Wird vielleicht nicht das komplette Problem beheben, aber ist einen Versuch wert:
Aufhören mit Koffein! (Also keinen Kaffee, keine Cola oder Energydrinks, keine Schokolade mehr).
Bei einem Teil der Menschen wirkt dieser Suchtstoff so deutlich, dass statt ruhiger, gerichteter Konzentration zerfasertes, sprunghaftes Denken entsteht.
Ist bei mir eher umgekehrt...
. Ohne dieses wunderbare Getränk namens Kaffee, wäre mein Tag um einen sehr essentiellen Genussfaktor ärmer
.
Aber um zum Ausgangsthema zurückzukommen...: Das Musizieren auf einem hohen Niveau ist psychologisch eine ziemlich vertrackte und ganzheitliche Angelegenheit, da sich hier sehr viele Faktoren und Erfahrungen/Erlebnisse mehr oder weniger offensichtlich auf das eigene Verhältnis zum Instrument und zur Musik auswirken. Nach meiner Erfahrung sind die spieltechnischen-musikalischen Probleme, welche man auf dem Weg zum professionellen Musizieren lösen muss, eher zweitrangig gegenüber den psychologischen Problemen.
Mein Klavierprofessor sagte mal zu mir, dass es auf dem Weg eines Musikers immer wieder große "Mauern" zu überwinden gibt, welche – im Gegensatz zur Technik und zur Musikalität – nicht kontinuierlich erklommen werden können, sondern deren Überwindung eher einem "Paradigmenwechsel" gleicht. Für mich war die erste große Mauer hier, dass ich lernen musste, welche psychologische Haltung ich meinem Spiel und der Musik gegenüber einnehmen muss, damit ich ausdauernd und belastungsfrei musizieren, üben und konzertieren kann.
Wie das aussieht ist leider absolut individuell, aber das Ziel ist das gleiche: Zufrieden mit sich zu sein und ein gesundes Verhältnis zum Instrument und zur Musik zu entwickeln.
Retrospektiv war hier für mich zunächst wichtig eine Antwort auf die folgenden Fragen zu finden:
1.) Was gibt mir beim Musizieren/Üben/Konzertieren Kraft? Was genieße ich daran?
2.) Was kostet mich beim Musizieren/Üben/Konzertieren Kraft?
Bei mir:
1.) Das Verstehen der Aussage der Musik, die Empfindungen die man beim Musizieren verspürt, das "freilegen" der musikalischen Aussage im eigenen Spiel, das Erleben des eigenen Fortschritts, die Erkenntnisse über sich selbst, die "zeremoniale" Atmosphäre des Konzerts und der leicht tranceartige Charakter der Aufführungssituation, ...
2.) (Unkonstruktive) Selbstzweifel, der Vergleich mit anderen, die Angst vor Fehlern.
Nun war es für mich sehr hilfreich, mich beim Üben/Konzertieren/... immer auf die Aspekte zu konzentrieren, welche unter (1.) zu finden sind.
Andererseits sollte man aber auch die Aspekte unter 2.) nicht verdrängen. Hier war es für mich sehr hilfreich, Strategien zu erarbeiten, um mit diesen Punkten umzugehen. Die Idee hier ist, ein Rezept zu entwickeln, mit welchem man mit den unter (2.) gelisteten Gedanken so umgehen kann, dass diese in Gedanken der ersten Kategorie umgewandelt werden.
Um ein Beispiel zu nennen, kann ich kurz skizzieren, wie ich mittlerweile mit Selbstzweifeln umgehe.
Selbstzweifel bestehen im Grunde aus dem unkonstruktiven Gedankengang, dass man schlecht ist (oder schlechter als andere). Dieser Gedanke enthält meist keine andere Information als die, dass man glaubt schlecht zu sein. Mir hilft es hier, dieses "schlecht" zu objektivieren und sofort in die Frage "Was ist denn gerade gut und was ist gerade schlecht?" umzuformulieren und diese Frage möglichst exakt zu beantworten. Anschließend versuche ich mir eine Strategie zurechtzulegen, welche die unter 1. gelisteten Aspekte nutzt um meinen aktuellen Stand zu verbessern.
Soviel in aller Kürze von mir. Wie die zugrundeliegenden "Ursachen" bei dir aussehen weiß ich nicht, und es kann natürlich auch sein, dass deine Probleme nichts mit dem Musizieren zu tun haben, sondern tatsächlich psychologischer/hirnorganischer/... Natur sind. Aber da du dich in einem Musikforum angemeldet hast, bin ich mal davon ausgegangen, dass diese "Ursachen" vielleicht doch mit der Musik zusammenhängen.
Schade dass
@chiarina gerade nicht da ist. Ich bin mir sicher, dass sie etwas sehr gewinnbringendes hätte schreiben können, da sie wirklich eine sehr, sehr gute Klavierpädagogin ist (ehrlich gesagt eine der besten die ich kenne). Wenn du denkst, dass dieser Beitrag in eine Richtung zeigt, wo deine Probleme liegen könnten, kannst du mir gerne eine PN schreiben. Wir können uns dann gerne noch weiter darüber unterhalten.
Alles Gute,
Daniel