Ich finde auch, dass es in meiner Kindheit zu oft gespielt wurde. Deshalb habe ich es selbst auch lange nicht gespielt. Noch schlimmer: Es gab mit Walcha quasi die "Bundesinterpretation", nach heutigen Maßstäben würdevoll, etwas betulich und sehr bürgerlich. Wenn ich böse wäre, würde ich sagen, die Version für das spießige BRD Publikum der 50er. Alle hatten die Schallplatte aus Alkmaar. (By the way: Um Walcha zu retten: Seine erste Gesamtaufnahme in Cappel hat in vielen Punkten eine Frische und Eleganz, die er selbst später nie wieder erreichte).
Ich kann mich ehrlich gesagt kaum erinnern, wann es das Stück zum letzten Mal im Konzert gehört habe.
…ich habe BWV565 zB. erst einmal live hören dürfen und das auch nur, weil mich unser Domkapellmeister vor ein paar Jahren am Ende eines Gottesdienstes (wunderbar gespielt) damit überrascht hat.
Walcha sagt mir was, aber ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich nie wirklich warm mit ihm wurde. Wobei ich in der Beziehung nicht mal sagen kann, weshalb.
Zu BWV565: ich mag Karl Richters Aufnahme (wenn auch nicht historisch korrekt) und aktuell hör ich mir die Version von Leo van Doeselaar gespielt auf der wunderbaren Schnitgerorgel in Groningen sehr gerne an.
Muss aber sagen, dass ich bislang noch keine Interpretation gehört habe, mit der ich von Anfang bis Ende mitgehen konnte. Richter artikuliert mir zu wenig, dafür ist sein Klangbild wunderbar, van Doeselaar trilliert mir an einigen Stellen zu häufig (auf dem Cembalo würde ich das schön finden, an der Orgel auf dieses Stück bezogen nicht) und das Ende der Fuge hört sich… mir „zu warm“ an… und ich frage mich, ob er dort mit einem anderen Akkord endet?
der relativ dünne Satz in der Fuge hat nun auch zur Vermutung geführt, es sein im Original ein Stück für Violine gewesen und dann transkibiert. Auf einer Geige klingt es auch nicht verkehrt.
View: https://www.youtube.com/watch?v=R_tu63ypB6I
Genau darüber habe ich neulich auch mit meinem Lehrer im Unterricht gesprochen, weil er diesen Gedanken ebenfalls aufgegriffen hat. Ich bin wie gesagt nur Laie und habe als Kind sieben Jahre Violine gespielt (kann es also fachlich nicht beurteilen), aber Sinn würde das schon ergeben…hab meine Violine deshalb vor ein paar Tagen wieder aus dem Schrank geholt - und erstmal den ganzen Staub entfernt
- manche Passagen lassen sich herrlich darauf spielen, vor allen Dingen würde die Bogenführung auch Sinn machen. Aber wie gesagt: ist nur Bauchgefühl, fachlich kann ich es nicht beurteilen.
Ich finde BWV565 jedenfalls wunderbar, es hat eine jugendliche Frische, das stimmt, für mich teils einen dramatischen Charakter, der immer wieder von Passagen unterbrochen wird (Toccata wie Fuge) die „verspielt“ wirken, „hell“ und „dunkel“ gleichermaßen, und gerade diese Wechselwirkung verbunden mit jenen Phrasen, die man auch freier spielen kann, machen das Stück für mich besonders. Und das Ende der Fuge… ich hab es sicher 1000x schon gehört, aber ich bekomm noch heute Gänsehaut.
Und: schön ist auch, dass es für mich als Anfänger machbar ist und man sich an vielen Stellen ausprobieren kann. Es ist im Laufe der Zeit schon bitter festzustellen, dass manche Stücke von Bach (oder der norddeutschen Orgelschule, oder Scarlatti, Frescobaldi, Rameau usw.usf.… es gibt so viel schönes…) für mich nie machbar sein werden. Teils weil mir das Handwerk fehlt, teils, weil ich erst mit 30 mit einem Tasteninstrument begonnen habe, und ich an vielen Stellen merke, dass die Muskulatur nicht so will, wie ich, bzw. ich Geduld haben muss, teils weil man einen Beruf hat und sich manchmal eben nur 60 Minuten zum üben ausgehen…
Die F-Dur-Fuge würde ich so gerne mal spielen wollen, ein wunderschönes Stück, die passacaglia mit Fuge (da gibts Stellen, da reicht die Spannweite meiner Hand nicht mal ansatzweise aus…egal, wie rum ich mich drehe) oder das a-moll Largo aus der Triosonate BWV 529…
Bach´s Fantasie, auch die Chromatische am Cembalo, oder BWV 535… wird mir viel zu selten erwähnt, ein herrliches Stück mit wunderbaren Pedalstellen, live auch noch nie gespielt worden bei uns…
@Stefan379: hab mir Reger angehört, musikalisch ist es aber leider nicht ganze meine Welt, deswegen kann ich es nicht beurteilen, da mir die Hörerfahrung fehlt… ich finde solche Stücke im Konzert immer sehr schön, wenn man live da ist und die „Stimmgewalt“ der Orgel und entsprechende Kirchenakusik vorhanden sind, aber privat hör ich mir Reger kaum an… selbiges mit Bruckner… oder, etwas später: Heiller, Messiaen, Radulescu… bei uns sehr oft gespielt, hab auch bei dem ein oder anderen Stück registriert, mich wirklich versucht mit der Musik zu beschäftigen, da ich vorher die Noten bekam, weil ich an manchen Stellen „auswendig“ registrieren musste, sonst wäre ich ständig zu spät gewesen, aber ich find zu dieser Art von Musik einfach keinen Zugang… außer zu Arvo Pärt… das ist aber auch „leichtere Kost“
Wobei... von Knut Nystedt das "Resurrexit"... hab es im letzten Jahr gehört, eine Bekannte von mir durfte am Ende die Solostelle singen... das Stück hat mich - im positiven Sinne - umgehauen und sehr berührt und ich lernte unsere Orgel auf eine ganz neue Weise kennen.