Uff. Vielleicht könntet ihr für eure philosophischen Diskussionen über die (Nicht)Existenz des freien Willens einen neuen Strang aufmachen?
Ich wollte hier eigentlich nur über Klavierunterricht diskutieren.
Danke.
Liebe Ella,
sorry, dass ich das mit der "SCHULD" angestoßen habe, aber ich gebe Hasenbein in seinen Ausführungen dazu zu 100% recht. Manchmal weiß ich nicht, als Klavierlehrerin (!), was wer wann warum in so einer Situation lernen soll...
Du hast da eben eine Dreiecksbeziehung mit Mutter und Sohn, wo alle DREI (!) etwas lernen müssen. Und es kann wohl wirklich um Dinge gehen, die uns bewusst gar nicht "wirklich" zugängig sind. Niemand kann letztendlich sagen, worum es dabei geht. Vordergründig sollst Du dem Jungen das Klavierspielen beibringen, dafür hast Du einen Auftrag, dafür wirst Du bezahlt. Bei der Umsetzung dieses Auftrages geräts Du allerdings unter die Räder verschiedener Ideen davon, was Du leisten sollst.
Das Kind hat eine eigene Idee, was Du tun sollst, die Mutter hat wiederum eine andere Idee, was Du tun sollst und Du hast - selbstverständlich - auch wieder Deine eigene Idee. Woher kommen diese vielen verschiedenen Ideen? Wie könnte man sie synchronisieren? DAS ist doch das spannende.
Und das wird in jedem Moment wieder neu verhandelt zwischen allen Beteiligten.
Im Gespräch hast Du Deinen Standpunkt der Mutter gegenüber dargestellt: zB: sie soll sich raus halten. Letztendlich ist das eine/Deine Forderung. Die Mutter hat akzeptiert und war "einsichtig". Ich wünsche euch dreien, dass das so bleibt. Aber ich nehme an, dass es wieder und wieder knirschen wird - daran ist nichts Schlimmes.
Und Kompliment an Hasenbein, er bringt den Sachverhalt wunderbar in einer völlig anderen Beleuchtung zum Ausdruck, es ist auf keinen Fall off-topic. Man kann sich wirklich schwer vorstellen, dass wir alles was wir tun zwar aus einer Art "freien Willen" machen aber dass das nur eine Illusion ist, wenn auch eine durchaus nötige Illusion, denn sonst funktioniert gar nichts mehr.
Die Suche nach Ursachen für bestimmte Umstände ist allerdings das Abschieben der Verantwortung auf ANDERE. Die Verantwortung zu übernehmen heißt am Ende des Tages, dass es nicht der Junge ist, der da schreit und weint, sondern ich. Es ist nicht die Mutter, die ein Problem mit dem Jungen hat, sondern ich habe ein Problem mit mir. Der Junge hat auch kein Problem mit seiner Mutter sondern ich habe dieses Problem.
Und jetzt kommt der Hammer: im Grunde genommen gibt es kein Problem! Die Dinge SIND einfach.
Wir KL haben immer wieder mit sehr kleinen Kindern zu tun. Da müsste man doch wirklich immer wieder erkennen können, dass ein Mensch in die Gesellschaft hinein wächst indem er das Denken der Gesellschaft übernimmt. Ich sah "gute" Mütter, die sich mit Blick auf die Uhr über Kinderwägen beugten und behaupteten, dass der kleine Jean-Pierre gleich Hunger haben würde und aufwachen würde. Dann wolle er natürlich SOFORT sein Fläschchen haben - sprachs und fing an das Fläschchen warm zu machen. Ich dagegen sah nur ein schlafendes Kind, was vielleicht wirklich irgendwann einmal aufwachen würde. Ob es dann sofort sein Fläschchen haben müssen würde kann doch niemand wissen... also ich kann nach dem Schlafen nicht sofort etwas zu mir nehmen..
Da wird also von den Müttern schon angenommen, dass die Säuglinge irgend etwas konkret "wollen"! Da muss ich mich einfach nur wundern, aber das ist eben in unserer Gesellschaft so Konsens: Säuglinge wissen konkret was sie wollen!
Tja, und dann werden die Kinder ein Jahr alt und lernen immer besser, dass zu erfüllen, was die Gesellschaft meint, was sie wöllten.
Nennt man das nicht eine "sich selbst erfüllende Prophezeihung"?
Daher empfinde ich diese Ratschläge hier durchaus zweischneidig (was mich nicht davon abhält meinerseits zu ratschlagen zB, dass man keine Ratschläge geben sollte...). "Ratschläge" sind günstigstenfalls neue und ungewohnte Denkmuster - wie zB die völlig andersartige Denke von Hasenbein und mir. Daran ist nichts off-topic. Doch genau DAS suchen die wenigsten Ratsuchenden: die meisten suchen eine Bestätigung ihres eigenen Denkens, zB: die Mutter ist übergriffig, der Junge ist traumatisiert und man sollte deshalb... bla bla bla.
Darüber wurde ja hier einiges gemunkelt. Und: vielleicht stimmt das ja auch - wer weiß. Vielleicht aber auch nicht.
Das schreibt leider den Status quo mehr und mehr fest. Beispiel: je mehr Du jemandem etwas unterstellst, desto mehr wird er es auch erfüllen!
Glaubst Du also von einem Schüler/in, dass er/sie sich für Musik interessiert, dann wird er/sie das tatsächlich tun! Schreibst Du den AZUBI aber Faulheit und Desinteresse zu, so wird er genau DAS auch erfüllen. Solche Mechanismen kann man täglich an Schulen studieren. Hat eine Lehrkraft ein positives Vorurteil einem Kind gegenüber, so wird es engagierter in diesem Fach mitarbeiten. Hat die Lehrkraft dagegen eine schlechte Meinung einem Kind gegenüber so verliert das Kind meist das Interesse an dem Fach!
Vielleicht ist alles, was man zu dieser Deiner Dreiecks-Situation denken kann, gleichzeitig auch wahr!!
Alle Gedanken sind am Ende des Tages immer auch: Glaubenssätze! Glaubenssätze müssen keinen Wahrheitsgehalt haben.
Und falls durch diese Geschichte irgend jemand hier beginnt, darüber nachzudenken, dass es oftmals gar keine Wahrheit gibt, dann finde ich, hat dieser Faden viel bewirkt!
Alles Liebe
Viola