Was hältst du denn von meiner Idee mit dem Gummiband? Also die Fingerkuppe in ein Gummiband einspannen und den Finger dann beugen.
Ich gehe davon aus, Du kannst Deine Faust ballen wie jeder andere auch. Die Beugemuskulatur ist überhaupt nicht das Problem. Bevor Du Einzelfinger in irgendeine Konstruktion spannst und unphysiologisch "trainierst", würde ich Dir zu Therapieknete raten oder diesen kleinen Quetschbällen. Damit kann wenigstens nichts schiefgehen.
Habe ich das richtig verstanden, du hast auch im Alltag das Strecken der Finger vermieden?
Ich habe viel darüber nachgedacht und mich für diese Lösung entschieden. Immer vorausgesetzt, dass Du tatsächlich das gleiche Problemchen hast wie ich (Deiner Beschreibung nach spricht viel dafür):
1. Es ist erblich bedingt. Man ist von klein an daran gewöhnt. Normalerweise stört es ja nicht, also tut man auch nichts dagegen. Im Gegenteil, vielleicht führt man es als anatomische Kuriosität sogar manchmal vor. Das Gelenk ist es also "gewöhnt" und die körperliche Eigenwahrnehmung ebenso.
2. Jede Streckung muss also gewissermaßen auf halbem Weg abbrechen. Dafür müssen weniger die Beugemuskeln auf- als vielmehr die
Streckmuskeln
abtrainiert werden (die Beugemuskeln machen ja keinen Ärger und funktionieren auch normal). Das unnatürliche Bewegungsmuster muss raus aus dem Hirn - nicht allein die Hand muss umorganisiert werden, sondern der Motor, der hinter allem steckt.
3. Ab einem gewissen Alter versteifen Gelenke, die man nicht bewegt. Habe ich mit Staunen nach meiner letzten Radiusfraktur (da war ich 31) zur Kenntnis nehmen müssen. Als Kind/Jugendliche kannte ich es so: Gips runter, Leben geht unvermindert weiter. Übertragen auf die Hypermobilität habe ich mir dann zurechtgelegt: Die Überstreckung ("Beugung in die falsche Richtung") muss um jeden Preis vermieden werden. Jedes bewusste Strecken führt aber zur Überstreckung. Woher soll der Finger wissen, dass er plötzlich bei 180° aufzuhören hat.
4. Ergo ist die "bewusste Streckung" tabu. Ganz lässt sie sich leider nicht vermeiden, aber es ist m. E. schon viel damit gedient, wenn man aufmerksam beobachtet und aktiv unterbindet. Das fiese "Zickzack-Einrasten" (schön beschrieben) gehört jedenfalls schon lang der Vergangenheit an.
5. Last but not least: Mit Bezug auf das Klavierspiel sei nochmals herausgestrichen, dass die richtige "greifende" (nicht "drückende") Anschlagtechnik noch wichtiger ist als sowieso schon. Wenn Du jetzt z. B. Cortot-Übungen machst, habe ein besonderes Augenmerk darauf, dass auch bei gehaltenen Tönen die Finger nicht in die Überstreckung geraten.
P.S. Eine Ausnahme gönne ich mir übrigens für den Daumen. Hier ist ein "Zickzackeinrasten" eh nicht möglich und es ist eher von Vorteil, wenn der Daumen sich passiv überstrecken ("dorsale Beugung") lässt. Aktive Überstreckung kann man ja trotzdem meiden, um das Bewegungsmuster aus dem Hirn zu eliminieren.