Und wieder einmal frage ich mich, was da studiert wird. Auf ordentlichen Unterricht wird man ja offensichtlich nicht vorbereitet. ...
Ob das Studium mittlerweile Konfliktmanagement etc. vermittelt, weiß ich nicht. Ich halte das für wichtig!
Auf "ordentliches Unterrichten vorbereiten" ist ein so langwieriger und umfassender Prozess, dass 4 Jahre Studium dafür bei Weitem nicht ausreichen. Denn zu einem halbwegs guten Unterricht gehört unfassbar viel, was den meisten (Schülern wie Lehrern) aus verschiedenen Gründen nicht bewusst ist. Ich zähle mal ein paar Punkte auf:
- Ein guter Pianist sein
- Gutes Gehör, Klangvorstellung, Ideenreichtum, Kreativität
- Motorisches Geschick, sehr gutes Körperbewusstsein (!!)
- Fähigkeit zur Problemlösung; kluges, zielführendes Übeverhalten
- Hohe Intelligenz, Fähigkeit zur Abstrahierung und breites Fachwissen
- Zielstrebigkeit, Frustrationstoleranz, Idealismus, Fähgkeit zur Freude
- Ein guter Pädagoge sein (Methodik = wie wird etwas vermittelt)
- Menschen ansehen und anhören können und dabei auch etwas wahrnehmen
- Ein feines Gespür und Sensibilität, Menschenkenntnis
- Klare, verständliche, sichere Fähigkeit zur Kommunikation und sprachlichen Ausdrucksweise
- Führen können, die Führung abgeben können
- Hohes Maß an Flexibilität, Ideenreichtum, Gelassenheit, Geduld, Spontaneität
- Fähigkeit zur Selbstreflexion auf verschiedenen Ebenen (!!!)
- Natürlich sowieso: Kenntnisse und Erfahrung über bzw. mit Lehrmethoden, ihrer flexiblen Anwendung und Wirkungsweise
- Fähigkeit zur Stundenplanung
- Ein guter Didaktiker sein (Welche Inhalte werden vermittelt)
- Großer Grundstock an Ideen, wie Standardinhalte vermittelt werden können, je nach Alter, Vorerfahrung, Charakter, Interessen etc. (Damit meine ich Dinge wie: Notenlesen, Gehörschulung, Rhythmusschulung, Improvisation, Üben, Spieltechnik usw.)
- Fähigkeit, Stärken und Schwächen des Schülers im Allgemeinen und konkrete Probleme im speziellen überhaupt zu erkennen
- (gehört auch zur Methodik:) Eine Idee, was wann und in welcher Reihenfolge mit welcher Gewichtung gelehrt wird
- Fähigkeit, alle Punkte aus "ein guter Pianist sein" nicht nur selbst zu beherrschen, sondern auch klar benennen, zeigen, wahrnehmen und lehren können
Der Studienplan an Hochschulen ist also ein ständiger Drahtseilakt zwischen einem überladenen, verschulten Stundenplan, bei dem alles ein wenig angerissen wird, und einem schlanken Stundenplan, der den Studenten Zeit zum Üben und für eigene Entwicklung lässt, aber auch mehr Verantwortung und Eigeninitiative voraussetzt.
Dazu kommt, dass es mit der Fachmethodik an Hochschulen tatsächlich nicht besonders gut bestellt ist. Die entsprechenden Stellen sind sinnvollerweise meistens Kombinationen aus Fachmethodik und Klavier (also z.B. eine Professur, die 50% Fachmethodik etc. und 50% Instrumentalunterricht beinhaltet), was wiederum zur Folge hat, dass nur ein kleiner Teil der Bewerber die Anforderungen wirklich erfüllt - nämlich dreierlei:
1. Ein hervorragender, erfolgreicher Pianist sein
2. Ein hervorragender Klavierpädagoge sein
3. Ein hervorragender Fachmethodiker sein
Oft fällt tatsächlich 3. am ehesten hinten herunter, weil man denkt, "das bisschen Fachmethodik kann der schon irgendwie mit unterrichten". Tja.
Außerdem: Natürlich sind an der Hochschule im IP-Studiengang nicht reihenweise geborene Pianisten-Lehrer; manche können selbst (noch?) nicht gut genug spielen, um den nötigen Überblick zu haben, und dies auch zu lehren; anderen fehlt es an Lehrerfahrung; manche hatten selbst überwiegend so schlechten Unterricht, dass sie kein positives Vorbild haben (woher soll dann eine gute Lehrerpersönlichkeit kommen?) etc. etc.
@chiarina Konfliktmanagement an sich kommt bei uns nicht vor. Darüber wird "nur" gesprochen, wenn es konkrete Gründe gibt.
Dieser Beitrag ist wirklich das Knappeste vom Knappen, was man zu dem Thema sagen kann, ganz unvollständig und etwas platt. Ich möchte damit nur zeigen, wie wirklich komplex und anspruchsvoll es ist, ein guter Lehrer zu werden!