Rhythmus in BWV 874

J

Jsp

Dabei seit
17. Nov. 2020
Beiträge
387
Reaktionen
278
Eine Frage zum Praeludium D-Dur aus dem 2. Teil des Wohltemperierten Klaviers:
Wie fasst ihr die Achtelnoten im zweiten bzw. vierten Takt (und natürlich auch später im Stück) auf? Duolisch (also die beiden Noten unter dem Bogen gleich oder fast gleich lang) oder triolisch (also die erste Note der Zweiergruppen im Verhältnis 2 zu 1 verlängert)?
Bei S. Richter hört man die triolische Ausführung, in neueren Aufnahmen (etwa A. Schiff) die duolische (mit mehr oder weniger starker Betonung der zweier Bindung und evtl. geringfügiger Verlängerung des ersten Achtels)



1724057256670.png

Daraus ergibt sich in Takt 18 natürlich die Frage, auf welchem Sechzehntel das jeweils zweite Achtel kommt, auf dem vierten oder fünften?
1724058019603.png
 
Zuletzt bearbeitet:
Hätte Bach die gebunden Achtel triolisch gewollt, hätte er sie vielleicht eher als punktierte Achtel mit Sechzehntel notiert.
ja, wahrscheinlich - in Altnikols sehr sauber geschriebenen Manuskript von 1744 ist Takt 18 eindeutig duolisch notiert. Wobei ich diesen Takt bei duolischer Ausführung immer etwas ungelenk finde, an keiner anderen Stelle im Praeludium kommt diese Überlagerung sonst vor.
1724061500930.png
 
Warum steht das Stück überhaupt in 12/8 und nicht in 4/4? Ich bin es jedenfalls eher gewohnt, in 4/4 zu denken und viele Triolen zu spielen, als in 12/8 zu denken und zwischendurch Duolen zu spielen.
 
Du spielst ihn vielleicht ungelenk - aber eo ipso ist er nicht ungelenk.
Ein wenig schräg finde ich den auch. Für Bach ist eine solche Polyrhythmik sehr ungewöhnlich, da wird man kaum ähnliche Beispiele finden.

Hinzu kommt noch, dass es - egal, ob man die Achtel duolisch oder triolisch spielt - immer bei einer Verbindung Quintparallelen gibt. Die Hand sträubt sich irgendwie, das zu spielen.
 
Du spielst ihn vielleicht ungelenk - aber eo ipso ist er nicht ungelenk.
Ich habe das Stück noch gar nicht gespielt, insofern haben Deine phänomenalen Fähigkeiten der Ferndiagnose hier ausnahmsweise versagt.
Die Irritation in Takt 18 ist tatsächlich ein Hörerlebnis beim Hören verschiedener Aufnahmen, auch von hochrangigen Pianisten.
 
Zuletzt bearbeitet:

Ein wenig schräg finde ich den auch. Für Bach ist eine solche Polyrhythmik sehr ungewöhnlich, da wird man kaum ähnliche Beispiele finden.

Hinzu kommt noch, dass es - egal, ob man die Achtel duolisch oder triolisch spielt - immer bei einer Verbindung Quintparallelen gibt. Die Hand sträubt sich irgendwie, das zu spielen.
Die - aus dem Notentext freilich schwerer herauszulesende - triolische Deutung überzeugt mich mehr als die duolische. Besonders auch in Takt 18, die Quintparallelen da fallen bei triolischer Ausführung weniger auf, da sie nicht wie bei der duolischen zwischen Außenstimmen auftreten.
Schlag zwei in Takt 20 finde ich auch seltsam leer, der Triller soll wohl den Abbruch der ansonsten durchgängigen Bewegung kaschieren: 1724091300748.png

Das ist auffällig, da dieses Praeludium ansonsten ein prächtig komponierter Satz ist, der schon stark in Richtung Sonatenhauptsatz geht.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Like
Reaktionen: trm
die Quintparallelen da fallen bei triolischer Ausführung weniger auf, da sie nicht wie bei der duolischen zwischen Außenstimmen auftreten.
Einerseits ja, andererseits nicht, wenn man den Fehler vermeidet, die Sechzehntel ebenfalls duolisch zu betonen (3+3). Spielt man tatsächlich sehr unabhängig und polyrhythmisch, fallen die Quinten nicht auf. Ich würde vermutlich zur duolischen Variante tendieren; aber letztendlich ist es eine Geschmacksentscheidung, weil wir nie sicher wissen werden, wie Bach sich das gedacht hat.
 
Eine ähnliche Frage betrifft das Choralvorspiel BWV738. "Wie schlecht darf der Kontrapunkt sein?" Oder "Wie schlecht müsste der Kontrapunkt sein, um die Entscheidung der rhythmischen Ausführung zu beeinflussen?"
 
Auch interessant in diesem Zusammenhang BWV 608 in dulci jubilo!
Doppelkanon mit einigen interessanten rhythmischen Situationen!
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass es anzugleichen ist. Es gibt eine Abhandlung, die eine solche Praxis bis ins 19. Jh. nachweist: Howard Ferguson: Keyboard Interpretation (1975), S. 89 ff.

Unrhythmisch spielen kann ja sehr hübsch sein:
Bach, D-Dur

Und noch etwas mehr piqué
Scott Ross
 
Jo, auch das hat natürlich graduelle Unterschiede, aber es ist klar, dass die Achtel ternär zu denken sind.
 

Zurück
Top Bottom