Bandbreite an Möglichkeiten, mich zu entscheiden, die persönliche Ebene einzubeziehen oder nicht, die alle in Ordnung sind.

Das hier

Natürlich gehe ich auf Schüler ein, denn jeder Schüler braucht andere Anreize, anderen Umgang. Manche brauchen eher sachlichen Umgang, mit anderen kann man Spaß machen, und viel dazwischen. Bei manchen muss man den Ehrgeiz rauskitzeln, andere etwas bremsen, und viel dazwischen.

trifft es dabei ziemlich gut. Aber das ist ja schon viel mehr als "Ich bring dir jetzt Klavierspielen bei [nach Schema F]"! :-)

Aber ich bin keine Psychologin und kann und will im Rahmen meiner Möglichkeiten (die zur Zeit sehr limitiert sind) nur auf die Probleme, die sich mit dem Klavierspiel/Unterricht bilden, eingehen.
Das verlangt auch keiner. Man kommt beim Musizieren um persönliche "Befindlichkeiten" dennoch nie herum, wenn man die Spaß-Ecke früher oder später verlässt und die Musik tief nachempfindet. Das ist, als würde man einem Schauspieler sagen, er solle bitte Weinen üben, aber wie er sich dabei als Mensch fühlt, interessiere den Ausbilder nicht.

Vielleicht ist es auch eine Frage der persönlichen Bereitschaft zur Einfühlsamkeit, Spiegelneuronen, was weiß ich - mir ist egal, ob jemandes Empfindungen von außen als unpassend oder übertrieben wahrgenommen werden, denn wenn sie da sind, sind sie nunmal da. Ich wäre in meinen Augen ein schlechter Lehrer, wenn ich mich dafür nicht interessieren würde.
Ob ich dem Abhilfe schaffen kann, will und soll, ist eine ganz andere Frage. Bloß Gleichgültigkeit oder eine Abwertung finde ich unangemessen.
 
Oder Auftakt zu laut. Tempo an einer Stelle nicht im Zieltempo. Ok blöd, gut dass mich mein KL darauf aufmerksam macht bzw Tempo kommt noch, kann die Stelle einfach noch nicht. Aber irgendwie hört sich das immer so an, als würde er das von mir (wie gesagt beim ersten vorspielen) erwarten. Dann fühle ich mich schon nicht so doll...
Diesen Faden hier finde ich hochinteressant.

Beim Durchlesen der Beiträge habe ich an meine eigenen Klavierunterrichtserfahrungen zurückgedacht und muss sagen, dass ich wohl sehr viel Glück mit den Lehrerinnen in Kindheit und Jugendzeit hatte. Die menschliche Ebene hat immer gestimmt. Innerhalb dieser Ebene wurde mir vieles Konstruktives mitgeteilt, also eigentlich am laufenden Band "kritisiert". Das habe ich eigentlich nie als "Kritik" empfunden, wohl einfach, weil ein positives Beziehungsband bestand und die gemeinsame Liebe zum Klavier und zur Musik und der Lehrerin völlig klar war, dass ich an dem Klavier hänge wie an einer Art Nabelschnur. Nur einmal rastete sie aus, weil ich zu faul war, für ein Vorspiel richtig zu üben und teilte mir mit, dass es ihr "piepegal" sei, was ich sonst noch im Leben an Anforderungen hätte, ich hätte gefälligst zu üben und Punkt. Damit hatte sie den Bogen etwas überspannt. Hätte sie mir mitgeteilt, dass ich mein Talent verschwende, wenn ich nicht übe, dann hätte es genauso gewirkt, ohne zu verletzen. Aber da hatte sie wohl einfach einen schlechten Tag, den wir alle haben. Ich habe sie trotzdem weiterhin geliebt :-) .

Fast forward, ca. 20 Jahre später, nach entsprechend langer Klavier- und Unterrichtspause, nunmehr ausgestattet mit einem E-Piano: Vor über 10 Jahren habe ich bei uns im Kaff bei der Musikschule mit einer dortigen Lehrerin eine Stunde gemacht. Da hat die Chemie zwischen uns überhaupt nicht funktioniert. Ich fand sie hart und hatte nicht den Eindruck, dass sie ein Typ ist, der sich von der Musik verzaubern lassen kann (was auch mich hingegen zutrifft). Die Stunde lief entsprechend.

Sie teilte mir zuerst mit, dass sie von Chopin nicht viel hält, und auch seine beiden Klavierkonzerte seien nichts Gescheites. Das Beethoven-Klavierkonzert, das ich ihr kurz vor- bzw. anspielte, fand sie auch nicht gut. Beethoven hätte da eine schlechte Phase gehabt, als er dieses komponiert hatte, warum ich so etwas überhaupt spielen würde? Und so ging das immer weiter. Das Rachmaninoff-Prélude sei stinklangweilig, wie könnte ich das schön finden? Die Melodie in einer Beethoven-Sonate, die ich zugegebenermaßen nicht mochte, spielte ich ihrer Ansicht nach "wie einen abgenagten Hühnerknochen" (womit sie allerdings recht hatte, ich muss heute noch über diesen Ausdruck lachen). Jedenfalls war mir nach dieser Stunde klar, dass das nichts werden wird. Da hat einfach weder die musikalische Ebene noch die menschliche Ebene gepasst, wobei die fehlende musikalische Ebene ausschlaggebend war.

Dass die persönliche oder "psychische" Befindlichkeit des Schülers unabdingbar wichtig ist, hat ja auch Stilblüte schon beschrieben. Auch Führungskräfte in einem Unternehmen gehen auf die persönliche Befindlichkeit bis zu einem gewissen Grad ein. Das ist ein Hin- und Herschwingen auf einer Ebene, die schwer zu beschreiben ist, mit dem Ziel, dass es letztlich allen so gut geht, dass sie gerne optimale Leistung bringen und dies auch können. Es ist meiner Ansicht nach nicht möglich, alles nur "sachlich" abzuwickeln. Dafür sind wir einfach zu sehr Menschen. Alleine, wenn man in ein Zimmer reingeht, wo mehrere Leute drin arbeiten, merkt man doch sofort, wie die Stimmung ist.

Zurück zum Thema: @Muck, ich würde an Deiner Stelle prüfen, ob für Dich die Beziehungsebene passt. Magst Du den Lehrer? Mag er die Musik, so ähnlich wie Du sie magst - seid ihr da auf einer ähnlichen Wellenlänge? Hast Du den Eindruck, dass er "auf Deiner Seite" steht? Wenn das alles zutrifft, dann würde ich dort bleiben und einfach weitermachen. Und vielleicht mal mit dem Lehrer reden.
Ein vergessenes Legato wäre mir z.B. ziemlich wurscht und würde ich gar nicht als Kritik hören. Ich würde mich über den Hinweis freuen, danke sagen, und fertig. Ich weiß, dass ich da eine Schwäche habe, weil ich den Notentext gerne zum frühestmöglichen Zeitpunkt weglege (oder gar nicht erst reinschaue ;-) )
 

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