Reparatur eines knapp 140jährigen Bösendorfer Flügels

Es freut mich, dass es Euch mein Thema so gefällt. Echt!
So, was geschah heute...
Zuerst hatte ich den Druck gemacht (der flache Winkel über den Steg) Da wird mit Papier untergefüttert beim Rahmenfilz. Alle Rahmenschrauben nochmals kontrollieren und festziehen. Dann habe ich den Stimmstock aufgebohrt. Die neuen Stimmnägel sollen sauberes Holz haben und die oberste Stimmstockschicht nicht sprengen - außerdem musste ich die Wirbellöcher ein paar Millimeter tiefer bohren. Dann hab ich den Steg beschriftet mit den neu berechneten Saitenmaßen, damit ein Kollege von mir im Jahre 2050 genau weiss, welche Saite er braucht, sollte ihm eine beim Stimmen abreissen.

Hier ein paar Bilder...

So sah der Flügel noch ganz ohne Saiten aus:

vorbesaiten.jpg


Die Packung Stimmnägel geöffnet...

stimmnagel.jpg


Soweit bin ich heute gekommen - der halbe Bezug ist oben.

halbsaiten.jpg


Und nun noch ein kleiner Film, wie eine der Basssaiten montiert wird...
http://www.youtube.com/watch?v=s0IXnbqtBxk

LG
Klaviermacher
 
Klasse! Das sieht ja alles super aus. Machen dir solche Arbeiten nicht besonders viel Spaß? Wenn man so ein ziemlicht restaurierungsbedürfiges Instrument hat und haucht ihm neues Leben ein.

Ich könnte mir vorstellen, dass man am Ende mächtig stolz ist, auf das, was man da vollbracht hat. Der wird ja wie neugeboren. Mich fasziniert sowas immer total und ich freue mich wahnsinnig auf die Fortsetztung.
 
Ja, die Arbeit macht mir mächtig Spass und die Kundschaft hat auch Freude. Besonders, als ich den schönen roten neuen Filz am Rahmen montiert habe, war sie hellauf begeistert. Die Nachbarn besuchen mich und bewundern die Arbeit - echt cool! Hab auch Landschaftsfotos gemacht von der schönen Gegend dort.

Heut hab ich zum ersten mal in meinem Leben eine Lawine live gesehen. Der Berg ist etwa 2-3 km entfernt - also keine Gefahr für mich, aber das hat gegrollt und gedonnert - wahnsinn! Ich konnte den ganzen Hergang von Beginn an mit verfolgen. Hatte zufällig meinen Blick auf den Berg gelegt, da sehe ich wie sich oben alles zu bewegen beginnt - und das Spektakel dauerte fast eine Minute, bis alles herunten war.

LG
Michael
 
Hallo Michael,

wenn ich das so sehe, tut es mir ein wenig leid, daß ich meinen Ururalt-Bösendorfer seinerzeit abgegeben habe. Aber ich bin mit der Wiener Mechanik damals nie recht warm geworden. (Vielleicht hätte es ja nur eines Klaviermachers aus Dornbirn bedurft. :() Ich bin gespannt, wie das Instrument nachher klingen wird. Wir werden ja dann hoffentlich mit einer ausführlichen Klangdemonstration beglückt. :p

Wie stark sind die Baßsaiten gespannt? Ist es nicht riskant, wenn so ein verschraubter Geradseiter einseitig der Saitenspannung ausgesetzt ist?

Liebe Grüße
Wolfgang
 
Hallo Michael,

wenn ich das so sehe, tut es mir ein wenig leid, daß ich meinen Ururalt-Bösendorfer seinerzeit abgegeben habe. Aber ich bin mit der Wiener Mechanik damals nie recht warm geworden. (Vielleicht hätte es ja nur eines Klaviermachers aus Dornbirn bedurft. :() Ich bin gespannt, wie das Instrument nachher klingen wird. Wir werden ja dann hoffentlich mit einer ausführlichen Klangdemonstration beglückt. :p

Wie stark sind die Baßsaiten gespannt? Ist es nicht riskant, wenn so ein verschraubter Geradseiter einseitig der Saitenspannung ausgesetzt ist?

Liebe Grüße
Wolfgang
Hallo Wolfgang, vielleicht bekommst Du ja wieder so ein Ding.
Die Saiten sind bei weitem noch nicht auf der vorgesehenen Spannung. Momentan hängen sie nicht durch und die verdichteten Saitenringe um die Wirbel sitzen so, dass sie nicht wieder aufgehen. Zur Demonstration hab ich ein paar wenige Saiten etwas angespannt.
Dieser Geradesaiter ist wahnsinnig massiv konstruiert, auch wenn es nicht so den Eindruck macht. Er ist für 12 Tonnen Zug Dauerbelastung ausgelegt. Es gibt kein Gussteil, welches irgendwo brechen könnte. Im Prinzip ist die Schwachstelle so einer Konstruktion lediglich der Stimmstock, wenn er etwas schwächelt. Der Rest könnte sich zwar verziehen und verbiegen, und tut dies in der Regel auch, aber mehr nicht.
Ich hab heute übrigens nachgemessen - der Flügel ist 205cm lang.

LG
Michael
 
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Hallo Wolfgang, vielleicht bekommst Du ja wieder so ein Ding. Ich hab heute übrigens nachgemessen - der Flügel ist 205cm lang.
Und wo soll ich das Teil hinstellen? Oder liebäugelst Du etwa mit einem meiner Instrumente? :rolleyes: Mein Bösendorfer war 240 cm, ebenfalls aus der Zeit zwischen 1860 und 1870 und ist bei dem niederländischen Klavierbauer Edwin Beunk sicherlich in sehr gute Hände gekommen. Ich fand die Mechanik sehr schwerfällig, dem Instrument war nur unter größten Mühen ein Piano zu entlocken - obwohl: Andreas Staier ist es gelungen. Jedenfalls: ich habe den Bösendorfer in der letzten Zeit nicht so intensiv gespielt, wie es notwendig gewesen wäre, um der Spielart der Wiener Mechanik Herr zu werden.
 
Und wo soll ich das Teil hinstellen? Oder liebäugelst Du etwa mit einem meiner Instrumente? :rolleyes: Mein Bösendorfer war 240 cm, ebenfalls aus der Zeit zwischen 1860 und 1870 und ist bei dem niederländischen Klavierbauer Edwin Beunk sicherlich in sehr gute Hände gekommen. Ich fand die Mechanik sehr schwerfällig, dem Instrument war nur unter größten Mühen ein Piano zu entlocken - obwohl: Andreas Staier ist es gelungen. Jedenfalls: ich habe den Bösendorfer in der letzten Zeit nicht so intensiv gespielt, wie es notwendig gewesen wäre, um der Spielart der Wiener Mechanik Herr zu werden.

Nun, er müsste ja nicht so groß sein. Die Orphika passte doch noch recht gut in Dein Zimmer. :D

Ich mache über das Wochenende an der Mechanik weiter und stelle dann weitere Bilder hier rein. Die Hämmer werden auch neu beledert und die Tastengarnierungen vorne gemacht.

Wenn Dein Flügel schwerfällig ging, war irgendwas in der Mechanik oder der Klaviatur nicht mehr locker genug, Leder verhärtet oder verschmutzt oder er war einfach nur schlecht reguliert. Normalerweise fühlt sich die Wiener Mechanik nicht schwerfällig an. Der dynamische Bereich ist selbst bei guter Regulation etwas geringer, dafür ist die Charakteristik der erzeugten Töne weit entfernt zu den Flügel der englischen Fraktion.

Am Ende gibts natürlich eine Demonstration...

LG
Michael
 
Schön, am Fortgang der Restauration weiter teilhaben zu können. Ich hätte da mal eine ganz kurze Zwischenfrage: Was ist eine Tastengarnierung?

Grüße von
Fips
 
Super Sache mit der Online-Dokumentation, weiter so :) Was mich interessieren würde ist die Belederung der Hämmer. Nimmst du die alten und war da schon Leder drauf? Fotos von der Mechanik wären schön, hab schon lange keine Wiener Mechanik gesehen.

Und zum Thema Druck machen: macht man das nicht mit Tieferlegen der Platte? Au mann, ich merk schon, dass ich aus dem Thema Generalüberholung ziemlich raus bin, meine letzte hab ich vor ca. 15 Jahren gemacht :(

Auf welche Frequenz hast du denn den Bezug berechnet? 440 Hz oder tiefer?
 
Michael, vielen lieben Dank dafür, dass wir den Fortgang der Arbeiten beobachten dürfen. Insbesondere auch Dank für die Videos, und die Bilder sind auch sehr interessant. Gerade die Bilder vom Bespanen und das Video vom Saitenaufziehen, danke für die Mühen, die das gemacht haben muß - irgendjemand muß ja die Videokamera bedienen, wenn du in Aktion bist, und das ganze muß noch ins Internet gebeamt werden.

Hörst Du von dem Klang des Faustschlags auf den Resonanzboden schon irgendwas raus, ob es ein "guter" oder "mittelmäßiger" Klang werden wird?

Habe z.B. zum ersten Mal ein Bild von einem kompletten Stimmnagel gesehen. Haben die Stimmnägel unten ein feines Gewinde, oder sind die ganz glatt?

Also, vielen Dank nochmal, ein super Faden ist das!!!
 

Hörst Du von dem Klang des Faustschlags auf den Resonanzboden schon irgendwas raus, ob es ein "guter" oder "mittelmäßiger" Klang werden wird?
Auch von mir vielen Dank, Michael. Würde Dir gerne noch mehr über die Schulter schauen (keine Angst, ich lange nix an, obwohl's in den Fingern juckt... ;-) )
Der Klang vom Resonanzboden - über Kopfhörer - hat mich überrascht: nicht so dumpf wie erwartet sondern lebendig wie ein gespanntes Trommelfell (das große). Hört der Profi etwas daraus oder löst er damit nur Lawinen aus? :D

Danke nochmal,
Hanfred
 
Hallo,

Danke fürs bewerten, Mindenblues!
Die Stimmnägel haben ein 4-faches feines Gewinde. (es ist eine Art Zwitter von Nagel und Schraube) Früher wurde statt eines maschinell hergestellten Gewindes der Nagel von Hand geriffelt, so dass er mehr Oberfläche bekommt, wenn er im Holz sitzt.

Der Ton eines Resonanzbodens ist wirklich erstaunlich - besonders wenn das Instrument gut ist. Man kann schon erahnen, wie gut es mit Saiten klingen wird. Wenn es nicht klingt, dann wäre es Schade um weitere Arbeit und beim Neubau würde man den Resonanzboden rausnehmen und einen neuen einbauen.

Tastengarnierungen sind Fütterungen aus Kasimir oder Leder, welche am Holz der Taste angebracht sind und so bei den Führungsstiften ein Klappern verhindern sollen. Jede Taste hat einen Stift vorne zur seitlichen Führung und einen am Waagepunkt der Taste.

Die Hammerköpfe sind beledert. Dieses Leder nützt sich ab und wurde schon zwischenzeitlich mal jämmerlich erneuert. Es kommt ein neues Leder drauf.;)

Druck macht man durch tiefer legen der Platte, wenn es notwenig ist. Hier war es nicht nötig, aber die Feinabstimmung über alle Bereiche macht man mit Beilagen aus Pappe unter dem Filz am Rahmen., und für diese sehr wichtige Arbeit sollte man sich Zeit nehmen. Immer wieder messen und zuschneiden und wieder messen u.s.w. bis man überall schönen gleichmäßigen Druck hat.

Die Mechanik mache ich morgen und übermorgen weiter - stelle dazu wieder Bilder hier rein.

Heute hab ich die Besaitung fertig gemacht und das Instrument auf 440 Hertz in drei Etappen hochgestimmt. Alles sitzt perfekt. Leider hatte ich die Speicherkarte daheim vergessen, sodass ich keine neuen Bilder machen konnte. Daher gibts heute die Bilder von gestern - und zwar die Landschaftsaufnahmen.

Hier direkt zur Glasschiebetüre hinaus...

schoppernau1.jpg


Gleich neben dem Haus ist ein kleiner Streifen Schnee weggeschmolzen...

schoppernau2.jpg


Mittagstisch - Blick aus dem Restaurant...

schoppernau3.jpg


Das ist echt eine tolle Gegend!
LG
Michael
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Was eine Gegend, du bist echt zu beneiden! :eek:
 
Boah, wie schön. Wir Kölner bekommen ja immer nur alle 10-15 Jahre mal einen Hauch von Schnee. Dieses Jahr war es wieder mal so weit. Deshalb kannst du mich mit so wunderschönen Bildern immer tief beeindrucken. Ich liebe die Berge und Schnee ;)

Schade, dass du deine Speicherkarte nicht dabei hattest, jetzt freue ich mich umso mehr auf morgen und neue Bilder.
 
Danke, Klaviermacher, für die Erklärung. Das mit der Tastengarnierung kann ich mir zwar nur mit Mühe vorstellen, weil ich die Innenansicht einer Flügelklaviatur nicht kenne. Aber das Prinzip ist schon klar. Zu den Landschaftsaufnahmen: *seufz*

Grüße von
Fips
 
hier mal ein Foto von einer Tastatur. In der Mitte der Taste ist ein Metallstift und vorne unter der Taste ebenso. Die Stifte führen die Taste. Damit es nicht klappert, ist ein Filz drin, in diesem Fall rot. Der nennt sich dann Tastengarnierung. Kann auch aus Leder sein und hält dann ewig und 3 Tage ;)
 

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  • Tastaturgarnierung.jpg
    Tastaturgarnierung.jpg
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Meinst Du nicht, dass der (52er?) Belag etwas weit übersteht?
 

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